Weltweit nimmt die Zahl der Menschen mit Übergewicht und Adipositas stetig zu. In Deutschland gaben 47 % der Frauen und 61 % der Männer an, von Übergewicht (einschließlich Adipositas) betroffen zu sein (Stand: 2019/2020).1 Neben gesundheitlichen Risiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes kann ein hoher Body-Mass-Index (BMI) auch die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.2 Fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren bleibt ungewollt kinderlos.3 Lesen Sie hier mehr zu Ursachen, Langzeitfolgen und möglichen Lösungsansätzen.
Fett ist mehr als nur ein Energiespeicher – das Fettgewebe wirkt aktiv auf den Hormonhaushalt ein. Besonders das viszerale Fett im Bauchbereich setzt Botenstoffe frei, die Entzündungsprozesse fördern und das hormonelle Gleichgewicht stören. Dies kann bei Frauen zu einem Übermaß an Androgenen („männlichen“ Hormonen) führen und bei Männern den Testosteronspiegel senken.4 Mögliche Folgen sind:Bei Frauen:
Bei Männern:
All diese Faktoren erschweren die natürliche Empfängnis und verlängern die Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft im Vergleich zu normalgewichtigen Paaren.
Viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch suchen Hilfe in Kinderwunschkliniken. Übergewicht kann dabei den Behandlungserfolg negativ beeinflussen.Liegt die Ursache auf männlicher Seite, richtet sich die Therapie nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung: Bei leichteren Formen kann eine Insemination erfolgen, bei der aufbereitete Spermien direkt in die Gebärmutter eingebracht werden. Bei stark eingeschränkter Spermienqualität ist eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) erforderlich – hierbei werden Eizellen entnommen, im Labor befruchtet und anschließend eingesetzt.12Bei verminderter Eizellqualität kommt häufig eine In-vitro-Fertilisation (IVF) zum Einsatz.12 Übergewicht kann jedoch auch hier die Erfolgsrate mindern: Frauen mit Adipositas benötigen höhere Medikamentendosen, erzielen aber oft eine geringere Eizell- und Embryoqualität.4,13 Die Folge sind niedrigere Schwangerschafts- und Geburtenraten sowie ein erhöhtes Risiko für Komplikationen.14
Adipositas erschwert nicht nur die Empfängnis, sondern erhöht auch das Risiko für gesundheitliche Probleme während der Schwangerschaft. Je höher der BMI vor der Schwangerschaft, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes, Bluthochdruck oder Präeklampsie.15Zudem steigt das Risiko für einen Kaiserschnitt und Komplikationen bei der Geburt.15 Kinder von Müttern mit Adipositas kommen häufiger mit einem überdurchschnittlichen Geburtsgewicht (> 4 kg) zur Welt, was wiederum das Risiko von Komplikationen bei der Geburt für Mutter und Kind erhöht.16
Übergewichtige Frauen haben häufiger Schwierigkeiten beim Stillbeginn und stillen insgesamt kürzer – unter anderem wegen hormoneller Störungen, Insulinresistenz sowie geringem Selbstvertrauen und Schamgefühlen.17
Zudem ist bei Neugeborenen von Müttern mit Adipositas das Risiko für den plötzlichen Kindstod (SUID) erhöht – und steigt mit dem BMI der Mutter.18 Darüber hinaus erhöhen sowohl ein hohes Ausgangsgewicht vor der Schwangerschaft als auch eine übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft das Risiko, dass das Kind später selbst übergewichtig wird.19
Bereits eine Gewichtsreduktion von 5-10 % kann die Fruchtbarkeit von übergewichtigen Männern und Frauen deutlich verbessern. Bei Frauen kann eine Gewichtsabnahme den Hormonhaushalt stabilisieren, sowie zu regelmäßigen Zyklen und spontanen Eisprüngen führen.20,21 Mehrere Studien zeigen, dass eine moderate Gewichtsreduktion vor Kinderwunschbehandlungen die Rate spontaner Schwangerschaften erhöhen und die Anzahl der Behandlungszyklen verringern kann.22-24 Darüber hinaus kann das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft deutlich herabgesetzt werden.15
Bei Männern mit Erektionsstörungen und einem BMI von 25-40 kg/m² kann eine Gewichtsreduktion die erektile Funktion verbessern.25 Auch die Qualität der Spermien kann positiv beeinflusst werden, wobei unklar bleibt, ob dieser Effekt direkt durch die Gewichtsreduktion oder gesündere Lebensgewohnheiten bedingt ist.26
Übergewicht und Adipositas können die Fruchtbarkeit erheblich beeinträchtigen – sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung, ausreichend Bewegung und Stressmanagement kann jedoch viel bewirken. Bereits kleine Veränderungen können die Chance auf eine Schwangerschaft erhöhen und die allgemeine Gesundheit verbessern. Bei Kinderwunsch und bestehendem Übergewicht kann eine individuelle Beratung durch Fachärztinnen und -ärzte oder Ernährungsberaterinnen und -berater hilfreich sein.
In unserer Broschüre „Adipositas und Kinderwunsch“ finden Sie weiterführende Informationen sowie praxisnahe Tipps zur Gewichtsregulation für Ihre Patientinnen und Patienten.
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