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Das Robert Koch-Institut hat aus Abrechnungsdaten kassenärztlicher Vereinigungen neue Erkenntnisse über Impfungen gewonnen. Bei Masern, Influenza und Rotaviren besteht großer Nachholbedarf. Besonders ungern lassen sich Menschen in Ballungsräumen impfen.
Nicht alle Fragen lassen sich mit der Impfquotenerfassung bei Schulanfängern hinlänglich beantworten. Mit seiner KV-Impfsurveillance schließt das Robert Koch-Institut (RKI) wichtige Informationslücken. Jetzt wurden Details im „epidemiologischen Bulletin“ veröffentlicht. Einige Highlights im negativen Sinne:
Erstmals ist es RKI-Wissenschaftlern gelungen, die absolute Zahl an Kindern mit fehlendem oder unzureichendem Schutz gegen Masern hochzurechnen. Die erste Masernimpfung wird im Alter von 11 bis 14 Monaten empfohlen, die zweite Impfung ab dem 15. bis zum 23. Monat. Im Alter von 24 Monaten waren bundesweit 150.000 Kinder des Jahrgangs 2013 nicht vollständig und weitere 28.000 Kinder gar nicht gegen Masern geimpft. An fehlenden Ärzten liegt es definitiv nicht. Das RKI berichtet vorwiegend von Problemen in den großen Ballungsräumen. In Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig und München hatten jeweils zwischen 2.000 und 4.100 Kinder des Jahrgangs 2013 keinen ausreichenden Masern-Impfschutz, in Berlin waren es sogar 7.300. Etwas besser sieht der Trend bei der zweiten Masern-Impfung aus. Hier stieg die Akzeptanz von 59,1 Prozent beim Geburtsjahrgang 2004 auf 73,7 Prozent beim Geburtsjahrgang 2013. Grund zur Freude besteht aber kaum. „Schlimm, dass Deutschland inzwischen in Europa das Schlusslicht der Masernelimination darstellt“, kommentiert RKI-Präsident Lothar H. Wieler die Zahlen.
Grund zum Pessimismus gibt es auch bei Grippeschutzimpfungen. Waren in der Saison 2009/2010 noch 47,7 Prozent aller Senioren geschützt, so ist der Anteil in der Saison 2015/2016 auf 35,3 Prozent gesunken. Ältere Menschen gelten neben Schwangeren und chronisch Kranken als Risikogruppen. Informationskampagnen haben ihr Ziel damit verfehlt.
Auch beim Schutz vor Rotaviren zeigt sich die generelle Impfmüdigkeit in Deutschland. Mit der KV-Impfsurveillance haben Wissenschaftler erstmals Daten in der Hand. Die Impfquote für eine vollständige Impfserie beträgt 66 Prozent (Jahrgang 2014) - bei enormen Schwankungen. Im Landkreis Rosenheim (Bayern) fanden Wissenschaftler 15,4 Prozent und in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) 89,3 Prozent als Extremwerte.
Angesichts der wertvollen Ergebnisse wünschen sich Forscher am RKI, die KV-Impfsurveillance langfristig weiterzuführen. Momentan kommen Projektgelder aus dem Bundesministerium für Gesundheit. Offen bleibt, wie es gelingen könnte, die Impfbereitschaft zu erhöhen.