Das Thermometer zeigt 40 °C Fieber – shit, das ist nicht gut. Ich liege zitternd in meiner Hütte im Dschungel und weiß nur zu gut: Das könnte eine hochgefährliche Erkrankung sein. Ein etwas anderer Reisebericht.
Costa Rica, Corcovado Nationalpark, 17 Uhr.
Unser Boot wird von den letzten Sonnenstrahlen in goldenes Licht getaucht, fern am Horizont tobt ein Gewitter über dem Meer. Unser Kapitän fährt vorsichtig im Rückwärtsgang auf den makellos schönen Strand zu.
„Vamos!“, brüllt er und wir springen ins hüfthohe Wasser, balancieren unsere Rucksäcke auf dem Kopf und waten durch die Wellen an Land. Ich versuche, die surreale Atmosphäre zu verarbeiten, aber es bleibt keine Zeit – unser Fahrer wartet schon mit laufendem Motor im alten Toyota Landcruiser. Rucksäcke auf die Ladefläche und wir tauchen ein in den tiefen Dschungel.
Nach 30 Minuten Fahrt ein plötzlicher Stopp: „Ab hier geht es zu Fuß!“ Wir steigen aus, mittlerweile dämmert es. Stufe um Stufe steigen wir einen steilen Dschungelpfad hinauf, um uns herum eine Symphonie aus fremdartigen Geräuschen – Tiere? Pflanzen im Wind? Ich weiß es nicht. Und dann merke ich, dass gerade mit jedem Schritt meine Kraft schwindet.
Ein abgelegener tropischer Nationalpark – bei ernsthafter Erkrankung wird es hier kompliziert.
Nach einer halben Ewigkeit kommen wir an. Eine Lichtung mitten im Dschungel, zwei kleine Hütten, ein paar Kinder rennen auf uns zu „Hola hola!“: Ich lächele matt und schleppe mich zur Hütte, mein einziger Wunsch: schlafen, nur schlafen. Der Schüttelfrost hält mich noch wach, ich suche mein Fieberthermometer heraus und messe: 40 °C. Shit, das ist nicht gut.Mit letzter Kraft das Moskitonetz aufgebaut und Trinkwasser besorgt, dann gleite ich in einen fiebrigen Schlaf voller bizarrer Träume.
Am nächsten Morgen kommt der Durchfall. Nach einer Paracetamol kann ich etwas klarer denken und versuche, Struktur in das Chaos zu bringen: Ich habe eine unbekannte und hochakute fieberhafte Erkrankung mit Durchfall, befinde mich gefühlt am Ende der Welt, aber in einem Land mit grundsätzlich gutem Gesundheitssystem. Ich habe eine vernünftig ausgestattete Reiseapotheke im Rucksack, fühle mich elend, kann aber zumindest ausreichend trinken.Es gibt keine Malaria in Costa Rica. Oder doch? Also was tun?
Fieber sollte man in den Tropen immer ernst nehmen, oft ist es das erste und einzige Symptom einer potenziell hochgefährlichen Erkrankung. Eine gründliche Anamnese hilft die anfangs unüberschaubar wirkende Masse an Differentialdiagnosen zu sortieren. Von Sir Patrick Manson, einem der Urväter der Tropenmedizin ist der legendäre Satz überliefert: „From the difficult to diagnose to the difficult to treat, be prepared for whatever your patients bring back.“
Wichtig sind neben den Begleitsymptomen daher zunächst Informationen zur Exposition – dazu zählen Insektenstiche, Süßwasserkontakt, ungeschützter Sex, möglicherweise kontaminiertes Trinkwasser und Essen von rohen Speisen. Der zeitliche Verlauf hilft ebenfalls, die Erkrankung einzuordnen: Seit wann in den Tropen? Wann begannen die Symptome? Akuter oder schleichender Beginn? Auch der Impfstatus ist enorm wichtig.
Woran muss man denken? Immer an die Malaria tropica. Hier ist (unregelmäßig auftretendes) Fieber das Kardinalsymptom, aber auch Durchfall kann isoliert auftreten. Typhus äußert sich mit grippeähnlichen Symptomen und hohem Fieber, gleichzeitig anfangs eher Verstopfung. Kopf- und Gliederschmerzen, hohes Fieber und häufig ein Hautausschlag bei gleichzeitig kurzen Inkubationszeiten sind typisch für Flavivirus-Infektionen, allen voran Dengue-Fieber. Durchfall tritt hier eher nicht auf. Die Kombination von akutem Durchfall mit Fieber lässt an akute invasive Gastroenteritiden denken – Campylobakter, Salmonellen und die E. coli-Familie (EHEC, ETEC, EIEC) sind hier häufige Auslöser. Auch in den Tropen gibt es „normale“ Krankheiten – daher unbedingt auch COVID-19 und Influenza in Betracht ziehen, insbesondere wenn noch respiratorische Symptome vorliegen. Bei neurologischen Symptomen darf man niemals eine Meningitis übersehen. Die Liste lässt sich weiter fortsetzen. Mit so einer Systematik wird der Kreis der Erkrankungen kleiner – und erlaubt eine Risikoeinschätzung, gezielte Diagnostik und Therapie.
Vor Ort im Ausland muss man ebenso wie in Deutschland bei Reise-Rückkehrern aus den Tropen die medizinische Dringlichkeit einschätzen. Alarmsignale wie kardiorespiratorische Instabilität, Bewusstseinsstörungen, Blutungen, Meningismus, Peritonismus, verringerte Urinproduktion etc. müssen sofort und fast immer stationär abgeklärt werden.
Vor Ort sind dafür schnelle und teils weitreichende Entscheidungen zu treffen: Wo ist das nächste Krankenhaus? Wie komme ich dort hin – Rettungswagen, Flugzeug, PKW, Boot …? Bin ich transportfähig? Wer bezahlt das? Wenn man sich vorher zumindest rudimentär mit dem Gesundheitssystem vor Ort beschäftigt hat und eine Auslandskrankenversicherung besitzt (Pflicht!), spart man im Notfall lebensrettende Zeit, Nerven und oft auch viel Geld.
Im Jeep durch den Dschungel – schwerkrank wird das Abenteuer schnell zur Tortur.
In Costa Rica gibt es (wieder) sehr sporadisch Malaria, aber am anderen Ende des Landes. Fieber und Durchfall bleiben hartnäckig Tag und Nacht. Ich entscheide mich, zu bleiben, die sofortige Abreise ist nicht umsetzbar. Vomex®, TannaComp® und Buscopan® werden meine treuen Begleiter, ich trinke viel und schlafe noch mehr. Die Papageien, Tukane und riesigen Echsen, die meine Freunde auf ihren Streifzügen durch den Dschungel entdecken, bleiben mir verwehrt, dafür kommt langsam der Appetit wieder. Ich setze mir dennoch eine Deadline: Morgen nehme ich Antibiose.
Der nächste Tag. Abreise, ich steige leicht schwankend in unser Boot. Der Kapitän grinst mich an: „Todo bien?“ Ich lächele matt. So plötzlich wie sie gekommen waren sind Durchfall und Fieber seit diesem Morgen schlagartig verschwunden. Das Azithromycin bleibt unangetastet. Während das Boot durch die glitzernden Wellen schneidet, schweift mein Blick in die Ferne – vielleicht war alles nur ein fiebriger Traum?
Bildquelle: Marvin Meyer, Unsplash