Kürzlich war in Berlin wieder die Ausstellung „Körperwelten“ von Gunther von Hagens zu sehen. Plastinate sind o.k., meint DocCheck Autorin Inga Bürmann, aber anatomische Präparate beim Geschlechtsverkehr - das geht zu weit.
Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Besucher von dieser Leichenshow angezogen werden, in der Gunther von Hagens seiner Körperspender auszieht. Seit 1995, seitdem von Hagens seine Plastinate ausstellt, in Japan zum ersten Mal, haben bis heute über 28 Millionen Menschen weltweit die Ausstellungen gesehen. Und auch diesmal, im Berliner Postbahnhof, standen die Leute Schlange, um ihre Wissbegier zu stillen.
Doch was genau macht diese Ausstellung zu der weltweit erfolgreichsten Sonderausstellung? Und was möchte Gunther von Hagens damit bezwecken? Aussagen zufolge steht für den Erfinder der Plastination die medizinische Aufklärung im Vordergrund. Nachdem er seine Plastinate erst für den Anatomieunterricht an der Universität Heidelberg nutzte, wollte er dann auch die große Öffentlichkeit ansprechen. Dies erreichte er zweifelsohne durch die provokante Darstellung seiner Plastinate. Würden Nichtmediziner Interesse zeigen, wäre die Ausstellung nüchtern gestaltet und auf die Anatomie beschränkt? Es ist gerade die ungewöhnliche Art, seine Leichen vorzuführen, die so viele Besucher anzieht. Dies ist allerdings auch der Grund dafür, dass Gunther von Hagens allseits so umstritten diskutiert wird.
Welchen didaktischen Wert hat es, einen Menschen in seinen Einzelteilen an Schnüren aufzuhängen und ihn in dieser Form auf einer Kutsche zu platzieren, gezogen von plastinierten Schafen? Warum soll eine enthäutete Frau, auf einer Schaukel sitzend, die Beine gespreizt, dem Laien die Anatomie nahe bringen? Sind nicht realitätsnahe Wachsfiguren, wie im Zoologischen und Naturgeschichtliches Museum "La Specola" in Florenz, weniger voyeuristisch und genauso aufklärend?
Gunther von Hagens gründete 1983 ein Programm zur Körperspende für die Wissenschaft. Es gibt viele Menschen, die sich dafür entscheiden, nach ihrem Tod der Wissenschaft zu dienen. Für von Hagens’ Spenderprogramm gab es bisher weltweit 8000 Körperspender. Stimmen diese Menschen jedoch zu, nach ihrem Tod in absurden Haltungen oder gar in sexuellen Posen der Öffentlichkeit vorgeführt zu werden? In seiner aktuellen Ausstellung KÖRPERWELTEN & der Zyklus des Lebens können die Besucher ein Leichenpaar beim Geschlechtsverkehr betrachten. Da erkenne ich den didaktischen Hintergrund dann nicht mehr. Möchte von Hagens nicht auch sein Können präsentieren? Er ist mit Sicherheit ein herausragender Anatom und Plastinator, vielleicht der beste weltweit. Jedoch erzeugt seine Ausstellung in mir eine Art Unbehagen(s). Kann man es moralisch rechtfertigen, Leichen in den verschiedensten Positionen zu präsentieren? Ist es sinnvoll, Kinder mit ausgestellten echten Körpern und Körperteilen zu konfrontieren? Reicht es nicht, mittels Zeichnungen, Fotos oder Wachsfiguren interessierten Laien die Anatomie nahe zu bringen?
Diese Ausstellung hat bei mir viele Fragen aufgeworfen und mich sehr zum Nachdenken angeregt - über den Umgang mit Leichen und das Leben nach dem Tod. Und das ist es, was Gunther von Hagens wohl mit seinen Ausstellungen erreichen möchte, neben der medizinischen Aufklärung. Als Medizinstudentin fand ich die detaillierte Präsentation der Plastinate in der Ausstellung wirklich gut gemacht. Auch die medizinischen Erläuterungen waren auch für Laien gut verständlich. Dennoch bin ich der Meinung, dass es moralisch nicht in Ordnung ist, Leichen künstlerisch so zu verfremden, wie Gunther von Hagens es mit seinen Körperspendern tut.
"Körperwelten" - Kunst oder Missbrauch? Was meint Ihr? Schreibt unten Eure Kommentare dazu!