Kaum hat man den ersten Arbeitstag als Assistenzarzt hinter sich, kommt auch schon der erste Dienst auf mich zu. Muss ich Angst haben? Oder ist es einfach nur ein weiterer Schritt um ein „richtiger“ Arzt zu werden? Mit gemischten Gefühlen startete ich drei Monate nach meinem ersten Arbeitstag in meinen ersten Dienst.
7.00: Mein Arbeitstag beginnt. Eigentlich ist alles wie sonst auch, wenigstens fast. Denn von allen Seiten werde ich freundlich mit den Worten empfangen: Oh, heute erster Dienst? Und, bist du aufgeregt? Ratlos zucke ich mit den Schultern. Aufgeregt? Noch ist ja alles wie immer…
8.30: Ich muss in die Aufnahme. Hier ist es nämlich so geregelt, dass der Diensthabende auch gleichzeitig die Aufnahme der Patienten übernimmt. Ich habe großes Glück: die Patienten kommen wirklich pünktlich zu ihrem Termin (wie ich gelernt habe, ist das allerdings eher die Ausnahme) und es kommen auch keine Notfälle, die meinen Zeitplan durcheinander wirbeln würden.
12.30: Gemeinsam mit den anderen Assistenten sitzen wir in der Cafeteria und lassen uns das Mittagessen schmecken. Ich hole mir eine ordentliche Portion Spaghetti. Ich habe ja noch eine lange Nacht vor mir…
14.00: Weiter geht es mit den Patienten in der Zentralen Aufnahme. Heute ist Mittwochnachmittag, und das merkt man. So kommen viele, die ich nach einer Untersuchung mit einer Handvoll guter Ratschläge und dem Hinweis, bitte morgen doch zum niedergelassenen Urologen zu gehen, wieder gehen lassen kann.
17.00: Alleine! Meine Kollegen sind alle auf dem Weg nach Hause. Auch der diensthabende Oberarzt hat sich schon von mir verabschiedet. Doch während er sagte: "Bis Morgen!“, antwortete ich mit einem „Bis gleich“. Mal sehen, wer Recht behält.
17.30: Ein Patient kommt mit Nierenkolik. Nach dem Sono steht schnell fest, dass er eine DJ-Schiene braucht. Nun muss also der Oberarzt mich doch schneller wieder sehen, als ihm wohl lieb ist.
20.00: Die Schiene war schnell gelegt und der Oberarzt genauso schnell wieder auf dem Weg nach Hause. Für mich folgt jetzt die Post-OP-Visite. Aber alle Patienten scheinen gut versorgt. Keine Nachblutung. Keine unerträgliche Schmerzsymptomatik. Ich frage auf jeder Station noch nach zu entnehmenden Blutbildern und nach zu legenden Viggos. Und tatsächlich kommt da noch einiges zusammen. Mein erfahrener Kollege hat mir den Tipp gegeben, damit man nicht ab 22 Uhr ständig wegen dieser Kleinigkeiten angerufen wird. Guter Rat!
21.00: Ich habe das Dienstzimmer bezogen. Klein, aber fein. Im Moment ist auch alles ruhig, also werde ich jetzt eine DVD einlegen und warten, ob und was da noch so auf mich zukommt.
23.00: Gerade als ich mich fragte, ob ich jetzt versuchen soll zu schlafen, klingelt das Diensthandy. 13-jähriger Junge mit stärksten, plötzlich aufgetretenen Hodenschmerzen. Klingt verdammt nach Hodentorsion! Schnell gehe ich in die Aufnahme und mache mir ein Bild, kurz darauf lasse ich mich wieder mit dem Oberarzt verbinden. Der Junge braucht sofort eine OP!
0.30: Der Hoden war schnell freigelegt und die Operation ist gut verlaufen. Ich lege mich jetzt hin, das Diensthandy nahe an meinem Ohr.
3.00: Plötzlich schrecke ich aus dem Tiefschlaf hoch. War da nicht ein Klingeln? Aber das Telefon ist still. Ich habe einfach Angst, dass ich mal einen Anruf überhöre. Aber das soll normal sein und würde bald vergehen. Mal schauen, ob die Kollegen Recht haben. Nachdem ich überprüft habe, dass das Telefon einwandfrei funktioniert, schlafe ich wieder ein.
5.30: Jetzt kommt doch ein Anruf. Ein Patient hat große Schmerzen nach seiner Operation und die Nachtschwester bittet darum, ein starkes Schmerzmittel geben zu dürfen. Erfahrene Kollegen erlauben dies am Telefon, ich schleppe mich aber zum Patienten, nur um sicherzugehen, dass er nicht doch etwas anderes als Wundschmerz ist. Auch eine Marotte der Anfänger :-)
6.50: Mein Wecker klingelt. Aber so richtig eingeschlafen bin ich eh nicht mehr. Nun heißt es aufstehen und sich um die Station kümmern. Auch meine Kollegen trudeln ein und fragen, wie die Nacht war.
8.00: Nun folgt noch die Besprechung. Ich erzähle von meiner Nacht. Alle schmunzeln darüber, dass ich mich wie ein wirklicher Dienstanfänger benommen habe. Aber bald habe ich ja schon meinen zweiten Dienst und dann versuche ich vielleicht doch mal liegen zu bleiben, wenn die Schwester nur ein weiteres Schmerzmedikament geben möchte.