Antikörpertherapien wie biAb sind eine vielversprechende Behandlungsstrategie gegen bösartige Tumoren. Forscher konnten nun neue Mechanismen entschlüsseln, die zum Erfolg dieser Therapien gegen Leukämien beitragen.
Die akute lymphatische Leukämie (ALL) und die akute myeloische Leukämie (AML) können durch eine Chemotherapie oder eine allogene Stammzelltransplantation behandelt werden. Trotz des Behandlungsspektrums ist die Rückfallquote bei beiden Erkrankungen hoch. Einige Forscher suchen daher stetig nach neuen Therapiemöglichkeiten, wobei sie große Hoffnungen in die Immuntherapie mit T-Zell rekrutierenden, bispezifischen Antikörpern (biAb) setzen. BiAb machen sich die Eigenschaften der T-Zellen zunutze, indem sie ein Oberflächenmolekül einer T-Zelle an ein Oberflächenmolekül der Tumorzelle binden. Dies führt zu einer Aktivierung der T-Zelle, die die Tumorzelle schließlich abtötet.
BiAb-Therapien nutzten als Ziel bislang nur die Moleküle auf der Tumorzelloberfläche. Das Problem dabei: Diese kommen häufig auch auf gesunden Zellen vor. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Marion Subklewe hat daher versucht, eine neue Zielstruktur zu identifizieren – mit Erfolg: Die Forscher fanden heraus, dass es mit einer überarbeiteten Form der biAb möglich ist, Bruchstücke von Molekülen aus dem Zellinneren zu erkennen, die durch spezielle Rezeptoren auf der Zelloberfläche präsentiert werden. Diese Entdeckung eröffnet ein neues Repertoire an Zielmolekülen für biAb-Therapien, was deren Spezifität gegen Tumorzellen stark erhöht. Ein neuer Antikörper zeigte im Labor bereits vielversprechende Ergebnisse und wird nun in einer klinischen Studie zur Behandlung der AML erprobt.
Weiterhin zeigte Prof. Subklewe mit ihrem Team in einem Modellsystem, dass Tumorzellen mit zusätzlichen kostimulatorischen Molekülen besser durch biAb abgetötet werden. Kostimulatorische Moleküle aktivieren die T-Zellen und sind auch auf der Oberfläche von Tumorzellen vorhanden. Kommt die T-Zelle durch einen biAb in engen Kontakt mit einer Tumorzelle, verstärken die kostimulatorischen Moleküle die T-Zell Aktivierung und führen so zu einer verbesserten Eliminierung der Tumorzellen. Subklewe fand jedoch heraus, dass die Anwesenheit eines zusätzlichen koinhibitorischen – also T-Zell hemmemdes – Moleküls, die Wirkung der biAb reduzierte.
Schematische Darstellung der drei grundlegenden Ansätze. Quelle: Marion Subklewe.
In einer detaillierteren Betrachtung beobachteten die Wissenschaftler, dass kostimulatorische Moleküle auf Tumorzellen die nachgeschalteten Signalwege in T-Zellen beeinflussen. Für die Wirkung von biAb-Therapien ist zudem die der direkte Zell-Zell Kontakt – die sogenannte Konjugatbildung – zwischen Target- und Effektorzelle wichtig: Die Forscher zeigten, dass dieser Zellkontakt durch kostimulatorische Antigene beeinflusst wird. Die Expression von kostimulatorischen Molekülen erhöhte dabei die Konjugatbildung im Vergleich zu anderen Molekülen.
Konjugatbildung zwischen Tumorzelle (Grün) und T-Zelle (Magenta) .In Gelb dargestellt ist das Molekül LFA-1, welches als Klebstoff für die Konjugatbildung wichtig ist. Quelle: Marion Subklewe.
Diese Erkenntnis unterstütze die Hypothese der Wissenschaftler, dass die Wirksamkeit von biAb-Therapien, durch kostimulatorische und koinhibitorische Moleküle beeinflusst wird. Für die klinische Anwendung könnte das bedeuten, dass der Antikörper, je nach Vorhandensein von kostimulatorischen und -inhibitorischen Molekülen auf den Tumorzellen, als Monotherapie oder in Kombination mit weiteren Substanzen gegeben wird, um die T-Zellantwort signifikant steigern.
Zuletzt fanden die Forscher heraus, dass durch eine veränderte zeitliche Gabe der biAb-Therapien, der Behandlungserfolg größer war: Anhand von Modellsystemen zeigten sie vorher, dass eine kontinuierliche biAb-Stimulation die T-Zellen erschöpft – nach längerer Stimulation konnten diese die Tumorzellen nicht mehr so effektiv eliminieren. Wurde dagegen die Stimulation mit biAb zeitweise unterbrochen, ähnelten die T-Zellen nach der Behandlungspause wieder behandlungsnaiven T-Zellen. Nach einer erneuten biAb-Stimulation aktivierten die T-Zellen zudem erneut ihre Kräfte und waren im Vergleich zu kontinuierlich stimulierten T-Zellen weniger erschöpft. Der positive Effekt durch eine Behandlungspause konnte zudem in einem von ALL-Patienten-abgeleiteten Mausmodel bestätigt werden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Wilhelm-Sander-Stiftung. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Charlota Blunarova, unsplash