Beim Thema Antibiotikaresistenzen geht der Blick schnell Richtung Hühnerstall. In Deutschland stimmen aktuelle Zahlen eher pessimistisch. Weshalb wir trotzdem nicht den Kopf in den Sand stecken sollten.
Der weltweite Verbrauch von Antibiotika in der Haltung von Nutztieren befindet sich ungebrochen im Aufwärtstrend. Prognosen zufolge könnte der Verbrauch bis 2040 auf etwa 143.481 Tonnen steigen, was einem Anstieg von 29,5 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 entspricht. In Ländern mit wachsender Fleischproduktion (z. B. China, Brasilien, Indien) steigt der Einsatz deutlich, vor allem durch die Umstellung auf industrielle Intensivhaltung. Wie sieht es in Deutschland aus?
Antibiotika werden global gesehen im Nutztiersektor nicht nur zur Behandlung kranker Tiere eingesetzt, sondern auch prophylaktisch und als Wachstumsförderer. Historisch gesehen hat das die Tierhaltung erheblich revolutioniert, indem der Einsatz die Futterverwertung und die Krankheitsresistenz verbessert – und damit die Produktivität steigert. Doch die Arzneimittel und Resistenzgene aus Bakterien gelangen aus der Tierhaltung über Gülle, Abwasser und Böden in die Umwelt und können über Lebensmittel oder Wasser vom Menschen aufgenommen werden. Die wachsende Besorgnis über die Rolle von Antibiotika bei der Förderung von Resistenzen hat deshalb zu regulatorischen Beschränkungen in Regionen wie der EU und den USA geführt.
Seit 2011 ist die abgegebene Menge von Antibiotika an Tierärzte in Deutschland stark gesunken. Im Zeitraum 2011 bis etwa 2023 wird ein Rückgang um etwa zwei Drittel beschrieben. Trotzdem liegt Deutschland mit ca. 73,3 mg/PCU (mg pro kg Tiergewicht (PCU: Population Correction Unit)) deutlich vor Frankreich (ca. 51,7 mg/PCU), den Niederlanden (ca. 47,6 mg/PCU) und Dänemark (ca. 33,4 mg/PCU). Ende August legte jetzt das BfR aktuelle Zahlen zum Antibiotikaverbrauch bei Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten vor.
Die neuen Zahlen zeigen nun: Insgesamt wurden 2024 knapp 507 Tonnen antimikrobieller Wirkstoffe eingesetzt – ein Plus von 6 % gegenüber 2023. Davon entfielen 91 % auf Tierarten in der Antibiotika-Minimierung, deren Einsatz um 10 % anstieg, während die Verbrauchsmengen in der Antibiotika-Beobachtung um 24 % zurückgingen. Am häufigsten wurden Penicilline (218 t), Tetrazykline (101 t) und Makrolide (51 t) eingesetzt.
Rückgänge in den absoluten Mengen gab es in keiner Wirkstoffklasse, allerdings sank der Anteil der für die Humanmedizin kritischen Polypeptidantibiotika leicht von 6,3 % auf 5,9 %. Bei Betrieben, die am QS-System teilnehmen, sieht es insgesamt etwas besser aus: Hier liegt der Zuwachs nur bei 3,5 % – im Vergleich zu den 6 % insgesamt. Das QS-System soll die Rückverfolgbarkeit und bestimmte Hygienestandards bei Lebensmitteln garantieren. Bei Lebensmitteln tierischer Herkunft soll es außerdem einen kontrollierten Einsatz von Medikamenten und Antibiotika, Tierschutzanforderungen und regelmäßige, unabhängige Kontrollen durch zugelassene Zertifizierungsstellen sicherstellen.
Seit 2014 werden EU-weit E. coli aus Blinddarmproben von Schlachttieren auf ihre Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen untersucht. In Deutschland werden bisher vier Tierpopulationen untersucht: Mastputen, Masthühner, Mastschweine und „Mastkälber und Jungrinder“ (Rinder, die im Alter von weniger als 12 Monaten geschlachtet werden). In geraden Jahren werden Masthühner und Mastputen untersucht, in ungeraden Jahren Mastschweine sowie Mastkälber und Jungrinder. Aus dem aktuellen Bericht geht also hervor, dass die Resistenz von E. coli von Masthühnern zwischen 2022 und 2024 einen signifikanten Anstieg gegen Ampicillin und Trimethoprim sowie einen signifikanten Rückgang der Resistenz gegenüber Nalidixinsäure erfuhr.
Bei Mastputen sanken die Resistenzraten gegenüber Gentamicin, Colistin und Nalidixinsäure signifikant. Gegenüber Cefotaxim und Ceftazidim wurde 2024 erstmals keine Resistenz mehr beobachtet. Gegenüber fünf Substanzen wurden allerdings numerisch höhere Resistenzraten beobachtet als 2022 – was darauf hindeutet, dass der Rückgang der Resistenzraten sich nicht so fortsetzt wie bisher (Grafiken dazu findet ihr hier). Im Bericht des BfR heißt es: „Der Anstieg der Therapiehäufigkeit in 2023 und 2024 wurde bisher durch keinen signifikanten Anstieg der Resistenzraten begleitet, allerdings stiegen die Resistenzraten gegenüber fünf Substanzen numerisch an, sodass eine weitere Reduktion des Antibiotika-Einsatzes ratsam erscheint.“
In einigen Bereichen gibt es also positive Entwicklungen, wie beispielsweise bei der Resistenzlage. Der Einsatz von Antibiotika ist aber nach wie vor in Teilen der Masttierpopulationen sehr hoch und hat kürzlich wieder einen Aufwärtstrend gezeigt. Langfristig ist Deutschland also auf einem guten Weg – es ist aber wichtig, dass das Ziel nicht aus den Augen verloren wird.
Bildquelle: Midjourney