Der Abusus von Lachgas nimmt europaweit zu. Während Länder und Städte Präventionskonzepte vorlegen, hüllen sich die Produzenten in Schweigen. Wir haben nachgebohrt.
Hamburg hat es vorgemacht, Dortmund und Osnabrück zogen nach, jetzt schließt sich auch Bremen an: Es gibt ein Lachgas-Verbot. Die beiden Stadtstaaten machen damit auf Länderebene vor, was auch ihre Flächenstaaten wie Niedersachsen in Planung haben. Hintergrund ist der steigende Konsum und Missbrauch als Partydroge unter Jugendlichen – mit teils dramatischen Folgen. Wie ein solcher Fall aussehen kann, wenn auch mangelnde Offenheit dazukommt, könnt ihr hier lesen. Darüber hinaus drohen Konsumenten ein gestörter Vitamin-B-12 Stoffwechsel, Myelopathien und Neuropathien.
Jetzt kommt allerdings Bewegung in die Sache. Während im Koalitionsvertrag noch eine nichts- und allessagende Losung stand, äußerte sich nun bereits Bundesgesundheitsministerin Warken zum Thema. Ihre Pläne sehen vor, die Abgabe an Minderjährige unter Strafe zu stellen und den allgemeinen Verkauf via Versandhandel und Automaten zu untersagen. Offen ist noch die genaue Formulierung und ob man sich am Beispiel Bremen orientiert, das nun bei Verstößen des Verkaufs eine Strafe von 5.000 Euro aufruft.
In Bremen störte man sich unterdessen auch daran, dass Aufmachung und Marketing auf eine junge Wunsch-Zielgruppe hindeuteten. „Das Ordnungsamt wird im Rahmen der bereits bestehenden Jugendschutzkontrollen die Einhaltung der Vorschriften überprüfen“, beschreibt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer, wie die Stadt das ehrgeizige Konzept durchsetzen möchte.
Doch was sagen die, die das Gas produzieren und in Umlauf bringen, dazu? Auf DocCheck-Anfrage bei entsprechenden Unternehmen wie Linde Gas reagierte man mit Stillschweigen. Dabei scheint man sich des theoretischen Problems im Unternehmen scheinbar bewusst zu sein – und hat eigens Hotlines für „Personenunfälle“ und „Auswirkungen auf die Öffentlichkeit“.
Der entsprechende Verband sieht die Verantwortung nicht bei seinen Unternehmen, da „das missbräuchlich als Partydroge verwendete Lachgas nicht von den Mitgliedsunternehmen des Industriegaseverbandes geliefert [wird]. Über Liefermengen in diesem illegalen Markt und den Quellen, aus denen er sein Produkt bezieht, haben wir keine Informationen“, so Christoph von Diest, Referent für Public Affairs und Öffentlichkeitsarbeit beim Industriegasverband. Aus ebendiesem Grund müsse die Politik auch vorsichtig damit sein, wenn es um Restriktionen geht: „Wichtig ist aus unserer Sicht, festzuhalten, dass Lachgas ein Produkt ist, was im Bereich industrielle Produktionsprozesse, im medizinischen Bereich und der Lebensmittelindustrie eine wichtige Rolle spielt. Dies wäre aus der Sicht des IGV und seiner Mitglieder bei einer möglichen Regulierung zu berücksichtigen.“
Ohnehin sei das Problem der Nutzung als Droge im Privatkunden- und damit Einzelhandelsbereich zu suchen. „Dabei wäre der Vertriebsweg der im privaten Handel auffälligen Lachgasdosen von besonderer Bedeutung. Wichtig in diesem Zusammenhang wäre auch, dass man das Thema Einfuhr von Lachgas aus dem nichteuropäischen Raum genauer unter die Lupe nimmt.“
Ebendieser Einzelhandel scheint in Form seines Vertreterverbands HDE noch Skepsis zu haben, wie DocCheck auf Anfrage erfuhr. Man möchte die aktuellen Vorhaben zunächst „auf die Praktikabilität und Verhältnismäßigkeit prüfen.“ Außerdem müsse „die bestimmungsgemäße Verwendung von Sahnekapseln in Sprühsahnegeräten möglich bleiben“. Die europäische Drogenaufsichtsbehörde EUDA lässt derweil verlauten: „Bei den Maßnahmen [zur Eindämmung] sollte auch berücksichtigt werden, wie einige Einzelhändler derzeit die bestehenden Rechtsvorschriften nutzen (Schlupflöcher). Ein besonderes Problem aus den 1970er Jahren ist der Verkauf des Gases unter dem Deckmantel, es zur Herstellung von Schlagsahne zu verwenden.“
Wo sich zumindest alle einig sind, ist, dass man bundeseinheitliche Regelungen den aktuellen lokalen Vorstößen vorzieht. Wenn schon, denn schon – zumindest in den Niederlanden, England und Frankreich.
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