Neue Aufgaben, neue Perspektiven, neue Visionen: Apotheker ringen gerade nach einem Leitbild. Allzu oft übersehen ihre Standesvertreter eine Unbekannte: den beruflichen Nachwuchs. Ohne Fachkräfte wird es früher oder später große Probleme geben, die Versorgung aufrechtzuerhalten – von weiteren Tätigkeitsfeldern ganz zu schweigen.
Eine Welt in Zahlen: Jahr für Jahr erfassen ABDA-Verantwortliche, wie sich die Jobsituation in öffentlichen Apotheken verändert. Auf den ersten Blick scheint alles in bester Ordnung zu sein, schließlich stieg die Zahl approbierter Kollegen von rund 46.000 (2004) auf mehr als 48.000 (2012). Mit Hochschulen geht es ebenfalls bergauf. Waren 2007/2008 rund 11.700 Jugendliche eingeschrieben, sprechen Statistiken für 2011/2012 von 13.600 angehenden Apothekern. Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch bei PTA (44.000 in 2004 versus 58.000 in 2012). Lediglich die Zahl an PKA (35.800 versus 33.300) sinkt. Entsprechende Statistiken verschleiern aber ein grundlegendes Problem der Personalsituation: Sie bilden Mitarbeiter ab, jedoch nicht Vollzeitäquivalente beziehungsweise Stundenzahlen. Angestellte verschiedener Berufsgruppen arbeiten oft in Teilzeit – und legen heute weitaus mehr Wert auf ihre Work-Life-Balance als zu früheren Zeiten. Damit stehen Inhaber älteren Jahrgangs vor einem gewaltigen Problem.
Zu ähnlichen Resultaten kommen auch Befragungen: Wissenschaftler des Instituts für Handelsforschung, Köln, interviewten schon im Jahr 2012 Apothekenleiter zur Nachfolgesituation. Wie sie herausfanden, stehen entsprechende Fragen in jeder dritten Apotheke innerhalb von fünf Jahren an. Mehr als 60 Prozent hatten schon damals Probleme, jemanden zu finden oder rechnen künftig mit Schwierigkeiten. Ein Problem: Pharmazeuten im Praktikum bleiben oft in der Nähe ihrer Alma Mater, und so manche Landapotheke hat trotz verlockender Konditionen das Nachsehen. Bleiben noch Eigeninitiativen, um einen erkennbaren Mehrwert zu schaffen.
Wer sich etwa in Baden-Württemberg als akademische Ausbildungsapotheke akkreditieren möchte, sieht sich mit einem umfangreichen Katalog aus verpflichtenden und empfohlenen Voraussetzungen konfrontiert – von einem Fachapotheker für Allgemeinpharmazie oder für klinische Pharmazie über die personelle Eignung bis hin zum regelmäßigen Besuch diverser Fortbildungsveranstaltungen. Die Botschaft an PhiPs: Hier lerne ich wirklich etwas für mein späteres Berufsleben – egal, wohin die Reise geht. Andere Kammerbezirke haben ähnliche Modellvorhaben entwickelt. Wer jetzt vermutet, alles dreht sich nur um das alte Thema, nämlich Approbierte in ländlichen Regionen, irrt. Bei der angespannten Wohnungsmarktsituation vieler Großstädte können sich PTA und PKA von ihrem Gehalt nur schwer eine Bleibe suchen, von Auszubildenden ganz zu schweigen.
Zumindest ein Aspekt wurde genauer untersucht. Das Beratungsunternehmen Prof. Kaapke Projekte hat 500 Abiturienten befragt. Jetzt liegen teils ernüchternde Resultate vor. Mehr als 80 Prozent aller Jugendlichen wollen zwar studieren. Ohne entsprechende Vorgaben sprachen sich lediglich 3,4 Prozent für Pharmazie aus. Im zweiten Schritt folgte eine gestützte Befragung, bei der verschiedene Fachrichtungen vorgegeben wurden. Jetzt sah die Sache schon besser aus, und 16 Prozent aller Studierinteressierten kreuzten Pharmazie an. Wer sich speziell für ein Hochschulstudium entschied, wählte besagten Studiengang sogar in jedem fünften Fall. Daraus folgern die Autoren, eine gezielte Ansprache könne bei Abiturienten durchaus fruchten. Doch welche Gründe sprechen gegen die Pharmazie? 81,5 Prozent fanden den Apothekerberuf nicht interessant genug, gefolgt von ablehnenden Äußerungen zur Forschung generell und zur pharmazeutischen Industrie speziell. Wer Pharmazie gegebenenfalls studieren wollte, schätzte vor allem die Vielfalt naturwissenschaftlicher Disziplinen – verbunden mit etlichen Perspektiven im späteren Job. Dabei formulierten 82,4 Prozent als Beweggrund, Menschen zu helfen. Praktika in öffentlichen Apotheken rangierten unter ferner liefen, und so setzte sich das Gesamtbild aus Gesprächen mit Bekannten beziehungsweise Apothekern und aus Medienberichten zusammen. Wer sich für die öffentliche Apotheke entschied, tendierte in Richtung Filialleitung oder Existenzgründung, während Jobs im Angestelltenverhältnis nicht sonderlich beliebt waren.
Doch was nun? Reicht es wirklich aus, Portale wie „Studier Pharmazie“ oder „Helden der Gesundheit“ zu launchen respektive Jahr für Jahr einen „Tag der Apotheke“ medienwirksam auszurufen? Das bezweifeln Apotheker in etlichen Foren. Direkte Gespräche wären zielführender – was für die Offizin gilt, kann im Kontakt mit Abiturienten schließlich nicht schaden. Vielleicht kommt durch die Leitbilddiskussion endlich frischer Wind in Aspekte zur Nachwuchsgewinnung. Noch bis zum 21. Februar haben Kollegen Gelegenheit, auch unangenehme Themen im Leitbildportal zu posten und zu hoffen, dass ihre Inhalte nicht – wie am 3. Februar – im virtuellen Nirwana verschwinden.
Sie arbeiten in einer öffentlichen Apotheke oder sind sogar Apothekenleiter? Wie beurteilen Sie die personelle Situation? Sollten Standesvertretungen beziehungsweise Kollegen vor Ort mehr tun, um Apothekenberufe attraktiver zu machen? Wir freuen uns auf Ihre Meinung: feedback_news@doccheck.com