Der rechtliche Rahmen für die Früherkennung von Lungenkrebs steht. Während der G-BA noch über die Richtlinie berät, mahnen Pneumologen und Krebsmediziner Korrekturen an.
Die S3-Leitlinie „Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms“ ist eine Living Guideline, was bedeutet, dass sie jährlich aktualisiert wird. Die letzte Version hat DocCheck vor einem Jahr besprochen, nun ist die Folgeversion 4.0 erschienen.
Das ohnehin schon knapp 600 Seiten starke Werk unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin sowie der Deutschen Krebsgesellschaft hat noch einmal 70 Seiten zugelegt. Alle Statements und Empfehlungen wurden überprüft und gegebenenfalls modifiziert oder ergänzt. Neuerungen gibt es bei den Risikofaktoren, der beruflichen Exposition, den molekularen Zielstrukturen bei der Diagnostik sowie zu Therapien.
Die meisten Änderungen aber gibt es zur Früherkennung. Dass das Thema statt auf 7 jetzt auf 40 Seiten abgehandelt wird, hat einen triftigen Grund: Am 1. Juli 2024 trat die – Achtung, jetzt wird es behördlich – „Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomographie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen“ (Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung – LuKrFrühErkV) in Kraft. Die Verordnung schafft den verbindlichen Rechtsrahmen dafür, beschwerdefreie Personen der Strahlendosis einer Computertomographie aussetzen zu dürfen. Die Personen müssen nur starke Raucher, zwischen 50 und 75 Jahre alt und medizinisch geeignet sein. Außerdem regelt die Verordnung die Anforderungen an Geräte, Untersuchung und Untersucher.
Die Erlaubnis wurde fällig, weil es das Bundesministerium als erwiesen ansah, dass der mögliche Nutzen den Schaden überwiegt und so auch hinsichtlich des Strahlenschutzes vertretbar ist. Schließlich zeigen mehrere Studien, dass mit Niedrigdosis-CT 30 bis 40 % der Lungentumore mindestens 4 Jahre vor dem Auftreten erster Symptome entdeckt werden können. So lässt sich in etwa einer von vier Todesfällen durch Lungenkrebs verhindern.
10 Jahre Karenz ist zu wenig
An einem Passus in der Verordnung stören sich die Leitlinienautoren allerdings: Zum Zigarettenkonsum fordert §2 Absatz 1 Punkt 3 „eine Dauer von mindestens 25 Jahren, wobei die Jahre vor einer vollständigen Unterbrechung des Rauchens und die Jahre der vollständigen Unterbrechung selbst nur mitgezählt werden, wenn die Unterbrechung weniger als zehn Jahre beträgt“. Wer also insgesamt 48 Jahre geraucht hat und zwischendrin 11 Jahren nicht, hat Pech gehabt. Hintergrund dieser Karenzregelung ist die Annahme, dass die Lunge nach 10 Jahren Abstinenz vollständig regeneriert ist – als hätte niemals ein Rauchwölkchen ihre Alveolen getrübt.
Die Autoren möchten das Karenzkriterium gerne streichen; neue Arbeiten würden belegen, dass das Risiko weit länger erhöht bleibt. Ein 2024 veröffentlichter Review geht sogar von 2 bis 3 Dekaden aus, die der Zigarettenrauch nachwirkt. Zweifel an den 10 Jahren gibt es offenbar schon länger, so hat die American Cancer Society bereits 2023 die Nikotinkarenz von unter 15 Jahren als eigenständiges Risikokriterium gestrichen. Statt starr 10 Jahre zu definieren, so die Leitlinienautoren, sei es besser, nur die beiden Parameter individuelles Krebsrisiko und Restlebenszeit zu berücksichtigen.
Jüngst beschloss der G-BA, die Früherkennung von Lungenkrebs zur Kassenleistung zu machen. Der Beschluss wird derzeit vom Bundesministerium für Gesundheit geprüft und tritt – bei ausbleibender Beanstandung – nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Allerdings warnen die Leitlinienautoren davor, gleich munter drauflos zu scannen. Man solle lieber erst die Einführung eines strukturierten Programms abwarten. Das könne zwar ein paar Jahre dauern, weil zwingend noch auf eine EU-Leitlinie gewartet werden müsse, aber: „Bei einer unstrukturierten Durchführung einer Lungenkrebsfrüherkennung mittels Niedrigdosis-CT droht ein Übermaß an Schwachstellen und Fehlerquellen entlang der gesamten Prozesskette.“
Die Leitlinie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Micaela Parente, Unsplash