Es ist wieder Pilzsaison: Viele zieht es in den Wald, um Steinpilze und Pfifferlinge zu sammeln. Doch neben kulinarischen Schätzen lauern dort auch gefährliche Doppelgänger. Was tun, wenn man Feind statt Freund erwischt hat?
In Deutschlands Wiesen und Wäldern wachsen fast 6.000 Pilzarten – ungefähr 40 davon sind für den Menschen tödlich. Jedes Jahr sterben in Deutschland Menschen an den Folgen einer Pilzvergiftung. Die meisten Pilzvergiftungen in Deutschland – bis zu 80 Prozent – gehen auf einen einzigen Übeltäter zurück: den Knollenblätterpilz. Doch welche Optionen gibt es, wenn der Pilz bereits verzehrt wurde? Und welche anderen Arten sollte man ebenfalls im Hinterkopf behalten?
Die Knollenblätterpilze (Amanitaceae) gehören zu den bekanntesten und gefährlichsten Vertretern unter den heimischen Giftpilzen. Besonders der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) ist aufgrund der enthaltenen Amatoxine und Phallotoxine, die zu tödlichem Leberversagen führen können, einer der gefährlichsten Pilze Deutschlands. Hinzu kommt, dass er leicht mit Speisepilzen wie dem Frauentäubling oder dem Wiesen-Champignon verwechselt wird. Letzterer ähnelt zudem dem ebenfalls sehr giftigen Kegelhütigen Knollenblätterpilz.
Grüner KnollenblätterpilzFoto: Archenzo/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Der Verlauf des Amatoxin-Syndroms nach Verzehr des Knollenblätterpilzes verläuft phasenhaft: Zunächst vergehen etwa 6–48 Stunden ohne Beschwerden, dann folgt eine Phase gastrointestinaler Beschwerden über etwa 12–24 Stunden mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen und Diarrhö. Es folgt eine scheinbare Erholungsphase, in der Leber- und Nierenschädigung aber weiter fortschreiten. Schließlich drohen ohne rechtzeitige Behandlung schwere Leberzellschädigungen bis hin zu akutem Leber- und Nierenversagen.
Die Diagnostik erfolgt über Anamnese und typische laborchemische Zeichen einer Intoxikation und eines akuten Leberversagens (Koagulopathie und Hyperbilirubinämie). Im Vordergrund der Behandlung stehen supportive Maßnahmen und eine Antidottherapie. Da Patienten meist dehydriert sind, ist eine großzügige Flüssigkeitssubstitution essenziell. Sehr früh sollte außerdem Aktivkohle verabreicht werden – allein dadurch lässt sich die Sterblichkeit von ca. 50 auf etwa 10 Prozent senken. Bei sehr früher Vorstellung kann zusätzlich eine Gastroskopie zum Entfernen verbliebener Pilzreste sinnvoll sein. Die weitere Therapie besteht vor allem aus einer antidotalen Behandlung mit Silibinin oder Penicillin G., meist über 3–5 Tage oder bis zur klinischen Besserung. Eine Lebertransplantation ist nur sehr selten notwendig.
Eigentlich möchte man meinen, die Toxizität des Fliegenpilzes sei allseits bekannt. Dennoch verzehren Patienten immer wieder freiwillig den Fliegenpilz oder auch den Pantherpilz – oftmals zu Rauschzwecken. Während der Pantherpilz zumindest gelegentlich mit dem essbaren Perlpilz verwechselt wird, erfolgt der Konsum trotzdem meist absichtlich.
FliegenpilzFoto: Holger Krisp/Wikimedia Commons, CC BY-A 3.0
„Durch die Wirkstoffe Muscimol (anticholinerge Wirkung) und Ibotensäure (cholinerge Wirkung) kommt es nach einer Latenzzeit von 30 Minuten bis drei Stunden zu einem wechselnden Bild aus cholinerger und anticholinerger Symptomatik, geprägt durch agitierte Rauschzustände mit Halluzinationen, Angst und Unruhe im Wechsel mit komatösen Zuständen“, so die Sprecherin aus der Abteilung für klinische Toxikologie und Giftnotruf an der TU München. Zusätzlich können Hypotonie, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö sowie in seltenen Fällen Myoklonien und Krampfanfälle auftreten. Die Symptome können, sollte der Verzehr weniger als eine Stunde zurückliegen, mittels Aktivkohle behandelt werden. Außerdem können Physostigmin oder bei cholinergen Symptomen Atropin verabreicht werden.
Auch wenn die optische Verwechslungsgefahr geringer ist als beim Knollenblätterpilz, gehören Vergiftungen durch die Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta) zu den relevanten Pilzvergiftungen in Nordeuropa – in Deutschland jedoch eher selten. Das Tückische: Der Pilz kann gekocht zwar verzehrt werden, bleibt aber auch dann ein Gesundheitsrisiko.
LorchelFoto: Lukas/Wikimedia Commons CC BY-SA 2.0
Ähnlich wie beim Amatoxin-Syndrom kommt es auch beim Gyromitra-Syndrom zuerst zu gastrointestinalen Symptomen inklusive Kopfschmerzen, Bauschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö. Die Latenzzeit ist ähnlich. Nach einer scheinbaren Besserung folgt die hepatorenale Phase mit schweren Schädigungen an Leber und Nieren sowie oftmals neurologischen Symptomen. Bei den ersten Anzeichen dieser Pilzvergiftung ist ein rasches Handeln entscheidend. Typisch ist eine stark vergrößerte und verhärtete Leber, die sich bei der Palpation deutlich tasten lässt. Im Labor zeigt sich vor allem ein deutlich erhöhter Bilirubinwert. Im Unterschied zum Amatoxin-Syndrom sind die Leberwerte jedoch nicht erhöht. Auch die Behandlung ähnelt mit Flüssigkeits- und Aktivkohlegabe der des Amatoxin-Syndroms. Zusätzlich kann Pyridoxinhydrochlorid 20–30 mg/kg KG i.v. verabreicht werden.
Das waren nur drei ausgewählte Beispiele von Pilzvergiftungen. Wer weiterlesen will, findet hier bei DocCheck genug zum Schmökern – beispielsweise wenn man sich auf Spurensuche im Ragout begeben oder wissen will, wie ein Patient mit Pilzvergiftung immer richtig zu behandeln ist.
Die Liste der relevanten Giftpilze in Deutschland wird jedenfalls immer länger – nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels und veränderter Verbreitungsgebiete. So zeigte eine Studie, dass sich die Zahl der Pilzvergiftungen in Südostdeutschland zwischen 2014 und 2022 verdoppelte. Dies betont die Notwendigkeit einer erhöhten Aufmerksamkeit für Pilzvergiftungen im klinischen Alltag.
Bildquelle: Roxna Zerni, Unsplash