Die chronische Nierenerkrankung (CKD) ist mit 850 Millionen betroffenen Menschen weltweit, davon mindestens 5 Millionen in Deutschland, eine schwerwiegende Erkrankung – mit einer noch höheren Dunkelziffer. Die Anzahl der Patient:innen übertrifft damit sowohl die Anzahl von Diabetes- als auch die der HIV-Patient:innen.1 CKD tritt unter anderem als eine Komorbidität der sogenannten Volkskrankheiten Typ-2-Diabetes und chronische Herzinsuffizienz auf, welche ebenfalls miteinander im Zusammenhang stehen. So können bis zu 40 % der Typ-2-Diabetes-Patient:innen im Laufe ihrer Erkrankung eine chronische Niereninsuffizienz entwickeln.2 Ebenso leiden 50-60 % der Patient:innen mit einer chronischen Herzinsuffizienz unter einer CKD.3 Wenn berücksichtigt wird, dass bis zu 50 % der Typ-2-Diabetes-Patient:innen eine chronische Herzinsuffizienz entwickeln4 und die Komorbidität CKD bei kardiovaskulären Patient:innen die Prognose signifikant verschlechtert5, wird deutlich, dass eine systemische Betrachtung dieser Erkrankungen für die Diagnose und die darauffolgende Behandlung unbedingt notwendig ist.
Im klinischen Alltag zeigt sich jedoch meist ein anderes Bild. Die Relevanz der Untersuchung der Nieren, insbesondere bei chronischen Herzinsuffizienz- und Typ-2-Diabetes-Patient:innen, wird noch deutlich unterschätzt: Nur die Hälfte der CKD-Patient:innen weiß von ihrer Erkrankung.6 Gerade ein früher Therapiebeginn kann jedoch den Krankheitsverlauf verlangsamen, das Leben der Patient:innen verlängern und die Notwendigkeit einer Dialyse bis zu 13 Jahre hinauszögern.7,8 Warum bleiben dennoch so viele Diagnosen aus?
Eine der Ursachen ist das Fehlen von Symptomen im frühen Stadium der Erkrankung. So wird in vielen Fällen erst dann bemerkt, dass eine chronische Niereninsuffizienz vorliegt, wenn sie sich bereits im fortgeschrittenen Stadium befindet. Denn häufig erfolgt eine Untersuchung erst nach dem Auftreten von Beschwerden – zu denen unter anderem Nykturie, Gewichtsverlust, Muskelkrämpfe und eine generelle Erschöpfung zählen.9
Um dieser Problematik entgegenzuarbeiten, wäre ein systemischer Blick, der bestehende Erkrankungen in Verbindung mit möglichen Komorbiditäten sieht, vor der Behandlung von Patient:innen essentiell. Denn nur wenn alle Zusammenhänge bekannt sind, kann noch vor Symptombeginn gehandelt werden. Doch was heißt das für den Praxisalltag? In diesem Fall bedeutet es, noch vor den ersten körperlichen Anzeichen bei Risikopatient:innen mit einem Typ-2-Diabetes und/oder einer chronischen Herzinsuffizienz als Vorerkrankung auf eine chronische Niereninsuffizienz zu screenen.
Dieser Ansatz gilt sowohl für neu diagnostizierte, als auch für bestehende Patient:innen. So ist es auch während der Routineuntersuchungen im Praxisalltag sinnvoll, langjährig erkrankte Patient:innen auf chronische Niereninsuffizienz zu testen und zu diagnostizieren.
Hier findet sich jedoch ein weiterer Grund für die geringe Anzahl der Diagnosen, denn häufig herrscht noch Unklarheit bezüglich der korrekten Diagnostik von chronischer Niereninsuffizienz. Wie wird eine CKD überhaupt festgestellt? Die Diagnosekriterien finden sich in der KDIGO-Leitlinie wieder. Wann laut der Leitlinie eine CKD vorliegt und wie diese anhand von ICD-10-Codes zugeordnet wird, zeigt Abbildung 1.
Abbildung 1: Diagnosehilfe chronische Niereninsuffizienz
Die Diagnostik kann in jeder Arztpraxis erfolgen und kann behandelnden Ärzt:innen von Risikopatient:innen mit chronischer Herzinsuffizienz- und Typ-2-Diabetes dabei helfen, eine chronische Nierenerkrankung frühzeitig zu entdecken.
Mit der hohen Prävalenz undiagnostizierter CKD-Patient:innen und die Konsequenzen für ihre Gesundheit befasst sich auch die Studie REVEAL-CKD, eine retrospektive Beobachtungsstudie an CKD-Patient:innen im Stadium 3. Untersucht wurden Patient:innendatenbanken mehrerer Länder, einschließlich der Daten von 5,4 Millionen Patient:innen aus Deutschland. Die REVEAL-CKD Studie deckt die Dunkelziffer der an CKD erkrankten Menschen ohne Diagnose auf und zeigt die Notwendigkeit eines frühen Screenings von Risikopatient:innen.11
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Auf die Diagnose folgt die Therapie
Welcher Durchbruch in der lange Zeit sehr eingeschränkten Therapielandschaft der chronischen Niereninsuffizienz gelungen ist und wie dadurch Krankheitsprogression und Gesamtmortalität positiv beeinflusst werden, erfahren Sie in diesem Video.
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