In meiner Zeit als Ärztin sind mir schon verschiedene Führungsstile begegnet. Hier stelle ich euch 4 davon vor – und verrate, welchen ich selbst am liebsten anwende.
Was lernt man im Studium als Arzt? Vor allem medizinisches Wissen. So weit, so gut und sicherlich auch richtig. Wie ich aber schon vor Kurzem in einem Artikel geschrieben habe, werden andere Aspekte des Arzt-Daseins nicht wirklich abgebildet.
Denn als Arzt ist man auch in fast allen Jobs – teilweise direkt nach dem Studium – weisungsbefugt gegenüber anderen Mitarbeitern aus der Krankenpflege, den MFAs, ggf. Rettungsassistenten. Den Umgang mit dieser Weisungsbefugnis (und damit einhergehend teils auch Leitungsfunktion) lernt man leider im Studium nicht. Klar, man ist gerade als Assistenzarzt am Anfang auch eher ein kleines Licht, weil man z. B. dem Oberarzt Rede und Antwort stehen muss. Trotzdem gibt man Anweisungen in einem Team, die dann von den anderen befolgt werden müssen.
Daraus ergibt sich meiner Meinung nach auch eine Verantwortung, die sich nicht mit medizinischem Wissen allein erfüllen lässt. Und auf die man, meiner Meinung nach, im Studium unzureichend vorbereitet wird. Und das gilt sowohl für die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus als auch für die Tätigkeit in der Praxis. Diese faktisch nicht vorhandene Grundausbildung zum Thema Teamleitung führt – je nachdem, welchen Führungsstil man dann instinktiv übernimmt – auch schon mal zu Problemen.
Ich persönlich habe mich später im Rahmen von Sport-Übungsleitung, sowohl Breitensport als auch Kampfkunst/Selbstverteidigung sowie Kindererziehung damit beschäftigt und möchte deswegen unter diesen Aspekten ein paar Führungsstile aufführen, die mir in meiner Zeit als Arzt begegnet sind und wo ich die Stärken und Schwächen der jeweiligen Stile sehe – und welchen ich selbst jetzt als Chefin am liebsten anwenden möchte.
Diese Aufzählung ist nicht evidenzbasiert, sondern entspricht meinen persönlichen Erfahrungen und Meinungen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – sie kann gerne noch in den Kommentaren ergänzt werden. Und natürlich gibt es auch Mischungen, aber ich denke, dass sich bei vielen eine dieser Formen als Haupt-Stil herauskristallisiert.
„Ich bin Arzt, ich bestimme das jetzt. (Kritische) Rückfragen sind unerwünscht, es wird gemacht, was ich sage.“ Bei der Bundeswehr nennt man das wohl „Führen mit Befehl“, was eigentlich alles aussagt.
Stärken: Klare Hierarchie, somit sehr klare Kommandostruktur, schnelle Entscheidungen. Diese Stärke sehe ich vor allem im Notfallbereich, z. B. MANV, wo einfach keine Zeit für lange Diskussionen sind.
Schwächen: In Nicht-Notfallsituationen führt dieses Verhalten leider oft dazu, dass andere medizinische Berufe abgewertet werden: „Die Schwester hat MIR doch nichts zu erzählen“, auch wenn sie vielleicht 30 Jahre mehr Erfahrung hat und man selbst gerade auf dem Holzweg ist. Dieses Herabwerten kann dann im Umkehrschluss dazu führen, dass man andauernd aufläuft, weil einfach so niemand behandelt werden möchte (möchte man selbst ja auch nicht). Ein Beispiel: Wir hatten einen Kollegen in der Klinik, der häufig sehr autoritär und von oben herab auftrat. Kein anderer Arzt wurde im Dienst so oft von der Pflege angerufen, weil die Pflegekräfte dann auch für jede Handlung den Befehl eingefordert haben – denn sie hatten ja gelernt, dass sie nur auf explizite Anordnung tätig werden sollten.
Wissen wird nur dahin verteilt, wo es unbedingt notwendig ist. „Ich bin Arzt, Ihr müsst gar nicht wissen, was und warum ich etwas tue.“
Stärken: Ebenfalls direkte Kommunikation, weil nur das kommuniziert wird, was aus Sicht des Arztes unbedingt notwendig ist. Oft ist der Gedanke dahinter, dass sich dann die MFAs keine Gedanken darüber machen müssen und damit entlastet werden.
Schwächen: Was man nicht weiß, kann man in Planungen nicht berücksichtigen – und gerade, wenn der Arzt dann abwesend ist, z. B. unerwartet wegen Krankheit, geht auch mal etwas schief oder es kommt zu Verzögerungen, weil kein anderer Bescheid wusste. Außerdem fühlen sich manche im Team dann außen vor, weil sie nicht das Gefühl haben, wirklich ernst genommen zu werden und dazuzugehören. Stichwort „Selbstwirksamkeit“, was ja auch viel mit Zufriedenheit und auch Resilienz zu tun hat.
