In den letzten Jahrzehnten ist die Krebssterblichkeit in Deutschland deutlich gesunken.1 Dieser Erfolg ist unter anderem auf neue Erkenntnisse und verbesserte Behandlungsansätze zurückzuführen.2 Parallel dazu hält eine neue Technologie Einzug in die Onkologie: Künstliche Intelligenz (KI). Sie verspricht, das bestehende Wissen effizienter nutzen zu können. Doch wie weit ist die KI in der onkologischen Praxis tatsächlich? Was leisten aktuelle Systeme und wo liegen die Grenzen?
Eine der bekanntesten Stärken von KI liegt in der Analyse medizinischer Bilddaten.3 Besonders bei Brustkrebs können KI-gestützte Systeme helfen, subtile Befunde zu erkennen.4
Ein aktuelles Beispiel ist die PRAIM-Studie. Es handelt sich dabei um die größte prospektive Studie weltweit zum Einsatz von KI im deutschen Mammographie-Screening-Programm. Über 460.000 Frauen wurden in zwölf Zentren untersucht (2021-2023). Manche Mammographien wurden traditionell durch zwei Radiolog:innen beurteilt, andere mithilfe von KI analysiert.4
Diese Daten sind besonders relevant vor dem Hintergrund, dass das Mammographie-Screening in Deutschland jährlich über 3 Millionen Frauen umfasst und Brustkrebs mit etwa 78.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist.5
Eine der spannendsten Entwicklungen ist die KI-gestützte Vorhersage, ob eine bestimmte Therapie überhaupt wirken wird. Das Ziel: Nebenwirkungen und Kosten vermeiden und Patient:innen jene Therapie geben, von der sie mit größter Wahrscheinlichkeit profitieren.
Ein Beispiel ist das Modell SCORPIO, das entwickelt wurde, um das Ansprechen auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs) vorherzusagen. Es ist ein Machine-Learning-Modell, das auf routinemäßigen klinischen Daten (Blutwerte, metabolische Profile, Blutbild, etc.) basiert, ohne teure oder aufwendige molekulare Tests. Es wurde an Tausenden von Patient:innen mit verschiedenen Krebsarten trainiert und validiert.5
Neben prädiktiven Modellen wird zunehmend mit generativen KI-Systemen gearbeitet – also Systemen, die Texte, Antworten oder Informationen selbst generieren. Beispiele: Chatbots, Assistenz bei Patient:innenaufklärung, automatische Erstellung von Dokumenten.3
Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass sich Empfehlungen von Chatbots teilweise deutlich von medizinischen Leitlinien abweichen und ein Risiko für fehlende Quellenangaben, veraltete Informationen oder Halluzinationen (d.h. fälschlich generierte Inhalte) gibt.7,8
Generativen KI-Systemen wird hingegen ein zunehmendes Potenzial zur Entlastung bei administrativen Aufgaben zugeschrieben.9
Trotz der vielversprechenden Ansätze bringt der flächendeckende Einsatz von KI in der Onkologie mehrere Herausforderungen mit sich:
KI bietet der Onkologie riesige Chancen: bessere Diagnosen, präzisere Prognosen, gezieltere Therapieentscheidungen und potenzielle Entlastung im klinischen Alltag. Beispiele wie die PRAIM‑Studie oder SCORPIO zeigen, dass diese Technologien bereits heute konkret Mehrwert bringen.4,5
Aber: KI ist kein Ersatz für ärztliche Erfahrung, Empathie oder klinisches Urteilsvermögen. Sie ist ein Werkzeug, das – verantwortungsvoll eingesetzt – helfen kann, effizienter zu entscheiden. Damit das gelingt, braucht es transparente Trainingsdaten, klinische Validierung, ethische Leitlinien und Personal, das die Möglichkeiten und Grenzen von KI versteht.
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Referenzen:
M-DE-00027968