Das Kurzdarmsyndrom (KDS) ist eine schwere Funktionsstörung des Darms, die durch einen Funktionsverlust des Dünndarms, angeborenen Defekt oder nach einer umfangreichen Resektion von Darmabschnitten entsteht und bei der die Aufnahme lebenswichtiger Nährstoffe und Flüssigkeit über den verbliebenen Darm stark eingeschränkt ist. In der Behandlung spielt die parenterale Ernährung (PE) eine zentrale, oft lebensrettende Rolle, insbesondere in der Frühphase des Syndroms.1,2
Das KDS bezeichnet einen Zustand, bei dem Wasser, Elektrolyte und Nährstoffe bei konventioneller Ernährung nicht mehr ausreichend über den Darm aufgenommen werden können. In der Folge können Durchfall, Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen auftreten.1,2
Zu den häufigsten Ursachen eines KDS bei Erwachsenen zählen mesenteriale Durchblutungsstörungen und vorbestehende chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED). Somit haben Patient:innen, die unter Colitis ulcerosa (CU) oder Morbus Crohn (MC) leiden, ein höheres Risiko, ein KDS zu entwickeln, als Personen, die nicht an CED erkrankt sind.3
Zu den Risikofaktoren für die Entstehung eines KDS zählen unter anderem eine verzögerte oder initial falsche Diagnose der CED, Neigung zu mesenterialer Venenthrombose und Notwendigkeit von Exzisionen. CU ist seltener direkt an der Entstehung eines KDS beteiligt, meist tritt ein KDS bei CU im Rahmen von etwa operativen Komplikationen akut auf. MC-Patient:innen sind hingegen prädestiniert für die Entstehung eines KDS, da im Verlauf einer MC-Erkrankung mehrere Resektionen von Darmabschnitten notwendig werden können, die Erkrankung fistulieren und zu Mukosaschäden im verbleibenden Darm führen kann.3 Der Verlust von (Dünn-)Darmabschnitten durch chirurgische Resektion ist weitaus häufiger als ein Funktionsverlust.2
Je nachdem, welche Abschnitte des Darms entfernt wurden, wird das KDS in drei Typen eingeteilt (nach Messing, 1999):4
Abbildung 1: Die Typen des Kurzdarmsyndroms nach Messing.
Nach einer Resektion kommt es zunächst zu einer Phase akuter Hypersekretion, die unmittelbar nach der Operation (OP) beginnt und von hohem Stoma-Output und sehr schlechter Nährstoffresorption gekennzeichnet ist. Ab etwa 48 Stunden nach der OP unterliegt der verbleibende Darm einem Anpassungsprozess („Adaptation“), bei dem er beginnt, Funktionen der entfernten Segmente zu übernehmen. Diese Adaptation kann sich über viele Monate erstrecken und ist von der enteralen Ernährung als Stimulus abhängig. Auf die Anpassungsphase folgt schließlich die chronisch adaptierte Phase, bei der die individuell maximal mögliche Adaptation erreicht ist.1
Die PE versorgt Betroffene über einen zentralvenösen Zugang direkt mit allen Makro- und Mikronährstoffen sowie Flüssigkeit, die der Darm nicht mehr absorbieren kann. Sie ist damit vorrangig in der frühen Hypersekretionsphase direkt nach der OP unerlässlich, um den lebensnotwendigen Energie- und Flüssigkeitsbedarf zu decken und Mangelernährung entgegenzuwirken.1,5
Dabei kann die PE sowohl vorübergehend als auch dauerhaft erforderlich sein. Parallel dazu wird in vielen Fällen versucht, die enterale/orale Ernährung schrittweise wieder aufzubauen, um den Bedarf an PE zu verringern. Für die parenterale Nährstoffzufuhr stehen zum Beispiel standardisierte Mehrkammerbeutel zur Verfügung, die sich individuell an die Restdarmfunktion anpassen lassen. Da Patient:innen mit KDS einen besonderen und individuellen Flüssigkeits- und Elektrolytbedarf haben, ist oft zusätzlich zur PE eine Volumentherapie notwendig, um die Verluste optimal auszugleichen.1,5
Langfristig strebt man an, die parenterale Ernährung möglichst zu reduzieren und den Restdarm durch abgestimmte, oft supplementierte enterale Ernährung zu trainieren. Eine vollständige Umstellung auf orale Ernährung ist jedoch nicht immer erreichbar; für viele Betroffene bleibt die PE ein lebenslanger Begleiter. Ernährungsberatung und individuelle Therapieanpassungen sind daher entscheidend, um Komplikationen zu minimieren und als übergeordnetes Therapieziel die Lebensqualität zu sichern.1,5
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