Mal eben Rücksprache mit dem Chefarzt der Klinik halten? Kein Problem. Durch Corona ist die Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kollegen so eng wie noch nie.
Bei uns zu Hause gibt es momentan zwei Worte, bei denen unsere Kinder mit größter Sicherheit die Augen verdrehen: „Wegen Corona“. Wegen Corona können sie ihre Freunde nicht wie sonst sehen, wegen Corona fällt seit Monaten das Fußballtraining aus, wegen Corona gibt es keine Familienfeier mit Oma und Opa.
Ich kann meine Kinder gut verstehen, man ist nach den ganzen Monaten einfach platt und fertig. Jeden Tag die Telefonate darüber, wer wann mit wem Kontakt hatte, wann der Abstrich sinnvoll ist und warum das meistens später ist, als es der Patient gerne hätte (sofort). Dazu kam speziell in der ersten Welle noch das Leid, die Angst, die Frustration, als Hausarzt häufig nur emotional unterstützen und ggf. einweisen zu können, weil man keinen großen therapeutischen Spielraum hat. In der aktuellen Welle scheinen wir etwas mehr Glück zu gehabt zu haben und sehen (bislang) etwas weniger schwere Verläufe. Dafür mussten wir aber feststellen, dass von der ersten Welle nicht alle wieder komplett genesen sind.
Aber bei allem Negativen, muss ich sagen, dass die Corona-Pandemie auch positive Aspekte hat, Aspekte, die mir ärztlich sehr geholfen und Zuversicht gegeben haben. Vor allem habe ich gesehen, wie gut Zusammenhalt funktionieren kann und wie viele Menschen es doch gibt, die in solchen Situationen einfach und ohne großes Aufheben helfen.
Wir haben in unserer Region in den ersten paar Wochen der ersten Welle eine wahnsinnige Unterstützung von unseren Patienten bekommen – einige brachten uns FFP-Masken, die sie noch (wegen z.B. Handwerk) zu Hause hatten, andere nähten Masken für das medizinische Personal, als es so aussah, als ob uns die Schutzausrüstung ausgehen würde. Geklatscht wurde hier nicht so viel, sondern vor allem praktisch geholfen. Diejenigen, die in Isolation waren oder zu den Risikogruppen gehörten, wurden sofort von Familie, Freunden, Nachbarn versorgt, die ihnen alles Benötigte vor die Tür stellten und mit ihnen telefonierten, bis die Leitungen glühten. Diesen Zusammenhalt fand ich klasse.
Auch die Zusammenarbeit sowohl mit anderen niedergelassenen Ärzten als auch mit mehreren Kliniken hat sich während Corona extrem verbessert. Wir haben relativ früh eine wöchentliche (später monatliche) Telefonkonferenz eingerichtet, damit sich die Hausärzte hier austauschen konnten, was gut klappt und wo es Probleme gibt. Auch die Chefärzte des hiesigen Krankenhauses kamen dazu und so konnte man Abläufe absprechen und abstimmen, hatte immer einen guten Überblick über die Situation im Krankenhaus und es hat auch sehr zu einem guten persönlichen Verhältnis beigetragen. Es sind sich alle Teilnehmer einig, dass wir die Konferenzen auch nach Corona weiterführen wollen. Es ist einfach besser, wenn man nicht nur die eigene Praxis sieht, sondern auch von anderen lernen kann.
Gerade, was die Kommunikation mit Kliniken angeht, habe ich auch technisch neue Möglichkeiten kennen- und schätzengelernt (z.B. Siilo – einen medizinischen Messenger).
Ich hätte mir früher nie träumen lassen, einem Chefarzt der Inneren mal eben eine Rückrufbitte zu hinterlassen, um das weitere Vorgehen bei einem Patienten mit ihm abzusprechen oder bei besonders komplexen Fällen wirklich eine richtige Übergabe zu machen. Normalerweise hat man kurz mit dem Aufnahmearzt gesprochen, aber oft merkte man dann, dass der Informationsfluss innerhalb der Klinik schnell stockte. Jetzt kann ich gezielt auf die Dinge aufmerksam machen, die man zu dem Patienten wissen muss und mich ggf. noch vergewissern, wenn ich nach Entlassung Fragen habe. Und der Kollege wird nicht andauernd durch einen Anruf im Ablauf gestört, sondern kann dann zurückrufen, wenn es passt. Oft reicht auch eine kurze Nachricht.
Aus medizinischer Sicht sicherlich nicht notwendig, aber emotional positiv ist auch, kurz eine Rückkopplung zu bekommen, wie es den Patienten gerade geht, gerade bei langwierigen und komplizierten Verläufen: „Frau Gumbricht geht es besser, ist extubiert und geht morgen auf Normalstation“. So ist das Krankenhaus nicht nicht dieses schwarze Loch, aus dem man, wenn man Glück hat, am Entlassungstag einen Arztbrief bekommt, sondern man bekommt zwischendurch auch mal kurz mit, was Sache ist.
Das unterstützt uns auch in den Gesprächen mit den Angehörigen, die manchmal zwischendurch vorbeikommen und dann aber nur ihre Perspektive schildern können, die gerade in Pandemiezeiten nicht immer sehr umfassend ist. Es tut gut, dann auch dem Patienten sagen zu können „Ich hab vom Krankenhaus gehört, es geht Ihrer Frau jetzt besser.“ Das macht auch direkt einen viel besseren Eindruck in Bezug auf die Zusammenarbeit.
Natürlich ist nicht so, dass wir uns jetzt jeden Tag stundenlang über alle Patienten hin und her schreiben. Manchmal vergehen auch Wochen ohne Nachricht, aber die Möglichkeit zu haben, ist schon gut. Und auch die Krankenhausärzte freuen sich oft über eine Rückmeldung, wie es mit ihren Patienten weitergegangen ist.
Mit den anderen niedergelassenen Fachärzten nutze ich diese Nachrichten selten, aber gerne. Es gibt Arztpraxen, bei denen die Telefonleitungen regelmäßig fast zusammenbrechen und man stundenlang niemanden ans Telefon bekommt. Bei manchen hatten wir früher schon eine Durchwahl, was aber den Ablauf für den dortigen Arzt stört. Jetzt kann ich eine kurze Nachricht zu einem Patienten und ggf. sogar Befunde (datenschutzkonform) hinterlassen und um Rückruf oder einen kurzfristigen Termin bitten, wenn es dringend ist.
Deswegen an dieser Stelle ein riesengroßes Danke an die Kollegen, die eine solche Zusammenarbeit möglich machen! Damit wird es für alle Beteiligten angenehmer und auch für den Patienten besser und sicherer. Natürlich ist es schade, dass es eine Pandemie brauchte, um eine solche Zusammenarbeit kennenzulernen, aber wie auch immer es dazu kam, missen möchte ich sie nicht mehr.
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