Sexualität in Verbindung mit gynäkologischen Krebserkrankungen ist ein wichtiges Thema zwischen Patientin und Arzt. Für uns Gynäkologen gibt es hier ein paar Sonderpunkte zu beachten.
Das Mammakarzinom ist mit über 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung der Frau. Seltener sind Korpuskarzinome mit etwa 11.000 Neuerkrankungen pro Jahr, gefolgt von nahezu 7.400 Neuerkrankungen an einem Ovarialkarzinom und 4.600 an einem Zervixkarzinom. An erster Stelle stehen bei allen Krebserkrankungen die einfühlsame Diagnosemitteilung, eine leitliniengemäße Therapie und Nachsorge, aber auch eine individuelle Unterstützung durch Psychoonkologen. Daneben können komplementärmedizinische Ansätze für eine möglichst ganzheitliche Betreuung sorgen.
Bei gynäkologischen Krebserkrankungen spielen sexuelle Probleme häufig eine herausragende Rolle. Weiterhin ist eine gute sozialmedizinische Versorgung betroffener Frauen entscheidend, um auch nach der Erkrankung finanzielle Engpässe zu vermeiden. Nicht zuletzt stellt uns die COVID-19-Pandemie bei der Betreuung von Karzinompatientinnen vor neue Herausforderungen.
Bei gynäkologischen Tumoren nimmt das Thema Sexualität häufig einen ganz besonderen Stellenwert ein, da Behandlungen wie Operation, Radiatio und onkologische Systemtherapien einen großen Einfluss auf die weibliche Integrität haben. Weiterhin können Nebenwirkungen auftreten, die die Sexualität negativ beeinflussen. Psychische Auswirkungen, hervorgerufen durch Diagnose und Therapie, können die Sexualität ebenfalls beeinträchtigen. Nach der anfänglich eher existentiellen Bedrohungssituation, gewinnt das Thema Sexualität meist erst wieder nach der Rückkehr in den Alltag an Bedeutung und trägt wesentlich zur Lebensqualität bei. Rund zwei Drittel aller Frauen sehen die behandelnde Gynäkologin oder den Gynäkologen als den bevorzugten Ansprechpartner bei sexuellen Fragen an. Jede zweite Frau wünscht sich sogar ein aktives Ansprechen der Sexualität durch den Frauenarzt.
Besonders der Verlust einer oder beider Brüste kann schwerwiegende Auswirkungen auf das Bewusstsein weiblicher Integrität haben. Sowohl nach Mastektomie als auch nach brusterhaltender Operation kommt es häufig zu Dysästhesien und dauerhafter Taubheit von Hautbezirken. Bezüglich einer möglichen sexuellen Dysfunktion haben Studien gezeigt, dass das Risiko nach Mastektomie und Wiederaufbau nicht höher ist als nach brusterhaltender Therapie. Eine Studie der Universität Mainz fand keinen Unterschied in sexueller Aktivität und Lebensqualität nach Mastektomie gegenüber brusterhaltendem Vorgehen. Die adjuvante Behandlung, wie Chemotherapie, Bestrahlung, Antihormon- und Antikörpertherapie, ruft Nebenwirkungen hervor. Neben anderen ragen Depressionen und Fatigue-Syndrom, Entzündungen der Schleimhäute und Libidoverlust, bezüglich der Auswirkung auf die Sexualität heraus. Besonders antihormonelle Therapien führen dazu, dass zwei Jahre nach der Diagnose knapp 50 % der Patientinnen erst wieder sexuell aktiv sind. Ausschlaggebend sind dabei zu 78 % ein Libidoverlust und zu 44 % eine extreme Müdigkeit. Ein besonders häufig in der Nachsorge angesprochenes Problem ist die vaginale Trockenheit und daraus resultierende Dyspareunie.
Beim Ovarialkarzinom steht die komplette Tumorresektion im Vordergrund. Dieser abrupte Verlust der Hormonfunktion und die damit verbundenen klimakterischen Beschwerden, werden oft intensiver empfunden als bei natürlichem Eintritt der Menopause. Bei paraaortalen und pelvinen Lymhonodektomien kann es zu Verletzungen und Durchtrennungen von vaskulären oder nervalen Strukturen kommen. Daraus folgen neurovaskulären Funktionsverluste im kleinen Becken, was wiederum Einschränkungen des sexuellen Empfindens zur Folge haben kann. Auch hier wird von Dyspareunie durch vaginale Trockenheit berichtet, außerdem von nachlassender Orgasmusfähigkeit. Das betrifft auch erforderliche Radikaloperationen beim Zervix- oder Korpuskarzinom. Schließt sich daraufhin noch eine Bestrahlung an, leiden fast 50 % der Patientinnen unter einer Einschränkung der Sexualfunktion. Grund sind Verengungen oder Adhäsionen der Vagina und eine mangelnde Lubrikation. Lymphödeme und Hautveränderungen, aber auch negative Auswirkungen auf die Blasen- und Darmfunktion können Sexualität und Lebensqualität negativ beeinflussen. Besonders beeinträchtigend kann die operative Therapie eines Vulvakarzinoms sein, wobei eine Abwägung zwischen Organerhalt und onkologische Sicherheit nicht immer einfach ist.
Vaginalstenosen können 6–8 Wochen nach Beendigung der genitalen Bestrahlung mit Vaginaldilatoren behandelt werden. Eine lokale Therapie mit Hyaluronsäure oder Gleitgel ist sinnvoll. Die vaginale Östrogenisierung ist nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung bei gynäkologischen Krebserkrankungen möglich, lediglich bei einem Adenokarzinom der Zervix ist Zurückhaltung geboten. Selbst beim Mammakarzinom ist eine niedrig dosierte Estriol-Therapie der Vagina nicht mehr kontraindiziert.
