Auch wir Tierärzte sind vor schlechten Online-Bewertungen nicht gefeit. Hier sind meine Top 4 der ärgerlichsten Gründe für negative Bewertungen im Internet.
Es gibt heutzutage nichts mehr, was man nicht im Internet bewerten kann: von gekauften Produkten, zu Restaurants, Friseuren und natürlich auch (tier-)ärztlichen Leistungen. Und ich will ehrlich sein, ich kenne keinen praktisch tätigen Tierarzt, der sich nicht schon einmal durch eine negative Bewertung den Tag hat vermiesen lassen. Denn leider ist es wie so häufig im Leben: Negative Dinge, über die man sich ärgert, bleiben doppelt so lange hängen, wie positive.
Manche Menschen scheinen regelrecht im Bewertungsfieber zu stecken. Dabei sagen sie einem leider die Dinge, die sie stören, nicht einfach ins Gesicht, freundlich und konstruktiv, sodass beide im besten Fall was davon haben. Denn eine schnelle Bewertung ist ja ganz bequem vom Sofa aus zu schreiben – und wird dabei auch noch von hunderten oder gar tausenden Menschen gelesen. Leider sind es oft immer wieder die gleichen Punkte, die bei fast allen Tierarztpraxen und -kliniken schon zu negativ Bewertungen geführt haben.
Deshalb hier meine Top 4 der ärgerlichsten Gründe für negative Bewertungen im Internet:
„Wie kann es sein, dass eine so unerfahrene Kollegin auf die Tiere losgelassen wird …“
„…eine junge Tierärztin, wie die im Notdienst, konnte natürlich nicht erkennen, dass unser Hund dieses typische Symptom gezeigt hat, dem Chef wäre sowas sofort aufgefallen …“
Solche Kommentare ärgern mich sehr. Egal wie jung und unerfahren Kollegen sind, sie haben genau so studiert und gelernt wie die alten Hasen, bringen aber oft noch neue Ideen und andere Ansätze mit, und sind häufig etwas besser up to date. Auch sind sie manchmal noch nicht so festgefahren und ziehen auch seltenere Erkrankungen in Betracht. Im Optimalfall können sie also etwas ältere, erfahrenere Tierärzte in schwierigen Fällen ergänzen. Auf der anderen Seite sind aber gerade junge Kollegen oft noch nicht so selbstsicher und es gibt Kunden, die stürzen sich regelrecht auf diese etwas unsichere Art wie Raubtiere auf eine Beute. Das Problem: Diese Art von Kommentaren im Netz machen die jungen Kollegen nur noch unsicherer – und das hilft niemandem.
„Die Tierärztin war so rücksichtlos und empathielos! Obwohl ich ihr meine schwierige familiäre Situation erklärt hatte, wollte sie unbedingt diese weiteren Untersuchungen in Narkose durchführen …“
„Meine Katze hat immer Angst vor den Behandlungen aber hier wurde total unsensibel erläutert, dass entweder sofort eine Narkose durchgeführt werden muss oder Zwangsmaßnahmen angewendet werden …“
Leider sehen sich immer mehr Menschen persönlich angegriffen, wenn man als Tierarzt versucht, deutlich zu machen, welche Maßnahmen und Untersuchungen im besten Fall und zum Wohl ihres Haustieres nötig wären. Besonders bei schwierigen Patienten wie sehr ängstlichen oder aufgekratzten Tieren ist es für alle Beteiligten viel entspannter, Untersuchungen oder Blutentnahmen in Sedation oder Kurznarkose durchzuführen. Wenn der Besitzer sich sperrt, weil es persönliche schlechte Erfahrungen gibt (evtl. sind schon einmal Tiere in einer Narkose verstorben oder Leute hatten selbst schon schlechte Erfahrungen beim Arzt), muss der Tierarzt oft als eine Art „Anwalt“ seines Patienten sprechen. Dazu zählt manchmal auch, Unstimmigkeiten in der Haltung anzusprechen (5 Katzen in einer 2 Zimmerwohnung mit 50 qm ist einfach nicht optimal), was viele Menschen in eine Rechtfertigungstirade verfallen lässt oder eben im Nachhinein zu einem schlechten Online-Kommentar führt.
