Falsche Krankschreibungen oder ärztliche Bescheinigungen sind nicht erst seit Corona Thema der Gesetzgebung. Für Ärzte bleibt es ein Spiel mit dem Feuer.
„Ich war 40 Jahre Chirurg in Krankenhäusern und habe mal eine Praxisvertretung Chirurgie gemacht“, schreibt ein Kollege an DocCheck. „Da standen am ersten Arbeitstag, Montag, 15 bis 20 Leute auf der Matte, die eine Gefälligkeits-AU haben wollten.“ Schließlich sei das beim Inhaber so üblich gewesen. Ärgerlich: „Ich habe alle gründlich, wie immer, anamnestiziert und ganzkörperlich untersucht. Bei den meisten konnte ich keine AU feststellen, diese haben wutschnaubend die Praxis verlassen.“
Um einen Einzelfall handelt es sich kaum. „Kenne leider auch (zunehmend) […] Gefälligkeitspatienten“, bestätigt eine Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Da braucht es einen kompetenten und konsequenten Hausarzt, der dann solche Gefälligkeiten verweigert. Zum Wohle aller.“ Auch zum Wohle der Ärzte selbst, ist hier zu ergänzen. Denn Gefälligkeitsverordnungen werden schnell zum Fallstrick.
Denn laut (Muster-)Berufsordnung für Ärzte, § 25, ist bei Bescheinigungen immer „mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren“ und das Zeugnis „nach bestem Wissen ihrer ärztlichen Überzeugung“ auszustellen. Hinzu kommt, dass Ärzte „ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen“ haben (§ 2 der Berufsordnung). Auch müssen sie alle für die Berufsausübung geltenden Vorschriften beachten. Das sind klare Worte.
Das Strafgesetzbuch (StGB) befasst sich ebenfalls mit Gefälligkeitsattesten. Ein Blick auf § 278: „Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Bei besonders schweren Fällen, etwa gewerbsmäßigem Betrug, drohen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Dieser Passus ist ein Relikt der Pandemie; er bezieht sich vor allem auf Impfnachweise oder Testzertifikate.
Doch damit nicht genug. Wer „das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen […] einen Irrtum erregt oder unterhält“, muss damit rechnen, wegen Betrug belangt zu werden (§ 263 StGB). Krankenkassen oder Arbeitgeber können nachgewiesene Schäden folglich geltend machen, unabhängig von weiteren Strafen. Und Ärzten drohen Schadensersatz-Forderungen.
Auch im V. Sozialgesetzbuch geht es um mutmaßlich gefälschte AUs oder Atteste. „Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit […] sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind“, heißt es in § 275 SGB V. Als suspekt bewertet das Regelwerk zudem häufige Fehltage am Beginn oder am Ende einer Arbeitswoche oder auffällig viele AUs eines Arztes, verglichen mit Kollegen der gleichen Fachrichtung. Dann droht eine Prüfung des Medizinischen Dienstes – und der Arzt muss alle Unterlagen zur Verfügung stellen (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, § 6).
Jenseits von Recht und Moral drängt sich dennoch der Gedanke auf: Was keiner weiß, macht bekanntlich keinen heiß. Also warum lange mit Patienten diskutieren? Das kann schnell gefährlich werden, wie ein Gerichtsurteil zeigt (Az.: 5 Ca 1200/22).
Die Beklagte, eine Pflegeassistentin, hatte sich für das Wochenende beim Arbeitgeber krankgemeldet, dann aber im WhatsApp-Status Bilder einer „Wild Night Ibiza Party“ aus Hennef gepostet. Ihr Chef entschloss sich zur fristlosen Kündigung. Eine nachträglich wegen psychischer Beschwerden ausgestellte AU änderte daran nichts. Unglücklicherweise hatte sie zuvor von einem grippalen Infekt gesprochen. Wenig überraschend meldeten die Richter Zweifel an und sprachen von vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit, trotz der Bescheinigung. Die fristlose Kündigung der Arbeitnehmerin sei gerechtfertigt, lautete ihr Urteil. Welche Konsequenzen dem Arzt jetzt drohen, wird sich zeigen.
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