Ungewollt Schwangere sind in Deutschland medizinisch und psychosozial besser betreut als in den Medien dargestellt. Aktuelle Zahlen zeigen: Die Stigmatisierung ist in der Vorstellung oft stärker als in der Realität. Was Kritiker sagen.
Die ELSA-Studie „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ hatte eine Laufzeit von Oktober 2020 bis Oktober 2024 und wurde mit ca. 4,74 Millionen Euro vom Bund gefördert. Online-Fragebögen von mehr als 4.500 Frauen flossen in die Auswertung ein. Im Fokus standen das bestehende Gesundheits- und psychosoziale Beratungssystem im Schwangerschaftskonfliktfall.
Es wurden quantitative und qualitative Befragungsergebnisse zu ungewollt ausgetragenen oder abgebrochenen Schwangerschaften aus der Perspektive der betroffenen Frauen, von Fachverbänden, Ärzten, Beratungsfachkräften und anderen Experten erhoben. Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) hat in einer Pressemitteilung vom 23.09.2025 die Ergebnisse der ELSA-Studie zusammengefasst.
Die große Mehrheit der ungewollt Schwangeren wendet sich an ihre gewohnte gynäkologische Praxis. So suchten 84,4 % der Frauen, die einen Abbruch in Erwägung zogen, ihre ursprüngliche Praxis auf. Über 90 % gaben an, dass hier Wert auf ihre Privatsphäre gelegt und ihnen alle notwendigen Informationen zum Schwangerschaftsabbruch gegeben wurden. „Die Ergebnisse der ELSA-Studie zeigen das enge Vertrauensverhältnis zwischen der Schwangeren und ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt, das häufig über Jahre gewachsen ist. Wir sind verlässliche Ansprechpartner für Mädchen und Frauen in allen Lebenssituationen, gerade auch bei hochsensiblen Fragestellungen“, so Dr. Klaus Doubek, Präsident des BVF. Mehr als 90 % bewerten ihre Erfahrungen beim Arztbesuch als positiv, einschließlich der Nachsorge nach dem Abbruch. Die Fachverbände sehen darin einen Beleg für die hohe Professionalität und Empathie der gynäkologischen Versorgung in Deutschland, was Schwangerschaftsabbrüche anbelangt.
In der Studie wurde deutlich, dass Beratungseinrichtungen und ärztliche Praxen ein kompetentes und gut funktionierendes Netzwerk bilden. 70 % der befragten Frauen wurden in Beratungsstellen und 52 % in Arztpraxen informiert. 80 % empfanden die Beratung als umfassend. 39 % der Betroffenen erhielten durch die Beratungsstelle eine Adresse zur Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs, nahezu 40 % der Empfehlungen kamen dabei aus Arztpraxen.
Entgegen einer anders lautenden medialen Berichterstattung werden den bestehenden Strukturen ein niederschwelliger Zugang und eine meist gute Erreichbarkeit attestiert.
Schwangerschaftsabbrüche können medikamentös oder operativ erfolgen. Fachverbände betonen die Wichtigkeit einer möglichst flächendeckenden Wahlfreiheit und standardisierte Nachbetreuungsangebote, was in der Studie positiv abgebildet war. Knapp 59 % der Abbrüche erfolgten operativ, 40,8 % medikamentös. Lediglich 4,1 % der befragten Frauen konnten ihre bevorzugte Methode nicht wählen. 85 % der Betroffenen nahmen an einer ärztlichen Nachsorge teil, 82,6 % fühlten sich auf mögliche Komplikationen nach dem Eingriff gut vorbereitet.
Die Ergebnisse der ELSA-Studie waren zunächst anders interpretiert worden, als es der BVF in seiner Presseerklärung nun korrigierend getan hat. Prof. Matthias David aus der Universitätsfrauenklinik der Charité und Autor der S2k-Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon hat die Notwendigkeit der Korrektur auf Anfrage so kommentiert: „Die umfangreichen und interessanten Ergebnisse der ELSA-Studie beruhen auf Datenanalysen von nicht-repräsentativen Kollektiven. Unter anderem aufgrund dieser methodischen Schwäche erstaunen die teilweise sehr weitgehenden und zum Teil einseitigen Interpretationen der Daten, ohne dass diese durch das ELSA-Team relativiert werden.“ Nach Ansicht der Fachverbände ergibt sich daraus die Aufgabe, Daten zukünftig repräsentativer und kontinuierlicher zu erheben, damit mögliche Versorgungsprobleme realistisch abgebildet und zielgerichtet behoben werden können.
Neben den vielen positiven Aspekten, wie eine von den Befragten bestätigte gute Informations-, Beratungs- und Versorgungssituation mit wenig Stigmatisierungserfahrungen, müssen mögliche strukturschwächere Regionen analysiert und in ihrem Angebot verbessert werden.
Bei der Methodenwahl sollten medikamentöse und operative Alternativen zur Verfügung stehen. Die Versorgungssituation ist durch regelmäßig aktualisierte Daten in repräsentativen Studien zu bewerten und, wenn nötig, zielgerichtet zu verbessern. Möglichen Stigmatisierungserfahrungen muss ein gesellschaftlich respektvoller Diskurs entgegengesetzt werden. Um Schwangerschaftskonflikte grundsätzlich zu vermeiden, sollten alle Beteiligten ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bei der Beratung, Bereitstellung und Durchführung von Antikonzeptionsmöglichkeiten zeigen.
Bundesministerium für Gesundheit: ELSA-Abschlussbericht. 2024 – Online BVF und DGGG (GBCOG): ELSA-Studie belegt gute Versorgungslage für Frauen mit Abbruchwunsch in Deutschland, 2025 – OnlineDavid M. et al.: Erste Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon. 2025, – Online
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