Dieser Stil geht oft mit einem eher autoritären Verständnis einher, ich habe ihn aber auch schon bei Leuten gesehen, die sich eigentlich nicht sehr autoritär aufführen. Durch das Vorenthalten von Wissen ergibt sich aber meiner Meinung nach schon eine deutlich hierarchische Struktur.
„Ich mach meine Sachen, mir ist wurscht, was der Rest macht.“
Stärken: Wenn der Rest vom Team seinen Job gut macht und motiviert ist, wurschtelt man nicht aus Versehen dazwischen und bringt Dinge durcheinander. Außerdem schont es wahrscheinlich häufig das Nervenkostüm desjenigen, der so die Entscheidungen trifft, bzw. nur seine eigenen trifft und den Rest irgendwem anders überlässt.
Schwächen: Häufig leidet meiner Erfahrung nach die Ausbildung bei diesem Stil. Woher soll denn auch das Wissen kommen, wenn man sein eigenes nicht weitergibt? In stressigen Situationen kann es dazu kommen, dass eben NICHT alle wissen, wer was macht und dann fehlt die Struktur. Außerdem glaube ich, dass es auf das Team auch sehr demotivierend wirken kann: Wenn es dem Arzt egal zu sein scheint, was passiert – warum soll sich dann das restliche Team kümmern?
Nein, Laissez-faire heißt nicht, dass dem Chef alles egal ist, aber meiner Erfahrung nach kommt es leider auf Dauer immer wieder so rüber – die wenigsten schaffen da die Balance.
Ja, den Begriff liest man oft im Bereich Kindererziehung, aber ich finde ihn hier auch passend: „Ich setze als Arzt ein Grundgerüst an Regeln, aber ermutige das Team, seinen Bereich auch selbst zu organisieren und greife nur ein, wenn es notwendig ist (Führen mit Auftrag). Sachliche Kritik ist erlaubt und auch erwünscht, aber kein persönliches Niedermachen, sondern eher emotionale Unterstützung.“
Stärken: Es gibt Grundregeln, aber alle im Team können ihren eigenen Arbeitsbereich positiv gestalten. Damit fördert man die Selbstwirksamkeit und oft auch Zufriedenheit der Leute im Team. Man muss sich nicht mit Kleinigkeiten rumschlagen, weil das auch durch die Mitarbeiter entschieden werden kann.
Schwächen: Die Balance zwischen Regeln und Freiraum muss immer wieder neu austariert werden, was sehr anstrengend sein kann und nicht in Gelaber ausarten sollte. Einige Team-Mitglieder tun sich schwer mit der Verantwortung, die dieser Stil auch für sie selbst bringt, weil eben nicht der Arzt/Chef alles entscheidet. Andererseits hat man als Teamleiter auch vermehrt schwierige Entscheidungen zu treffen, weil die einfachen auf unteren Ebenen abgefangen werden.
Welchen Stil ich als Chefin wählen möchte? Definitiv den autoritativen. Für mich vereinigt er in vielen Aspekten die Stärken aus den beiden darüber genannten Stilen: Klare Regeln, die sicherlich notwendig sind, aber gleichzeitig Gestaltungsmöglichkeiten für das Team. Zusätzlich besteht für mich als Chefin auch die Möglichkeit, das Wissen und die Fähigkeiten meiner Angestellten möglichst optimal zu nutzen. Denn gerade im Bereich Praxisabläufe werde ich von ärztlicher Seite einige Probleme der MFA-Seite eventuell gar nicht so wahrnehmen. Deswegen finde ich es besser, wenn die MFAs auch wissen, dass sie mir jederzeit Vorschläge machen können, eben weil ich zwar Arzt bin, aber bei Weitem nicht allwissend. Ob ich den Vorschlag dann 1:1 umsetze, muss dann jedes Mal neu entschieden werden.
In dem Zusammenhang noch eine Antwort auf einen Kommentar unter meinem letzten Artikel: Ich glaube (noch) nicht, dass man unbedingt 20 % Arschloch sein muss. Denn eine klare Ansage und konsequentes Verhalten muss nicht Arschloch sein, sondern kann, denke ich, auch so formuliert werden, dass damit alle leben können.
Ob ich das so umsetzen kann, wenn ich dann nächstes Jahr die Praxis übernommen habe? Ich weiß es nicht. Aber ich finde das ein schönes Leitbild: „Führung heißt, dadurch erfolgreich sein, dass man seine Mitarbeiter erfolgreich macht.“ – Helmut Wohland, deutscher Topmanager.
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