Eine Krebserkrankung stellt Patient:innen vor viele Herausforderungen, psychischer wie physischer Natur. Zusätzlich zur Krankheitslast können Beschwerden wie Muskel- und Gewichtsverlust bis hin zu kachektischen Zuständen sowie Nährstoffmangel, Übelkeit, Erbrechen und gastrointestinale Störungen hinzukommen.1 Die Folgen können die Lebensqualität von Betroffenen stark einschränken – und der Gesundheit teils mit fatalen Folgen schaden: Nicht nur reduziertes Ansprechen auf antitumorale Therapien ist mit Mangelernährung assoziiert, auch eine erhöhte Toxizität von Chemotherapien, ungünstigere Prognosen und höhere Mortalität werden mit einer bestehenden Mangelernährung in Verbindung gebracht.2-5 Daten zufolge können bis zu 20 % der Todesfälle bei Krebspatient:innen auf die Tumorkachexie als Ursache zurückgeführt werden.6 Umso wichtiger ist die umfassende Aufklärung von Betroffenen und Angehörigen über Ernährung und deren besonderen Stellenwert im Rahmen einer Krebserkrankung: Die S3-Leitlinie „Ernährung und Ernährungsmedizin in der Onkologie“ wird zurzeit umfassend überarbeitet und soll im Laufe des Jahres 2025 publiziert werden.
So unterschiedlich jede Krebserkrankung, jede Patientin und jeder Patient ist – so verschieden sind auch die Tipps und Informationen rund um Ernährung, die Patient:innen in Eigenrecherche finden können: Beworben werden die oft auf Social Media vertretenen Inhalte häufig mit Aussagen wie „krebsbekämpfend“, „Anti-Krebs“ oder sogar mit Heilungsversprechen. Nicht selten verbergen sich gewinnorientierte Ziele dahinter und sollen zum Kauf von Büchern oder Nahrungsergänzungsmitteln verleiten. Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit der umfassenden Aufklärung von Patient:innen und Angehörigen.7
„Alles, was ich will, ist verboten, macht dick, oder kostet zu viel“ fasst für viele das Dilemma einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zusammen. Hochverarbeitetes Essen ist schnell zubereitet und schmeckt meist gut. Von Fertiggerichten über verarbeitete Fleischwaren bis hin zu frittierten Produkten – das Angebot ist groß. Allerdings auch das damit assoziierte Risiko für Leberkrebs bei häufigem Konsum von Fertigprodukten.8 Auch besonders fettreiche Ernährung mit vielen gesättigten Fettsäuren aus fettem Fleisch, Butter oder Backwaren werden in Studien mit einem erhöhten Risiko für Leberkrebs in Verbindung gebracht.9
In der westlichen Ernährung kommt die Leber besonders schlecht weg: In einer prospektiven Kohortenstudie wurden Hinweise für ein höheres Risiko sowohl für Grunderkrankungen wie Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) und Zirrhose als auch für Leberkarzinome gefunden.10
Die Ergebnisse von Meta-Analysen und Studien sind eindeutig und wenig überraschend: Ein hoher Alkoholkonsum erhöht das Risiko für zahlreiche Krebsarten deutlich. Bereits moderater Konsum trägt zum Krebsrisiko bei. Im Jahr 2020 wurden 4,1 % der Krebserkrankungen auf Alkohol als Ursache zurückgeführt, insgesamt handelte es sich um 741.300 Fälle weltweit.11
Besonders häufig sind Krebsarten der Mundhöhle, des Rachens, der Speiseröhre, des Darms, der Leber, des Kehlkopfs, des Magens und der weiblichen Brust.12,13 Je höher der Konsum, desto höher auch Risiko, besonders für Magenkrebs: Schwerer Alkoholkonsum erhöht das Risiko für Magenkarzinome um das 1,2- bis 5-fache im Vergleich zu Nichttrinkern.13
Gefährliche Wechselwirkung: Übermäßiger Mischkonsum von Tabak und Alkohol kann besonders schädlich sein. Die verstärkte Löslichkeit karzinogener Substanzen des Tabaks in Ethanol kann zu synergistischen Effekten führen und die Kombination äußerst gefährlich machen.14
Dass eine sehr fleischlastige Ernährung mit diversen Gesundheitsrisiken und einer verringerten Lebenserwartung korreliert, ist bekannt.15,16 Ob Ernährungsformen wie die westliche Ernährung, die besonders reich an rotem und verarbeitetem Fleisch ist, auch das Risiko für Krebserkrankungen steigern können, war Kernfrage zahlreicher Studien. Übereinstimmende Ergebnisse zeigen starke Indizien, dass für Fleischkonsum gilt: Weniger ist mehr.
