Der Platz im Koffer ist begrenzt, die Gewichtsvorgabe überschritten – aber egal wie sperrig oder schwer, meine Reiseapotheke kommt mit. Was ich als Arzt immer dabei habe und wie ich auch an skeptischen Zollbeamten vorbeikomme.
Ein Blick in die Vergangenheit: Das Fieberthermometer zeigte 40 °C. „Shit, das ist nicht gut“, dachte ich damals, während ich fiebrig in einer kleinen Hütte mitten im Corcovado-Nationalpark im Nirgendwo Costa Ricas lag und in den klaren Momenten überlegte, was eigentlich los war. Die Sache ging – nicht zuletzt dank meiner gut gefüllten Reiseapotheke – glimpflich für mich aus.
Island, ein gottverlassener Campingplatz im einsamen Nordosten. Es stürmt und regnet wie aus Kübeln und ich bin hungrig. Mit gepackter Tasche kämpfe ich mich gegen den erbarmungslosen Wind zu einer kleinen erleuchteten Hütte vor – endlich Wärme und ein trockener Platz zum Essen.
Am Ende der Welt - keine Apotheke in Sicht (Quelle: docjay)
Zu meiner Überraschung bin ich nicht alleine. Ein Mann sitzt zusammengesunken und regungslos am Tisch. Erst als die Tür ins Schloss fällt, blickt er auf – das Gesicht schmerzverzerrt. „Do you have painkillers?“, fragt er mich. Ich sehe die Angst in seinen Augen. „Sure! What do you need?“ Ein Lächeln huscht über sein Gesicht „Oh really? Great! My teeth …“ Ich gebe ihm Novalgin und Ibuprofen aus meiner Tasche. Eine halbe Stunde später unterhalten wir uns angeregt und ich habe einen Freund fürs Leben gefunden. Auch hier: In manchen Situationen ist etwas Vorbereitung in unbezahlbar.
Herbst und Winter sind in vielen Teilen Asiens (z. B. Südostasien) die ideale Jahreszeit: Die Regenzeit geht zu Ende, das Klima wird angenehmer, das Risiko tropischer Wirbelstürme nimmt ab. Doch auch unter angenehmeren Bedingungen wird die medizinische Vorsorge in tropisch-subtropischen Ländern nicht entbehrlich – im Gegenteil. Speziell vor Reisen in solche Regionen sollte die Reiseapotheke gezielt auf mögliche Krankheitsbilder und Gefahren vorbereitet sein. Das merke ich sowohl beruflich durch vermehrte Anfragen nach Reiseberatung als auch durch private Anfragen von Freunden: „Ich fahre bald nach Costa Rica, was sollte ich denn mitnehmen?“ Über die Jahre habe ich eine gewisse Routine entwickelt, was man braucht und was nicht – und auf jeder Reise lernt man wieder neu dazu.
Schmerz- und Fiebermittel:
Antibiotika:
Wichtig: Lokale Resistenzlage beachten, Indikation streng prüfen und Therapie anschließend ggf. vor Ort evaluieren. Nicht-medizinisches Personal sollte vorsichtig sein mit Selbstmedikation, idealerweise sollte man immer ärztlichen Rat einholen.Magen-Darm-Medikamente:
Antiallergische Substanzen
Personalisierte Dauermedikation:
Malariaprophylaxe:
In Gebieten mit mittlerem bis hohem Risiko für eine Falciparum-Malaria ist die Malariaprophylaxe Pflicht. Atovaquone/Proguanil (Malarone), Doxycyclin und Mefloquin (Lariam) eignen sich je nach Risikoprofil, Reisebedingungen und persönlichen Vorlieben. Eine reisemedizinische Beratung ist sinnvoll, um zusammen die ideale Substanz auszuwählen
Flugreise:
Hochgebirge:
Ordnung muss sein
Für die Reise muss man neben der Auswahl der Medikamente immer einen pragmatischen Kompromiss zwischen Platz, Gewicht und Menge finden. Originalverpackungen können am Zoll helfen (mehr dazu gleich), nehmen aber viel Platz weg. Ich packe vollständige Blister nach Themen geordnet in kleine Tüten, so dass ich schnell Zugriff und gleichzeitig Überblick habe.
Quelle: docjay
Idealerweise kommt die Reiseapotheke für den ganzen Trip ins Aufgabegepäck. Allerdings kann ein Koffer auch mal verloren gehen. Daher empfehle ich immer eine kleine Extratasche fürs Handgepäck oder kurze Ausflüge im Ausland zusammenstellen, in dem die wichtigsten Dinge in kleiner Menge enthalten sind (z. B. Schmerzmittel und nötige Dauermedikation für 2-3 Tage).
Ich erinnere mich an eine Reise nach Indien, Ankunft: Flughafen Mumbai. Die Immigration Control wundert sich über unseren großen Koffer voller Medikamente. Der Vorgesetzte wird gerufen, hektische Diskussionen à la „Want to sell it?!“ – mit einigen geduldigen Erklärungen lässt sich die Situation glücklicherweise entschärfen. Zugegeben, es waren nicht nur die private Reiseapotheke, sondern auch einige teils hochpreisige Medikamente als Spende für ein örtliches Krankenhaus im Koffer.
Wie kommt man also am besten durch solche Situationen? Es lohnt sich, vorab die jeweiligen Zollbestimmungen des Ziellandes prüfen. Arzneimittel sollten in der Originalverpackung verbleiben, idealerweise hat man eine ärztliche Bescheinigung über Menge und Zweck der eingeführten Substanzen. Beim ADAC gibt es eine gute Vorlage in mehreren Sprachen. Achtung: Bei Opiaten wird es kompliziert, hier benötigt man spezielle Formulare.
Wieder in Indien: Ich stehe in einer kleinen Apotheke in Kochi, Kerala und bitte um Schmerzmittel „I need painkillers!“. „Okay!“, erwidert der Mann und öffnet eine Schublade, in der hunderte Pillen in allen denkbaren Farben und Formen liegen – ein psychedelisches Miniatur-Bällebad. Er fischt 6 Tabletten heraus, die auf den ersten Blick identisch aussehen und drückt sie mir in die Hand. „Five dollars, Sir.“ Alles klar …
Wer das einmal erlebt hat, versteht, warum die Mitnahme eigener Medikamente sinnvoll ist. Es geht nicht nur darum, für die wichtigsten Probleme vorbereitet zu sein, sondern auch im Fall von Krankheit NACH einem Arztbesuch ein passendes Mittel zur Hand zu haben – aus einer vertrauenswürdigen Quelle. Der Anteil an Arzneimittelfälschungen in Afrika und Südostasien ist riesig, manche Untersuchungen gehen von bis zu 50 Prozent aus. Vor Ort kauft man also am besten in großen Apothekenketten oder direkt in den Apotheken renommierter Kliniken, dann ist man meist auf der sicheren Seite. Eine gute Vorbereitung zahlt sich aus und nimmt vielen (tropischen) Erkrankungen auf der Reise ihren Schrecken. Nachdem ihr meine Erfahrungen nun gelesen habt, frage ich mich natürlich auch, was in eurer Reiseapotheke drin steckt und wie eure Erfahrungen sind. Ich freue mich auf den Austausch!
Bildquelle: Roberta Sant'Anna, Unsplash