Zuletzt schilderte ich den hypothetischen Arbeitstag einer Pilotin, um die absurde Belastung von Ärzten in der Klinik zu verdeutlichen. Auch eure Kommentare zeigen: Das sind unzumutbare Zustände. Wie jeder einzelne kurzfristig Veränderung bewirken kann.
Im Krankenhaus arbeiten wir durch Ökonomisierung, Fehlorganisation und Personalmangel unter teils absurden Bedingungen: Im ärztlichen Alltag werden komplexe Tätigkeiten wie Visiten, Untersuchungen, Patientengespräche und selbst Notfallversorgung STÄNDIG unterbrochen. Daran schuld sind weitere Arbeitsverdichtung, doppelte Zuständigkeiten (Versorgung von 2 Stationen parallel), ungeprüft durchgestellte Telefonate, ungefilterte Informationen anderer Berufsgruppen (manchmal nach dem Motto „melden befreit“), technische Probleme, unklare Zuständigkeiten, chaotische Abläufe und so weiter.
Manchmal sind auch „wir“ durch mangelnde Selbstorganisation schuld: Wir stören Kollegen, obwohl wir es besser wissen, unterbrechen Visiten für anderweitige Aufgaben, grenzen uns nicht gegen Störungen ab und meinen, Probleme lösen zu müssen, die nicht unsere Aufgabe sind.
NEIN! „Wenn wir fliegen würden, wie Ihr Medizin macht, würde jedes Flugzeug abstürzen!“, sagte ein befreundeter Pilot kürzlich zu mir. Wen wundert das? Bei dysfunktionalen Abläufen und Metaarbeit – durch ökonomische Zwänge, Fehlorganisation und Missachtung von Sicherheitsvorgaben – passieren zwangsläufig fatale Fehler. Somit kommen wir zu der Frage: Warum ist die Visite so wichtig?
Auf jeder Station ist die Visite weit mehr als Routine: In allen Fachabteilungen, aber insbesondere in den konservativen Fächern ist sie das zentrale Kommunikationsinstrument für Diagnostik, Therapie und echte Patientenbindung – und damit auch Dreh- und Angelpunkt für Patientensicherheit. Klassische Visiten sind inhaltlich oft eine Faktenflut, bei der Patienten kaum zu Wort kommen. Umgekehrt laufen sie Gefahr, der elektronischen Akte zu gleichen – anonym, unpersönlich und im Stress unterzugehen. Kommen dann noch strukturelle und organisatorische Unzulänglichkeiten dazu, sind Fehler vorprogrammiert.
Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen. Das beginnt mit dem Schutz wichtiger Zeiten: Visiten, Übergaben und Konferenzen müssen frei von Störungen sein – in der Pflege ist das längst gelebte Praxis. Auch die ärztliche Visite sollte wie ein chirurgischer Eingriff oder ein Landeanflug betrachtet werden: Gestört wird nur im Notfall.
Weitere sinnvolle Maßnahmen:
Doch auch ohne perfekte Rahmenbedingungen kann man viel bewirken. Einige Dinge, die sich davon sofort persönlich umsetzen lassen – für jede und jeden:
Fehler entstehen nicht, weil wir nicht alles geben – sondern weil wir zu oft gleichzeitig alles geben müssen und weil wir Menschen sind. Eines der wichtigsten Ziele: In einem ohnehin herausfordernden Umfeld die Metaarbeit minimieren – für reibungslose Abläufe, zufriedene Teams, sichere Patientenversorgung und gute Kommunikation – und damit ganz konkret: für weniger Fehler und mehr Leben.
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