KOMMENTAR | Elektrolyte nach einer durchzechten Nacht, Vitamin C für Kettenraucher oder frischer Teint dank Beauty-Booster? „Drip Bars“ bieten maßgeschneiderte Infusionen. Doch das Ganze hat eine Schattenseite.
Die Autorin ist der Redaktion bekannt und möchte anonym bleiben.
Sogenannte Drip Bars sind ein Megatrend aus den USA und entstanden während der frühen 2010er Jahre mit zunehmender Popularität von Wellness-Infusionen. Obgleich sich viele Deutsche unter diesem Begriff vermutlich eher eine moderne Trinkhalle vorstellen, haben es die bunten Beutel zu hohen Preisen mittlerweile in unsere Innenstädte geschafft. So gibt es beispielsweise in Hamburg die Drip Drip IV Therapy Bar, die mit einer breiten Spanne zwischen 99 und 399 Euro diverse Infusionen anpreist. Beispiele wären der Glow Drip für 129 Euro oder auch der Hangover Drip für 99 Euro – eigentlich fast ein Schnäppchen. Und auch die Hemmschwelle ist recht niedrig: Es reicht die Buchung eines Termins, um eine Infusionsempfehlung zu erhalten. Der dritte Schritt läuft quasi von selbst – einfach entspannen und regenerieren.
Aber warum sind therapeutische Anwendungen, die eigentlich einer Indikation durch entsprechend ausgebildetes Fachpersonal bedürfen, in der Lifestyle-Ecke gelandet? Sicher wirkte hier – insbesondere in den letzten Jahren – die prominente Kundschaft aus Hollywood als Werbe-Booster. So wurde die oben genannte Drip Bar kürzlich im Gesundheitsteil der Zeitschrift Gala beworben und auf ihrer Homepage prangt gleich auf der ersten Seite eine positive Bewertung durch den Musiker Justin Timberlake. Weitere prominente Kunden aus den USA sind beispielsweise die Sängerin Rihanna und das Topmodel Chrissy Teigen. Und wer möchte nicht so frisch und gesund aussehen wie Superstars oder Topmodels?
Aus ärztlicher Perspektive drängt sich eine Frage auf: Wie schaut es aus mit der Studienlage? Eine orientierende Recherche sorgt zunächst für Nüchternheit. Denn zu den Drip Bars an sich und den angebotenen Spezialcocktails gibt es keine richtigen Studien. Dagegen werde ich fündig, als ich nach Studien und Übersichtsarbeiten über die Supplementierung bestimmter Vitamine und Mineralstoffe suche.
So berichteten Erstautorin Elisabeth Lerchbaum und ihre Kollegen in einem systematischen Review aus dem Jahre 2012 von positiven Effekten einer Supplementierung mit Vitamin D auf die Fruchtbarkeit von Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS). Darüber hinaus empfehlen die Autoren einer Metaanalyse auf Basis europäischer klinischer Studien eine generelle Vitamin-D-Supplementierung für Erwachsene von 1.000 Einheiten am Tag.
Auch andere Vitamine oder Mineralstoffe konnten sich bei bestimmten Indikationen als nützlich erweisen. Beispielsweise konnten hochdosierte Infusionen mit Vitamin C und anderen Nährstoffen bei Teilnehmern einer Kohortenstudie den Blutdruck reduzieren. Und Kinder sowie Erwachsene mit Asthma bronchiale und akuten Exazerbationen profitieren in Anlehnung an eine Übersichtsarbeit aus dem Fachblatt American Family Physician von Magnesiuminfusionen.
Dem gegenüber stehen allerdings ziemlich viele Risiken und Nebenwirkungen. Mancher Kollege denkt jetzt zu Recht an die langen Aufklärungsbögen, die in der Klinik für bestimmten Infusionen zum Einsatz kommen. Fangen wir einmal bei den Klassikern an: Infektionen, Venenreizungen und Thrombosen. Es folgen Komplikationen wie Flüssigkeitsüberladungen bei vielleicht auch unbekannten Herz- oder Nierenproblemen, sowie allergische Reaktion – Lieblingsbeispiel Eiseninfusionen – und die Überdosierung von fettlöslichen Vitaminen, wie Vitamin A, D, E oder K. Und: Ist eine invasive Therapie ohne ärztlich gestellte Indikation nicht eigentlich irgendwie auch Körperverletzung?
Egal, welchen Podcast ich zu Gesundheitsthemen und Supplementierung von Nährstoffen gehört habe – der Tenor der Spezialisten, meist Ärzte oder Biologen, war eigentlich immer gleich: erst messen, dann supplementieren und dann kontrollieren. Solange es keine zufriedenstellende Datenlage zur Praxis der Drip Bars gibt, empfiehlt sich vielleicht besser die Investition in ein leckeres und vitaminreiches Abendessen.
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