Der Schutz vor Omikron-Infektionen nimmt bei Geimpften und Genesenen mit der Zeit ab. Könnte eine 4. Booster-Impfung oder gar ein auf die Variante abgestimmter Impfstoff helfen? Erste Daten sind ernüchternd.
In Sachen SARS-CoV-2 schließen sich bestehende Forschungslücken schneller als in anderen Bereichen, auch was die Effektivität der COVID-19-Impfung gegen Omikron angeht. Es verdichten sich die Hinweise, dass die Effektivität der Immunisierung – egal, ob genesen oder geimpft – gegen Omikron abnimmt; das suggerieren auch jüngste Ergebnisse aus Katar.
Die Forscher werteten mithilfe der nationalen Datenbank dazu allerlei Daten zu Labortests, Impfungen, klinischen Infektionsdaten, sowie Hospitalisierungen und Todesfällen zu COVID-19 aus, die seit Beginn der Pandemie erfasst wurden. Dabei stellten sie fest, dass eine vorangegangene Infektion einen robusten Schutz gegen eine erneute Infektion mit den Varianten Alpha, Beta und Delta bietet (etwa 90 %). Hingegen nahm der Schutz vor einer Reinfektion bei Omikron mit etwa 60 % deutlich ab.
Aber wieso ist der Schutz vor Reinfektionen bei Omikron so gering? Zwar verlaufen Omikron-Infektionen häufig milder, denn sie infizieren in der Regel die oberen Atemwege (wir berichteten), doch das ermöglicht es ihnen auch, dem Immunsystem besser zu entkommen. Die Immunantwort reagiert in diesem Abschnitt nicht so stark und bildet weniger Antikörper aus, was generell zu einer geringeren Immunantwort führt. Daher ist es auch möglich, sich häufiger mit Omikron zu infizieren (wir berichteten).
Reinfektion hin oder her, der Schutz vor Hospitalisierungen oder Tod gegen alle Varianten blieb dennoch stabil erhalten. Ähnlich sehen auch die Ergebnisse zu den mRNA-Impfungen aus: Zwar schien der Infektionsschutz nach einer zweiten Impfung gegen die Varianten Beta und Delta von Monat zu Monat zu schwinden, doch blieb der Schutz vor Krankenhauseinweisungen und Tod stabil, und das ähnlich in den unter 50-, sowie über 50-Jährigen.
Ein weiteres Preprint aus Katar weitet die Daten bezüglich der Impfungen auch auf die Omikron-Variante aus, denn in dem Land brach die Omikron-Welle bereits Mitte Dezember aus. Auch hier zeigte sich eine Wirksamkeit von Comirnaty® gegen eine symptomatische Omikron-Infektion von etwa 62 %, zumindest im ersten Monat nach der zweiten Dosis. Diese sank allerdings allmählich ab und lag bereits ab dem 5. Monat nur noch bei 10 %. Eine Auffrischimpfung steigerte die Wirksamkeit wieder auf etwa 55 %, doch auch hier zeichnete sich nach und nach eine Abnahme ab. Andererseits zeigen auch diese Daten, dass der Schutz vor schweren oder tödlichen COVID-19-Erkrankungen erhalten bleibt: So blieb er nach der zweiten Dosis bei über 70 %, nach einer Auffrischimpfung sogar bei über 90 % ohne einen Hinweis auf eine nachlassende Wirksamkeit.
Die Impfung von Moderna scheint hingegen bei Omikron etwas schlechter abzuschneiden: Nach Erhalt der zweiten Dosis lag der Infektionsschutz bei etwa 45 %, bevor er allmählich abnahm. Allerdings pushte die Auffrischimpfung den Schutz innerhalb der 2 bis 5 Wochen nach Erhalt auf einen Wert von 55 %, der auch wieder mit der Zeit schwindete. Doch auch hier blieb eine stabile Wirksamkeit gegen eine schwere, kritische oder gar tödliche COVID-19-Erkrankung erhalten; sowohl nach der zweiten, als auch nach der dritten Dosis (etwa 60 % bzw. 80 %).
Eine wesentliche Limitierung der Studie ist jedoch die Überrepräsentation der jüngeren Bevölkerung in den Daten: Nur 9 % der Bevölkerung in Katar seien über 50 Jahre alt, erklären die Autoren. Daher ist es schwierig, die Ergebnisse auf andere Bevölkerungen zu übertragen.
Dennoch: Die Daten weisen auf einen ähnlichen Infektionsschutz gegen Omikron bei beiden erhältlichen mRNA-Impfungen hin. „Der Schutz vor Omikron ist geringer als der gegen Alpha-, Beta- und Delta-Varianten und lässt nach der Zweit- und Auffrischungsdosis schneller nach als bei früheren Varianten“, schreiben die Autoren. Allerdings bleibe der Schutz vor Krankenhausaufenthalten und tödlichen Erkrankungen dauerhaft stabil, sowohl nach der zweiten, als auch nach der dritten Dosis.
Eine weitere wichtige Frage in Sachen Infektionsschutz ist, ob eine vierte Dosis oder gar ein angepasster Impfstoff besser wirken. Doch wer sich Hoffnungen gemacht hat, könnte von den ersten Daten enttäuscht werden. Eine israelische Studie untersuchte dafür die Wirksamkeit der 4. Dosis der Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer bei fast 280 Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Die Erwachsenen erhielten die 4. Impfung etwa vier Monate nach der Drittimpfung und wiesen keinerlei vorangegangene SARS-CoV-2-Infektion auf und hatten auf alle bisherigen Impfungen gut angesprochen.
