In der Transplantationsmedizin geht es um weit mehr als technische Chirurgie und medizinische Innovation. Hinter den Erfolgen dieses Fachgebiets stehen Menschen, deren Lebenswerk nicht nur neue Therapieformen hervorgebracht, sondern auch gesellschaftliches Bewusstsein für Organspende geprägt hat. Dieser Beitrag stellt einige dieser herausragenden Persönlichkeiten vor: Pioniere, die mit Mut und Vision Grenzen verschoben haben.
„Forschung bedeutet, zu sehen, was alle anderen gesehen haben, und zu denken, was niemand sonst gedacht hat.“
– Albert Szent-Györgyi
Joseph E. Murray, geboren in Milford, Massachusetts, wollte schon früh Chirurg werden. Nach seinem Studium an der Harvard Medical School diente er im Zweiten Weltkrieg in der plastischen Chirurgie, wo er bei der Behandlung von Brandopfern entdeckte, dass Gewebe von genetisch ähnlichen Spendern langsamer abgestoßen wurde. Diese Erfahrung weckte sein Interesse an Transplantationen. Nach dem Krieg kehrte er nach Boston zurück und führte 1954 die erste längerfristig erfolgreiche Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen durch – ein Meilenstein, der zeigte, dass Transplantationen technisch möglich waren.
Joseph E. Murray setzte sich intensiv mit Immunosuppression auseinander und entwickelte zusammen mit anderen Forschern die ersten Medikamente, die Abstoßungen verhinderten. 1961 gelang ihm die erste erfolgreiche Transplantation mit einem nicht genetisch identischen Spender, wofür er Azathioprin als Immunsuppressivum einsetzte – ein Medikament, das später Standard wurde.
Für diese bahnbrechenden Arbeiten erhielt er 1990 den Nobelpreis. Trotz seines Erfolgs in der Transplantationsmedizin blieb seine wahre Leidenschaft die plastische Chirurgie, weshalb er 1971 seine Position als Leiter der Transplantationsabteilung aufgab, um sich dieser zu widmen. Neben seiner klinischen Arbeit setzte er sich für die ethische Seite der Transplantation ein und war Mitglied in mehreren Gremien zur Förderung der Organspende. Joseph E. Murray legte den Grundstein für die moderne Transplantationsmedizin und rettete somit Millionen von Leben weltweit.
Thomas Starzl, Sohn eines Zeitungsredakteurs und einer Krankenschwester, wandte sich nach dem frühen Tod seiner Mutter der Biologie und Medizin zu. 1963 begann er mit ersten Lebertransplantationsversuchen an der Universität von Colorado. Der Durchbruch kam 1967, als ihm die weltweit erste erfolgreiche Lebertransplantation gelang. 3 Anders als bei der Nierentransplantation gab es bei der Leber keine Möglichkeit, die Organfunktion zu ersetzen – die Operation war komplex und riskant. Thomas Starzl selbst beschrieb den Eingriff als Mischung aus „Brutalität“ und „Raffinesse“.
Entscheidend für den Erfolg war der medizinische Fortschritt in der Immunsuppression. Ab 1962 arbeitete Starzl an Kombinationstherapien mit Azathioprin und Kortikosteroiden. Später war er an der Einführung von Cyclosporin A und 1989 auch maßgeblich an der Entwicklung von FK506 (Tacrolimus) beteiligt – ein Medikament, das die Überlebensraten von Patient*innen und Transplantaten deutlich verbesserte.4,5
Ab 1981 leitete Thomas Starzl das Transplantationszentrum in Pittsburgh, das sich unter seiner Führung zu einem der weltweit führenden Zentren entwickelte. Bereits im ersten Jahr führte er dort 30 Lebertransplantationen durch. 1984 gelang ihm erstmals eine kombinierte Herz-Leber-Transplantation bei einem Kind mit schwerer Stoffwechselerkrankung. Seine Forschung zu Xenotransplantationen blieb zwar ohne klinischen Erfolg, trug jedoch wesentlich zur Debatte über ethische und biologische Grenzen bei.
Mit über 2.000 wissenschaftlichen Veröffentlichungen zählt Thomas Starzl zu den meistzitierten Medizinern weltweit.
Rudolf Pichlmayr war Leiter der Abteilung Abdominal- und Transplantationschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und eine Schlüsselfigur der Transplantationsmedizin in Deutschland. Nach seinem Medizinstudium in München und der chirurgischen Weiterbildung trat er 1968 an die MHH, wo er 1973 zum ordentlichen Professor ernannt wurde.6
Robert Pichlmayr wurde für seine Arbeit in der Lebertransplantation bekannt, insbesondere für die Entwicklung der Leberteil-Transplantation, mit der er zwei Leben mit einem einzigen Spenderorgan retten konnte. Ab Ende der 1960er Jahre baute er das Transplantationszentrum an der MHH auf und gehörte zu den ersten Chirurgen, die Lebertransplantationen durchführten.6
Zusammen mit seiner Frau Ina Pichlmayr gründete er 1987 die Rudolf Pichlmayr Stiftung, die ein Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche nach Organtransplantationen ins Leben rief. Neben seiner klinischen Arbeit setzte sich Rudolf Pichlmayr intensiv mit medizinethischen Fragen auseinander. Für seine Leistungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz und den Menschenrechtspreis der Dr.-Bruno-Kreisky-Stiftung im Jahr 1993.6
1994 verlor Reg Green seinen siebenjährigen Sohn Nicholas bei einem Raubüberfall in Italien. Inmitten dieses Verlustes entschied sich die Familie, Nicholas' Organe zu spenden, was dazu führte, dass sieben Menschen weiterleben konnten. Dieser Fall führte in Italien zu einem Anstieg der Organspendebereitschaft, bekannt als der „Nicholas-Effekt“. Reg Green widmete sich fortan der Aufklärung und Sensibilisierung für Organspende. Als Autor, Redner und Gründer der Nicholas Green Foundation setzte er sich dafür ein, das Thema Organspende stärker ins Bewusstsein zu rücken.7
Ob durch medizinische Durchbrüche oder persönliches Engagement für Organspende – die hier vorgestellten Menschen haben der Transplantationsmedizin ein Gesicht gegeben. Sie stehen für Mut, Mitgefühl und die Überzeugung, dass jedes Leben zählt. Diese Darstellung ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt der umfassenden Geschichte der Transplantationsmedizin. Viele Geschichten, insbesondere von Frauen und Forscher*innen aus dem Globalen Süden, bleiben oft unerzählt.
Wenn Sie erfahren wollen, wie Sie mit Hilfe eines Organspende-Tattoos auch zum Lebensretter werden können, kommen Sie hier zu unserem Beitrag zu der Initiative „Opt.Ink“ der Jungen Helden e.V..
Interessiert an einer Reise durch die bedeutendsten Meilensteine der Transplantationsmedizin? Dann entdecken Sie hier die Geschichte dieses faszinierenden Fachgebiets.
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Bildquelle: iStock.com/Chinnapong