Eine in 2022 veröffentlichte Studie verglich fleischhaltige, vegetarische und pescetarische Ernährung hinsichtlich ihres Einflusses auf das Krebsrisiko. Bei 472.377 Teilnehmenden ohne bestehende Krebserkrankung wurde eine Einteilung in vier Gruppen vorgenommen: regelmäßiger Fleischkonsum (> 5 ×/Woche), reduzierter Fleischkonsum (≤ 5 ×/Woche), pescetarisch und vegetarisch/vegan). Im Vergleich zur Gruppe mit hohem Fleischkonsum zeigte sich eine Risikoreduktion für Krebserkrankungen um 2 % bei reduziertem Fleischkonsum (HR: 0,98), um 10 % bei pescetarischer (HR: 0,90) und um 14 % bei vegetarischer/veganer Ernährung (HR: 0,86). 17
Eindeutige Ergebnisse, allerdings mit Limitationen: Die Daten wurden anhand eines Fragebogens erhoben, der nur einmalig von Teilnehmer:innen ausgefüllt wurde. Auch die Menge des konsumierten Fleisches, der Lebensstil oder Änderungen im Konsumverhalten wurden nicht erfasst.17
Zahlreiche weitere systematische Reviews und Meta-Analysen kommen zum gleichen Schluss: Ein hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch ist mit einem signifikant erhöhten Risiko assoziiert. Insbesondere für Kolorektal-, Kolon- und Rektalkarzinome konnten signifikant erhöhte Risiken von 13 – 22 % für fleischlastige Ernährung feststellen.18
Nicht nur im Gastrointestinaltrakt bestehen Hinweise auf erhöhte Risiken, auch gehäuftes Auftreten von Lungen-, Brust-, Endometrium- und Nierenzellkarzinomen wird mit dem Konsum von rotem Fleisch assoziiert.19
Im Gegensatz dazu wurde ein hoher Fischkonsum mit einem signifikant reduzierten Risiko für gastrointestinale Tumoren in Verbindung gebracht.20 Zudem wird Obst, Gemüse, Fisch sowie Joghurt ein präventives Potenzial zugeschrieben.21
Die Ergebnisse von Meta-Analysen und Studien zeigen: Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass eine überwiegend pflanzliche, ballaststoffreiche Ernährung, vorzugsweise nach mediterranem Vorbild, kombiniert mit geringem Konsum von rotem Fleisch, das Risiko für zahlreiche Krebsarten senken kann.15-21
Nach heutigem Stand kann keine spezifische Diät für Krebspatient:innen empfohlen werden. Die ernährungsmedizinischen Empfehlungen entsprechen zum großen Teil denen für Gesunde: Eine ausgewogene Ernährung, besonders eine pflanzenbetonte, ballaststoffreiche Ernährung im Stil der Mittelmeerkost, also wenig rotes Fleisch, wenig Alkohol und wenig stark verarbeiteten Lebensmitteln kann das Wohlbefinden, die Lebensqualität und den Allgemeinzustand verbessern.22
Dem Gewichts- und Nährstoffmanagement kommt eine besondere Rolle zu: Krebspatient:innen sollten mittels gezielter Screenings auf Nährstoffmängel untersucht werden und antitumorale Therapien, wenn nötig, durch gezielte Supplementierungen und erhöhte Proteinzufuhr ergänzt werden. Eine ausgewogene Ernährung kann dazu beitragen Krankheitsverlauf, Prognose und Therapietoleranz positiv zu beeinflussen.22
Eine übersichtliche Orientierung rund um die Themen Ernährung, Wohlbefinden sowie Sport und Bewegung bei Krebs finden Ihre Patient:innen auf der Website Das K Wort.
Die Ernährung stellt eine sinnvolle, unterstützende Maßnahme mit positivem Einfluss auf Krankheitsverlauf und Lebensqualität dar und gewinnt zunehmend an Relevanz in der Onkologie. Dabei ist für Krebspatient:innen ein frühzeitiges Screening auf Nährstoffmangel, regelmäßige Gewichtskontrollen und gezielte Supplementierung besonders relevant. Hier können Ärzt:innen und Patient:innen im Austausch die individuellen Ernährungsmaßnahmen gestalten.
Dabei sollten auch die wesentlichen Ziele nicht aus den Augen verloren werden: Die Freude am Essen nicht verlieren, Appetit bewahren und sich auch mal Unerlaubtes zu erlauben.
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