Die Forscher konnten nach den ersten zwei Wochen einen 9- bis 10-fachen Anstieg der IgG- und neutralisierenden Titer beobachten. Darüber hinaus zeigte sich auch ein 8-facher Anstieg der neutralisierenden Antikörper gegen Omikron; doch die steigenden Titer bewegten sich auf einem ähnlichen bzw. leicht erhöhtem Level als nach der dritten Impfstoffdosis. Durchbruchsinfektionen traten häufig auf, wenn auch meist mild, allerdings mit hoher Viruslast. Die Wissenschaftler ermittelten lediglich eine Wirksamkeit von 30 % (BNT162b2) und 11 % (mRNA1273) gegen Infektionen. Auch die T-Zell-Aktivierung vor und nach Verabreichung der 4. Impfdosis wurde innerhalb der 14 Tage nach Erhalt der Impfung untersucht: Zwar stieg der Anteil von Respondern von 50 % auf 60 % an, allerdings änderte sich nicht die durchschnittliche Anzahl an T-Zellen, die durch das Spike-Protein aktiviert werden.
Sollte der Tweet nicht laden, bitte die Seite aktualisieren.
„Insgesamt heben diese Daten die Möglichkeit hervor, dass die vierte Dosis die Immunität nicht stärkt, sondern einfach das Peak-Niveau wiederherstellt“, schreiben die Autoren. Es müsse noch beobachtet werden, ob das Abklingen des Immunschutzes nach der vierten Dosis ähnlich schnell sein wird wie nach der dritten Dosis, heißt es. Anders gesagt: Aktuell sprechen die Daten gegen eine 4. Impfung für alle. Ob das so bleibt, werden weitere Beobachtungen zeigen, denn die Daten umfassen nur ein Follow-up von bis zu vier Wochen nach der 4. Dosis. Wie lange die Immunantwort tatsächlich stabil anhält, ist daher nicht bekannt.
Bereits vor einigen Wochen begannen die Unternehmen Pfizer/Biontech und Moderna mit ihren Studien zu einem Omikron-spezifischen Impfstoff. Doch erste Daten zum Impfstoff von Moderna im Tierversuch zeigen keine merkliche Besserung: Forscher untersuchten die Immunantworten in acht Rhesusaffen (Macaca mulatta), die drei Dosen des Impfstoffs erhielten; zwei Dosen des Originalimpfstoffs mRNA-1273 und eine Auffrischimpfung mit entweder der gleichen Impfung oder einer Version, die das mehrfach mutierte Spike-Protein der Omikron-Variante enthielt. Beide Booster-Impfungen entfesselten eine breite Antikörperantwort gegen Variants of Concern, Omikron inklusive. Darüber hinaus, führten auch beide Booster-Impfstoffe zu einem Anstieg der kreuzreaktiven B-Gedächtniszellen der Tiere.
„Im Moment ist das eine sehr gute Sache“, sagt Dr. Robert Seder, Co-Autor der Veröffentlichung und Immunologe am US-amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Bethesda, USA. „Das bedeutet, dass wir immer noch in der Lage sind, alle bekannten Varianten mit einem Booster der aktuellen Impfstoffe abzudecken.“ Problematisch an den Ergebnissen ist jedoch, dass die Studie nur die Immunantworten bis zu vier Wochen nach der Booster-Impfung erfasst. Daher ist auch nicht klar, wie lange der Anstieg der Antikörper anhalten wird. Natürlich ist auch eine Studie mit nur 8 Tieren nicht aussagekräftig genug, allerdings geben sie erste Hinweise darauf, wie die Immunantwort beim Menschen aussehen könnte.
Ähnliche Ergebnisse erzielen auch Versuche in Mäusen, die ebenfalls eine Omikron-spezifische Auffrischimpfung erhielten, nachdem sie zuvor mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs geimpft wurden. Auch hier konnte kein größerer Nutzen beobachtet werden als bei einer Standard-Auffrischimpfung. In Mäusen, die zuvor nicht immunisiert worden, stellten die Forscher sogar fest, dass die Nagetiere zwar hohe Antikörpertiter gegen Omikron produzierten, doch hatten diese Antikörper eine begrenzte Fähigkeit andere Varianten zu hemmen. In einer weiteren Studie mit SARS-CoV-2-naiven Mäusen berichten Forscher über vergleichbare Ergebnisse mit einem Omikron-spezifischen mRNA-Impfstoff.
„Was wir aus diesen präklinischen Studien in Tiermodellen herauslesen, ist, dass eine Auffrischung mit einer Impfstoffvariante nicht wirklich besser wirkt als eine Auffrischung mit dem aktuellen Impfstoff“, sagt Prof. David Montefiori, Direktor des Labors für AIDS-Impfstoffe Forschung und Entwicklung am Duke University Medical Center in Durham, USA. Demnach suggerieren die Studien, dass eine abgestimmte Auffrischimpfung auf eine Variante nicht die Lösung sei. „Es gibt wichtige Fragen, die noch geklärt werden müssen. Hoffentlich werden die Omikron-Studien von Pfizer und Moderna am Menschen dazu beitragen“, sagt er.
Bildquelle: arash payam, Unsplash