Eine neue Variante des Peptids ß-Amyloid wirkt auf Nervenzellen von Alzheimer-Patienten stark giftig, da sie sich nicht zu vergleichsweise harmlosen fädigen Strukturen entwickelt. Das Peptid bildet sich vor allem in frühen Stadien der Krankheit.
Im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden sich regelmäßig massive Ablagerungen des Peptids ß-Amyloid. Die Protein-Fragmente lagern sich außerhalb der Nervenzellen zu langen fädigen Strukturen zusammen. Diese Amyloid-Knäuel werden im Hirngewebe als Plaques sichtbar, welche für die Krankheit charakteristisch sind. Früher ging man davon aus, dass die Plaques wesentlich für die Symptome der Demenzerkrankung verantwortlich sind. Neue Forschungsergebnisse liefern jedoch ein anderes Bild: Demnach sind die langen Fäden aus vielen hundert ß-Amyloid-Molekülen und die Plaques selbst für das Gehirn weniger schädlich. Wenn sich allerdings nur wenige ß-Amyloid-Moleküle als Oligomer stabil zusammenlagern, wird es dagegen kritisch: Diese Oligomere verursachen eine weitaus größere funktionelle Störung von Nervenzellen. Das Foto zeigt einen gefärbten Dünnschnitt eines Mausgehirns: ß-Amyloid Peptid (rot), Astrozyten (grün) und die Kerne der Nervenzellen (blau). © Abteilung für Neurologie/Universität Bonn Glücklicherweise sind Amyloid-Oligomere kurzlebig: Sie verschmelzen normalerweise schnell zu den vergleichsweise harmlosen Fäden. Die Wissenschaftler aus Bonn, Ulm und Göttingen haben aber nun eine Variante von ß-Amyloid entdeckt, die sich weniger gesellig zeigt: Aufgrund einer kleinen chemischen Änderung lagert diese Variante sich zwar zu Oligomeren zusammen. Sie bildet aber keine langen Fäden. „Die von uns entdeckte Variante ist daher für Nervenzellen extrem gefährlich“, erklärt Dr. Sathish Kumar, Erstautor der Studie.
Das veränderte ß-Amyloid findet sich sowohl in Mäusen mit einer Alzheimer-ähnlichen Erkrankung als auch in Alzheimer-Patienten. In den Alzheimer-Plaques ist es allerdings kaum nachzuweisen. Stattdessen bildet es in den Nervenzellen selbst kleinere Ablagerungen. Dabei tritt es auch in sehr frühen Phasen der Erkrankung auf. Möglicherweise eignet es sich daher für eine bessere Früherkennung. Langfristig eröffnet die Entdeckung eventuell auch neue therapeutische Optionen. So ist es beispielsweise denkbar, die gefährliche ß-Amyloid-Variante gezielt durch Antikörper auszuschalten und so zu inaktivieren. Prof. Dr. Jochen Walter von der Abteilung für Neurologie der Universität Bonn warnt aber vor überzogenen Hoffnungen: „Wir wissen bislang noch nicht einmal, wie wichtig dieses veränderte Peptid für die Entstehung der Alzheimer-Demenz ist. Das ist eine ganz zentrale Frage, der wir nun in Folgestudien nachgehen wollen.“ Originalpublikation: Phosphorylation of the amyloid ß-peptide at Ser26 stabilizes oligomeric assembly and increases neurotoxicity Sathish Kumar et al.; Acta Neuropathologica, doi: 10.1007/s00401-016-1546-0; 2016