Anders verhält es sich bei einer systemischen Hormonersatztherapie. Diese ist zwar sehr effizient bei Wechseljahresbeschwerden, ist aber beim Mammakarzinom weiterhin kontraindiziert. Gemäß der S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause erfolgt bei den genitalen Tumoren eine individuelle Abwägung einerseits nach Histologie und Stadium der Krebserkrankung, andererseits nach Beschwerdegrad und Versagen anderer Therapiemöglichkeiten.
Um der Patientin die Reintegration in Familie, Beruf und Gesellschaft nach überstandener Krebserkrankung zu erleichtern, ist ein umfassendes sozialmedizinisches Netzwerk wichtig. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen, Rehabilitations- und Sozialmedizinern, sowie Fachkräften der Sozialen Arbeit, Psychoonkologen und pflegenden Berufen. Patientinnen haben einen Anspruch auf 6 Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, danach beginnt das Krankengeld als Lohnersatzleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Es wird längstens 78 Wochen (inklusive Lohnfortzahlung) aufgrund derselben Erkrankung in einem Zeitraum von 3 Jahren gewährt. Darunter fallen auch Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung innerhalb dieser Frist. Danach wird Arbeitslosengeld I beantragt, auch wenn die Patientin nicht arbeitslos, aber noch arbeitsunfähig ist. Anschließend gibt es die Möglichkeit einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Ist die Erwerbsfähigkeit nach Abschluss der Akuttherapie erheblich gefährdet, kann die gesetzliche Krankenkasse einen Antrag auf medizinische Rehabilitation fordern.
Eine Anschlussheilbehandlung direkt im Anschluss an die Akutbehandlung hat das Ziel, die Patientin körperlich und seelisch zu stabilisieren und wird meist für 3 Wochen gewährt. Weiter wichtige Hilfen sind ein Schwerbehindertenausweis, eine Haushaltshilfe, Selbsthilfegruppen, Rehabilitationssport, ambulante Palliativversorgung oder die stufenweise berufliche Wiedereingliederung. Aufgrund der Komplexität helfen der Sozialdienst im Krankenhaus, Krebsberatungsstellen und Sozialverbände weiter.
Grundsätzlich gilt, dass immunsupprimierte Patienten ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung mit Infektionskrankheiten haben. Ob dies grundsätzlich für alle Krebspatienten gilt oder nur für diejenigen Patienten, die aktuell unter einer systemischen, das Immunsystem beeinflussenden Therapie stehen, wird kontrovers diskutiert. In Einzelfallserien aus China wurde eine Erhöhung des Ansteckungsrisikos für SARS-CoV-2-Infektionen beobachtet, in einer späteren Metaanalyse aus sechs Fallserien war das Infektionsrisiko für Krebspatienten allgemein nicht erhöht.
Eine weitere wichtige Frage ist, ob es bei Krebspatienten schwerere Verläufe von COVID-19 Erkrankungen gibt. Auch hierzu sind bisher widersprüchliche Daten publiziert worden. In China wurden insbesondere mehr schwere Verläufe bei hämatologischen Neoplasien, Lungenkarzinomen und bei Lungenmetastasen beobachtet. Sowohl in China, als auch in Frankreich zeigten sich schwerere Verläufe nach kürzlich stattgefundener Systemtherapie, eine allgemeine erhöhte Mortalität von Krebspatienten mit COVID-19 konnte in Frankreich nicht beobachtet werden. Aufgrund der speziellen Situation, dass man bisher noch am Anfang der Datenlage von COVID-19 und Krebserkrankungen steht, lassen sich noch keine abschließenden Aussagen machen. Insbesondere müssen stabile Daten aus Europa abgewartet werden. Bis dahin sind die Onkopedia-Leitlinien hilfreich.
„Generell gilt, dass zum jetzigen Zeitpunkt in den meisten Fällen die effektive Behandlung der Krebserkrankung für das Überleben der Patienten wichtiger ist als übertriebene Vorsichtsmaßnahmen im Sinne unnötiger Unterbrechungen oder Verschiebungen.“ Eine Unterbrechung oder Aufschiebung der onkologischen Therapie sollte demnach nur bei starker Ansteckungsgefahr, hoher persönlicher Risikokonstellation und immunsuppressiver Therapie individuell erwogen werden.
Eine Krebserkrankung ist für die Betroffenen wie auch für ihr persönliches Umfeld eine existentielle Herausforderung. Neben sensibler Diagnoseübermittlung, Leitlinien gemäßer Therapie und psychosozialer Unterstützung, spielt bei gynäkologischen Malignomen besonders die weibliche Integrität eine herausragende Rolle. Vielen Patientinnen ist nach überstandener Therapie eine erfüllende Sexualität für Selbstwertgefühl und Lebensqualität wichtig. Beratung, Therapiemöglichkeiten und aktives Ansprechen durch den Gynäkologen werden erwartet. Die Eckpunkte der sozialmedizinischen Versorgung zu kennen, hilft bei Anträgen und Nachfragen durch die Krankenkassen. COVID-19 stellt auch die onkologische Therapie unter neue Herausforderungen. Bisher fehlen jedoch entsprechende Daten und Studien, inwiefern Ansteckungsrisiko und Verlauf bei Krebspatienten abweichen.
Bildquelle: Qvinnans kropp, Wiki Commons