„Obwohl wir uns extra im Notdienst angekündigt hatten, mussten wir mit unserem Hund über eine Stunde warten. Teilweise wurden Kunden, die nach uns kamen, noch vor uns dran genommen…“
Zum Thema Wartezeit, besonders im Notdienst oder einer offenen Sprechstunde, braucht man wohl inzwischen nicht mehr viel zu erklären. Schon in anderen Artikeln und Blogbeiträgen wurde das Thema Kliniksterben und Notdienstmangel angesprochen. Es können sich also in Zukunft alle Tierbesitzer auf verlängerte Wartezeiten in den Kliniken einstellen, ebenso auf die Anwendung einer Triage. Wenn ein Kaiserschnitt kommt, hat der immer Vorrang vor einem Patienten mit Durchfall oder Lahmheit (nebenbei sind sehr häufig Patienten mit diesen beiden Symptomen im Notdienst vorstellig).
„… Alles Abzocke! Für 2 Spritzen im Notdienst über 100 Euro zahlen müssen …“
„Diese Praxis ist unverschämt teuer, wurde dahin überwiesen, aber werde beim nächsten Mal wieder zu meinem Dorftierarzt gehen, da zahle ich die Hälfte …“
Und so weiter und so fort. Zu dem Thema Kosten gibt es bei uns Tierärzten immer die meisten negativen Kommentare. Nun ja, es ist nun mal so, dass vielen Tierbesitzern überhaupt nicht klar ist, worin unsere Leistungen bestehen und wodurch sich die Kosten zusammensetzen. Die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) setzt einen Rahmen, wie unsere Leistungen abzurechnen sind – wobei der 1-fache Gebührensatz nicht unterschritten werden darf! (Nur in besonderen Ausnahmen wie tierschutzrechtlichen Katzenkastrationsaktionen).
Im Notdienst darf bis zum 4-fachen GOT-Satz abgerechnet werden und es fällt immer eine Notdienstgebühr von netto (!) 50 Euro an. Da ist man sehr schnell allein durch eine allgemeine Untersuchung und Medikamente bei einer Rechnung deutlich über hundert Euro. Des Weiteren fallen in vielen Praxen und Kliniken neben den Personalkosten und laufenden Kosten (Miete/Kreditraten, Strom etc.) auch steigende Kosten für „Diagnostik-Inventar“ wie Blutuntersuchungsgeräte, Ultraschall, Röntgen, Dentalröntgen oder Anästhesieüberwachung und Beatmungsmaschinen und OP- Ausstattung an. Vergessen Sie nicht, dass die Ansprüche an die Praxen weiter steigen und während man in der Humanmedizin von einer Facharztpraxis zur nächsten läuft, ist in einer Tierarztpraxis oder –klinik meistens alles unter einem Dach.
Wenn Patienten also zum Herzultraschall oder zur Zahnsanierung mit Zahnröntgen in eine andere Praxis oder Klinik überwiesen werden, müssen sie dort auch mit höheren Kosten rechnen, als bei einer kleineren Tierarztpraxis, die eventuell kein Röntgen- oder Ultraschallgerät hat oder keine befriedigende Narkoseüberwachung durchführen kann. Die Haltung von Haustieren ist einfach kostspielig, denn während der Markt für Körbchen, Decken und Spielzeug immer größer wird, ist eine Investition in die Gesundheit der Tiere noch zu häufig negativ besetzt.
Allen mitlesenden Kollegen, besonders den jüngeren möchte ich an dieser Stelle noch unbedingt sagen, dass ihr euch nicht zu sehr von diesen negativen Kommentaren runterziehen lassen solltet! Ich weiß, dass es einfacher gesagt ist als getan.
Sprecht mit euren Chefs oder Kollegen – viele haben ähnliches erlebt und manchmal kann man nach einiger Zeit auch über den einen oder anderen Kommentar lachen und ihm so den Schrecken nehmen.
Und noch ein wichtiger und aktueller Appell: Wenn es Dinge gibt, die euch nicht loslassen, holt euch unbedingt professionelle Hilfe! Hierzu siehe Hashtag #notonemorevet – Not One More Vet.
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