Nach Implantation einer Hüft- oder Knieprothese wollen Patienten möglichst schnell wieder mobil sein – auch im Straßenverkehr. Wie lange die Pause aber mindestens sein sollte, zeigen jetzt zwei Charité-Studien.
Geht es um die Planung eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks, ist die Fahrtauglichkeit eines der wichtigste Patientenanliegen – doch bisher fehlten belastbare Daten. Zwei klinische Studien der Charité Berlin haben nun die Wiedererlangung von Reaktionszeit und Bremskraft nach dem Eingriff systematisch untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass Patienten mit einer Hüftprothese frühestens vier Wochen nach der OP wieder fahrtüchtig sind. Nach dem Ersatz ihres Kniegelenks sollten Betroffene mindestens sechs Wochen warten.
Mit diesen Daten könne man Patienten zu Rückkehr in den Straßenverkehr gut beraten, so die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik. Nach wie vor entscheidend bleibe jedoch der Gesamtzustand. Dazu gehören etwa die grundsätzliche Leistungsfähigkeit, Begleiterkrankungen sowie die Einnahme von Medikamenten, die müde machten. „Die Fähigkeit, eine Notbremsung durchzuführen, gehört zu den zentralen Voraussetzungen, um sicher Auto zu fahren“, sagt Prof. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Berlin. Wesentlich beim Bremsvorgang sind eine intakte Reaktionszeit auf den Bremsreiz (BRT) sowie Kraft, das Bremspedal ausreichend zu betätigen, Bremspedalkraft (BPF). „An BRT und BPF sind Muskeln beteiligt, die sich – auch nach muskelschonenden Operationen, wie wir sie heute meist durchführen –, erst wieder regenerieren müssen“, erklärt der Orthopäde und Unfallchirurg. „BRT und BPF gehören deshalb zur Beurteilung der Fahrtüchtigkeit dazu.“ Bis heute habe jedoch keine Studie die Kombination dieser Parameter untersucht.
In die prospektive Studie zur Erfassung der Fahrtauglichkeit nach Implantation einer Hüftprothese sind 25 Patienten (15 Männer, 10 Frauen, Durchschnittsalter 51,3 ± 10,1 Jahre, BMI: 26,8 ± 4,9 kg/m2) eingegangen. Alle Patienten wurden minimal-invasiv mit einem zementfreien Implantat rechts versorgt. Der OP-Zugang erfolgte von der Seite. In einem Fahrsimulator wurde mit einer Messsohle die Bremsfähigkeit für Notbremsungen (Zeit und Kraft) erfasst. Die Messungen fanden 6 Tage vor dem Eingriff sowie 2, 4 und 6 Wochen nach der Operation statt. Nach 4 Wochen wurden bei BRT und BPF keine statistisch signifikanten Unterschiede zum Zustand vor der Operation mehr gemessen.
Nach Implantation einer Knieprothese bestanden die Einschränkungen über einen längeren Zeitraum. An der Studie nahmen 30 Patienten (16 Frauen, 14 Männer, Alter 66 ± 11 Jahre, BMI 22,5 ± 4,2 kg/m2) teil, die auf der rechten Seite eine zementierte Knieendoprothese erhielten. Dabei wurden vor der OP sowie 5 Tage, 3 bis 4 und 6 Wochen danach BPF, neuronale Reaktionszeit (NRT), Bremsreaktionszeit (BRT) und subjektive Parameter (Schmerz, selbst wahrgenommene Fahrtüchtigkeit) gemessen. Hier war die BPF der einzige messbare Parameter, der sich nach der OP zunächst signifikant verschlechterte (p < 0,01). Erst nach sechs Wochen hatten die Werte wieder das Ausgangslevel erreicht. Aber auch die Patienten stuften ihre eigene Fahrtüchtigkeit erst zu diesem Zeitpunkt wieder als „gut“ ein. Auffällig waren in dieser Studie auch die erheblichen Differenzen der Werte zwischen den einzelnen Individuen. „Insofern erscheint es hier zielführender, statt absoluter Schwellenwerte eher den einzelnen Patienten zu betrachten und seine Parameter vor und nach der OP zu vergleichen“, sagt Perka.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Die Studien haben wir euch hier, hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Wonderlane, Unsplash