Bei der Novelle der Apothekenbetriebsordnung ist der Notdienst im Filialverbund eines der Eisen, die das Bundesgesundheitsministerium mit seinem Eckpunktepapier vom April 2011 „heiß gemacht“ hat. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat die Sache zusätzlich aufgekocht. Umso erstaunlicher, dass sich kaum jemand wirklich konkret äußern möchte.
Dr. Stefan Hartmann vom Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) setzt auf Transparenz. Nachdem im April das Positionspapier des Bundesgesundheitsministeriums zur schon seit Jahren diskutierten Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) die politische Runde machte, hat der BVDAK eine dreiseitige Stellungnahme verfasst und veröffentlicht. Dort steht klar, was der Verband von den einzelnen Eckpunkten hält. Unter Punkt 5.3b geht es auch um den Notdienst: „Der BVDAK begrüßt es, dass der Erlaubnisinhaber eines Filialverbunds selbst entscheiden soll, in welcher/in welchen Apotheken der Notdienst zu verrichten ist“, ist zu lesen, unter Bezugnahme auf eine Formulierung in besagtem Eckpunktepapier, in welchem steht, dass der Notdienst von anderen Apotheken im Filialverbund „im Grundsatz übernommen werden“ kann.
Rätselraten über die Positionierung der ABDA
Für dieses Plädoyer zu einer gewissen Liberalisierung des Notdienstes haben sowohl BMG als auch BVDAK Kritik einstecken müssen. Als dann vor wenigen Wochen das Bundesverwaltungsgericht der Thüringischen Landesapothekerkammer in einem Verfahren gegen zwei Filialapotheker zugestand, dass es im Sinne der ApBetrO sei, wenn die Landesapothekerkammer einem Filialverbund die Verlagerung des Notdienstes aus einer Filiale in die andere untersage, fühlten sich die Kritiker naturgemäß bestätigt. Stellvertretend für viele andere hat die ABDA das Urteil begrüßt, weil es „die Rolle des flächendeckenden Nacht- und Notdienstes durch Apotheken bei der Versorgung der Verbraucher“ unterstreiche.
Was dort allerdings nicht steht, ist, dass die ABDA die Verlagerung des Notdienstes innerhalb eines Filialverbunds grundsätzlich ablehnt. Stattdessen findet sich folgender Satz: „Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Ermessensausübung der Landesapothekerkammer Thüringen bei der Gewährung von Ausnahmegenehmigungen.“ Die demnach grundsätzlich möglich sind, so kann man das zumindest lesen. Auf Nachfrage von DocCheck möchte sich ein ABDA-Sprecher nicht festlegen: „Wir sind generell der Auffassung, dass jede Apotheke alles können muss, also auch Notdienst.“ Die Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung stehe für die ABDA im Vordergrund. Dann die Einschränkung: „Wir haben aber auch ein System, bei dem die Landesapothekerkammern Entscheidungen treffen müssen.“ Eine Positionierung zu der liberalisierenden Formulierung im Eckpunktepapier ist der ABDA derzeit nicht zu entlocken. Man warte auf den offiziellen Referentenentwurf, heißt es.
Klare Regeln und Fokus auf den Patientennutzen
Also was? Hartmann versteht nicht, dass die ABDA ihre existierenden Stellungnahmen zu den ministerialen Plänen für die neue ApBetrO nicht öffentlich macht, die Basis nicht in die Diskussion einbezieht. Und speziell beim Notdienst ist er der Auffassung, dass sich sinnvolle Regelungen finden lassen müssten, die für die Patienten sogar Vorteile bringen können. Als Apotheker in Bayern spricht er aus Erfahrung. „Ich war der erste Apotheker in Bayern, der bei der Landesapothekerkammer schon 2004 eine Ausnahmegenehmigung beantragt und erhalten hat“, so Hartmann im Gespräch mit DocCheck. Bis zum vergangenen Jahr seien in Bayern rund 250 derartige Genehmigungen erteilt worden. Die Kriterien für die Ausnahmen waren streng, und sie waren transparent: „Getauscht werden durfte nur im gleichen Notdienstbezirk. Und der Tausch musste plausibel begründet werden.“ Der Patientennutzen habe dabei immer im Vordergrund gestanden: „Es ist doch völlig klar, dass ich als Inhaber eines Filialverbunds nur eine gut gelegene Apotheke zur Notdienstapotheke mache. Alles andere macht doch gar keinen Sinn.“
Die Erfahrungen in Bayern, das in diesem Punkt sehr viel liberaler agiert hat als andere Bundesländer, seien gut gewesen: „Da hat sich nie ein Kollege beschwert“, so Hartmann. Erst eine Klage eines nach Hartmanns Aussage gar nicht von einer Ausnahmegenehmigung betroffenen Kollegen aus Würzburg führte dazu, dass die Sache auf Eis gelegt wurde. Einige wenige betroffene Filialapotheker haben gegen die Aufhebung dann ihrerseits geklagt: „Derzeit ruht dieses Verfahren im beidseitigen Einverständnis. Letztlich warten alle auf eine höchstrichterliche Entscheidung.“
Raushalten scheint die Devise der Kammern zu sein
Die gibt es nun. Was aber noch nicht vorliegt, ist die offizielle Urteilsbegründung. Wenn das Urteil so zu verstehen sei, dass die Landesapothekerkammern einen Ermessensspielraum haben könnten, dann sei es letztlich genau auf der Linie des BVDAK, so Hartmann. Auch der BVDAK wolle nicht, dass ein Filialapotheker komplett nach eigenem Ermessen Notdienste zwischen den Filialen hin- und herschiebt: „Der Patientennutzen ist ein ganz entscheidendes Kriterium. Wenn eine Filiale in Krankenhausnähe den Notdienst übernimmt, und nicht eine Filiale am Stadtrand, dann ist das doch hilfreich. Deswegen mutieren diese Apotheken noch lange nicht zu ‚Apotheken-light‘“
Auf die noch fehlende Urteilsbegründung weist auf Nachfrage von DocCheck auch eine Sprecherin der bayerischen Landesapothekerkammer hin und begründet damit, warum man derzeit zu dem Thema überhaupt nichts Konkretes sagen möchte: „Die Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung ist für uns am wichtigsten“, so die Sprecherin. Ziel müsse es sein, die Balance zu schaffen zwischen guten Arbeitsbedingungen für die Apotheker und optimaler Patientenversorgung. Ob es die Kammer nach ihren guten Erfahrungen in der Vergangenheit nicht für wünschenswert halte, die ApBetrO gemäß den in Bayern bis 2010 geltenden Regeln zu liberalisieren? Keine Antwort. Nicht nur die Urteilsbegründung, auch der offizielle Referentenentwurf für die ApBetrO liege ja noch gar nicht vor, heißt es erneut. Stimmt schon. Ab einem gewissen Punkt besteht bei zu viel Zurückhaltung allerdings die Gefahr, mit Fakten konfrontiert zu werden, die man so gar nicht haben wollte.