Die Schmerzwahrnehmung ist individuell, doch scheinen Leistungssportler bei Schmerzen oft besonders „tapfer“. Tatsächlich verändert Sport die Schmerztoleranz, ergab eine Untersuchung Heidelberger Wissenschaftler.
Sportler haben eine höhere Schmerztoleranz als sportlich nur in geringem Maße aktive Menschen. Sie gehen häufig bis und sogar über die Schmerzgrenze, um ihre Ziele zu erreichen. Selbst wenn sie verletzt sind, scheint das Einige von ihnen nur noch anzuspornen. Wie ist das möglich? Der Verdacht liegt nahe, dass sie Schmerzen anders wahrnehmen und vor allem verarbeiten als die meisten von uns. Dies bestätigt eine aktuelle Metaanalyse von Studien zum Thema. Sportler halten was aus Jonas Tesarz und Mitarbeiter der Universität Heidelberg untersuchten unlängst die zum Thema zu Verfügung stehenden Studien in einer Metaanalyse. Untersuchungen zur Schmerzwahrnehmung von Athleten waren zuvor zu keinen einheitlichen Ergebnissen gekommen und zum Teil sogar widersprüchlich. Zugrunde liegen Messungen der Schmerztoleranz und Schmerzschwelle von Sportlern im Vergleich zu normal aktiven Kontrollpersonen. Die von den Sportlern ausgeübten Sportarten waren Ausdauersport, Ballsport und Kraftsport. Insgesamt standen schließlich 15 Studien mit fast 900 Teilnehmern zu Verfügung, wovon zwölf Studien die Schmerztoleranz untersuchten und neun die Schmerzschwelle. Bei den 568 Sportlern handelte es sich um Personen, die mindestens sechs Stunden pro Woche trainierten. Die Schmerzempfindlichkeit wurde mit Versuchen wie die Hand in kaltes Wasser halten oder Einklemmen der Finger untersucht. Sportler wiesen eine einheitliche höhere Schmerztoleranz auf als Kontrollpersonen. Dabei hing das Ausmaß der „Leidensfähigkeit“ aber von der ausgeübten Sportart ab. Ausdauersportler etwa verfügten einheitlich über eine moderate Schmerztoleranz. Ballsportler wiesen allgemein die höchste Schmerztoleranz auf, was manchen Fußballspieler vielleicht in einem anderen Licht erscheinen lässt. Doch variierten die Ergebnisse bei ihnen signifikant. Schmerz-Coping als Therapie? Warum sich Ausdauerathleten von Ballsportlern in ihrer Schmerztoleranz unterscheiden, ist unklar. Möglicherweise gleichen sich Ausdauersportler mehr hinsichtlich ihrer physischen und psychologischen Profile während sich Ballspieler hier häufiger unterscheiden. Keine Unterschiede ließen sich in der Schmerzschwelle ausmachen. Sie ist definiert als minimale Intensität eines Stimulus, der als schmerzhaft wahrgenommen wird. Sportler fühlen also ab dem gleichen Punkt Schmerz wie normal aktive Menschen. Regelmäßiger Sport ist der Untersuchung zufolge mit einer deutlich erhöhten Schmerztoleranz verbunden. Für die Klinik ist das vor allem für Schmerzpatienten bedeutsam. Viele Studien konnten bereits einen positiven Effekt von Bewegung bei Schmerzpatienten belegen. Es ließen sich eine verbesserte Lebensqualität und Funktion ohne Verbesserung von Schmerz-Scores belegen. Möglicherweise ist es sinnvoll, in der Bewegungstherapie dieser Patienten die Entwicklung von Schmerzbewältigungstrategien zu fokussieren, um die Schmerztoleranz zu beeinflussen anstatt nur an der direkten Beeinflussung der Schmerzgrenze anzusetzen. Zunächst müsste jedoch die genaue Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Modifikation der Schmerzwahrnehmung geklärt werden, so Tesarz, sodass auch psychologische Faktoren und neurobiologische Prozesse identifiziert werden können, die eine Rolle spielen. Die Beobachtung, dass sich die Schmerzwahrnehmung mit Sport modifizieren lässt, ist möglicherweise ein viel versprechender Ansatz einer nicht-invasiven Schmerztherapie für Patienten mit chronischen Schmerzen – mit wenigen Nebenwirkungen.