Autoimmunerkrankungen der Leber (Autoimmune Liver Diseases, AILDs) gehören zu den seltenen, aber klinisch bedeutsamen hepatologischen Krankheitsbildern. Weltweit leiden über 844 Millionen Menschen an solchen chronischen Lebererkrankungen, und jährlich sterben mehr als zwei Millionen Menschen daran.1 AILDs können Menschen jeden Alters betreffen. Um langfristig irreversible Leberschäden zu vermeiden, ist eine frühzeitige Diagnose und eine konsequente Therapie entscheidend.2, 3 Zu den häufigsten Formen gehören:
Allen drei Erkrankungen liegt eine fehlgeleitete Immunantwort gegen körpereigene Leberstrukturen zugrunde. Die genauen Ursachen sind zwar nicht vollständig geklärt, bekannt ist aber, dass genetische Prädispositionen und Umweltfaktoren dabei eine Rolle spielen.4
Eine Studie von Gao et al. untersuchte die kausalen Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und AILDs mithilfe der Mendel‘schen Randomisierung (MR). Dabei wurden insgesamt 29 genetisch identifizierbare Risikofaktoren unter die Lupe genommen, die das Risiko für AIH, PBC oder PSC beeinflussen.4 Die Risikofaktoren wurden in sechs Kategorien eingeteilt: Lebensstil, Begleiterkrankungen, Serumparameter, Fettstoffwechsel, Glukosestoffwechsel und Adipositasmerkmale. Neben Faktoren, die ein erhöhtes Risiko für AILDs bewirken, konnten auch schützende Faktoren identifiziert werden (Abb. 1): Demnach sind rheumatoide Arthritis und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen starke genetisch-kausale Risikofaktoren für PBC und PSC. Vitamin D₃ und Kalzium könnten präventiv bei PBC wirken. Für PSC sind die Ergebnisse teilweise kontrovers und bedürfen unter Umständen weiterer Abklärung in zukünftigen Studien.4
Eine gezielte Prävention der AILDs ist bislang nicht möglich. Durch regelmäßige Laborkontrollen bei Risikopatient:innen (z. B. bei Menschen, die bereits andere Autoimmunerkrankungen aufweisen) lassen sie sich aber frühzeitig diagnostizieren und gezielt behandeln.2, 3
Abb. 1: Zusammenfassung der kausalen Risikofaktoren für Autoimmunerkrankungen der Leber (AIH und PBC), basierend auf den ORs und dem p-Wert. AIH = autoimmune Hepatitis; CED = chronisch-entzündliche Darmerkrankung; CRP = C-reaktives Protein; OR = Odds Ratio; PBC = primär biliäre Cholangitis; PSC = primär sklerosierende Cholangitis; RA = rheumatoide Arthritis; SLE = systemischer Lupus erythematodes. Modifiziert nach 4.
Die AIH ist eine chronisch-entzündliche Lebererkrankung, die vor allem Frauen betrifft und in jedem Lebensalter auftreten kann. Klinisch reicht das Spektrum von asymptomatischen Verläufen bis hin zum akuten Leberversagen. Die Diagnose wird sowohl durch Laborparameter als auch durch eine Leberbiopsie gesichert, die typischerweise eine Interface-Hepatitis (Nekrose) zeigt.3
Therapeutisch steht die immunsuppressive Behandlung im Vordergrund. Dabei sind für die Erst- und Zweitlinientherapie verschiedene Therapieoptionen verfügbar. Bei konsequenter Therapie ist in der Mehrzahl der Fälle eine Remission erreichbar. Bei einer vollständigen Remission ist die Krankheitsprognose gut.2
Die PBC betrifft überwiegend Frauen mittleren Alters und ist durch eine chronische Zerstörung der kleinen intrahepatischen Gallengänge gekennzeichnet. Klinisch äußert sich die Erkrankung häufig durch Müdigkeit (Fatigue) und Pruritus. Diagnostisch sind Laborparameter (laborchemische Cholestase mind. sechs Monate, Nachweis antimitochondrialer oder PBC-spezifischer nukleärer Antikörper und/oder eine passende Histologie) sowie ein abdomineller Ultraschall entscheidend. Eine Leberbiopsie ist u. a. bei unklarer Serologie oder bei Verdacht auf ein Overlap-Syndrom (weitere AILDs vorhanden) erforderlich.3
Für die Behandlung der PBC stehen in der Erst- und Zweitlinie Therapieoptionen zur Verfügung. Die Prognose der PBC ist bei frühem Therapiebeginn und gutem Ansprechen sehr gut.
Die PSC ist eine chronisch-progrediente Erkrankung der intra- und extrahepatischen Gallengänge, die häufig mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere Colitis ulcerosa, assoziiert ist. Die Ätiologie ist unklar, eine autoimmune Genese wird vermutet.2 Eine kausale medikamentöse Therapie existiert bislang nicht. Aufgrund des hohen Risikos für Cholangiokarzinome und kolorektale Karzinome ist ein engmaschiges onkologisches Screening essenziell. Die Lebertransplantation bleibt die einzige kurative Option bei fortgeschrittener Erkrankung oder bei Komplikationen.2
AILDs sind komplexe, aber häufig behandelbare Krankheitsbilder. Die frühzeitige Diagnose und eine leitliniengerechte Therapie sind entscheidend für den langfristigen Verlauf. Während die AIH durch eine immunsuppressive Therapie gut kontrollierbar ist, bieten innovative Wirkstoffe bei der PBC zunehmend differenzierte Behandlungsoptionen. Die PSC bleibt eine Herausforderung, bei der die interdisziplinäre Betreuung und das rechtzeitige Erkennen von Komplikationen im Vordergrund stehen. Die aktuellen AWMF-Leitlinien bieten eine wertvolle Orientierung für die klinische Praxis.2, 3
Referenzen:
Bildquellen:iStock.com / SewcreamStudioiStock.com / Viktoria Korobova
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