Für Frauen ohne intakte Gebärmutter war ein leibliches Kind lange nur Wunschdenken. Aber kaum eine andere Disziplin gestaltet sich so innovativ wie die moderne Fortpflanzungsmedizin. Was mittlerweile möglich ist, lest ihr hier.
Eine 17-jährige Patientin kommt in die gynäkologische Sprechstunde, weil sie noch immer auf ihre erste Periodenblutung wartet. Außerdem hat sie einen Freund und die ersten sexuellen Begegnungen verliefen frustran. Nun möchte sie wissen, ob bei ihr alles in Ordnung ist. Phänotypisch handelt es sich um eine altersgemäß entwickelte junge Frau mit normalen sekundären Geschlechtsmerkmalen und einem BMI von 21. Bei der gynäkologischen Untersuchung fällt eine nur rudimentär angelegte Vagina auf.
Ultrasonographisch lassen sich unauffällige Ovarien beidseits darstellen, jedoch kein Uterus. Humangenetische, urologische und orthopädische Abklärungen erbringen Normalbefunde. Es wird die Diagnose eines Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms vom Typ 1 gestellt. Für die Patientin bedeutet die unerwartete Diagnose eines für sie unbekannten Krankheitsbildes einen Schock, der viele Fragen aufwirft. Es folgen ausführliche Erörterungen des weiteren Procedere und die Vermittlung an eine psychosoziale Anlaufstelle. Die Patientin wird an ein operativ versiertes Zentrum zum Aufbau einer Neovagina überwiesen. Für einen prospektiven Kinderwunsch wird die Möglichkeit einer eventuellen Gebärmuttertransplantation angesprochen.
Das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS) betrifft etwa eine von 4.500 Frauen. Typ 1 bedeutet eine isolierte Aplasie des Uterus und eine rudimentäre oder aplastische Vagina bei unauffälligen Ovarien und normalen weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Auffällig wird das Krankheitsbild durch eine primäre Amenorrhoe und Kohabitationsbeschwerden. Typ 2 bedeutet zusätzliche Fehlbildungen des harnableitenden Systems oder Skelettanomalien.
Ätiologisch geht man von genetischen oder epigenetischen Defekten aus, die zu einer Anomalie der Müllerschen Gänge führen. Differentialdiagnostisch sollte ein Pseudohermaphroditismus masculinus ausgeschlossen werden. Therapeutisch steht die operative Bildung einer Neovagina oder mögliche Erweiterung der rudimentären Vagina im Vordergrund. Bei Kinderwunsch besteht seit einigen Jahren die Möglichkeit einer Uterustransplantation.
Einer 34-jährige Britin mit MRKHS wird von ihrer 40-jährigen Schwester, deren Familienplanung nach zwei Geburten abgeschlossen ist, die Gebärmutter transplantiert. Zwei Jahre später wird die Patientin durch In-vitro-Fertilisation schwanger und bringt im Februar 2025 ein gesundes Mädchen zur Welt. Es handelt sich um die erste Geburt in Großbritannien nach einer Gebärmuttertransplantation.
Weltweit wurden bisher mehr als 100 Uterustransplantationen durchgeführt und dadurch mehr als 50 gesunde Kinder geboren. Erstmals wurde 2011 an der Akdeniz-Universität in Antalya/Türkei einer Frau mit MRKHS erfolgreich eine Gebärmutter transplantiert, nachdem ein früherer Versuch im Jahr 2000 in einer Klinik in Saudi-Arabien nach 99 Tagen gescheitert war. Das erste Kind nach Transplantation wurde 2014 in Schweden geboren. Die erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland fand 2016 an der Universitätsklinik Tübingen bei einer 23-jährigen Patientin mit MRKHS statt. Die ersten Kinder nach Transplantation kamen dort im März und Mai 2019 zur Welt.
In einer US-amerikanischen Studie wurde untersucht, welche Risiken bei Uterustransplantationen für die Spenderinnen, die Empfängerinnen und die Kinder bestehen. Am Baylor University Medical Center in Dallas wurden von September 2016 bis August 2019 insgesamt 20 Uterustransplantationen durchgeführt, davon waren 18 Lebend- und zwei Todspenden. Die Empfängerinnen erhielten so lange eine Immunsuppression, bis die transplantierte Gebärmutter nach ein oder zwei Lebendgeburten oder nach einem Transplantatversagen entfernt wurde. Sechs Transplantate gingen in den ersten zwei Wochen aufgrund von Problemen mit den Gefäßanastomosen oder durch Abstoßungsreaktionen verloren. Eine Frau wurde postoperativ wieder hysterektomiert, da es zu massiven Blutungen kam. Uterustransplantationen werden als komplizierte und mit langen Operationszeiten verbundene Eingriffe beschrieben.
Bei 14 Frauen waren die Transplantationen erfolgreich und es kam zu 24 Schwangerschaften. Alle Frauen bekamen mindestens ein Kind, insgesamt wurden 16 Lebendgeburten verzeichnet, alle per Kaiserschnitt. Bei sechs Frauen wurde die Gebärmutter anschließend entfernt, bei sieben Frauen wurde die Hysterektomie zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt. Bei einer Frau bestand weiterhin ein Kinderwunsch.
Bei einer Geburt mittels Uterustransplantation müssen demnach mehrere operative Eingriffe geplant werden, zusätzlich mögliche chirurgische und medizinische Komplikationen bei Spenderin und Empfängerin. Ereignisse bei den Spenderinnen waren u.a. Dehiszenz der Vaginalmanschette oder Verletzung der Ureteren. Bei 11 von 20 transplantierten Frauen trat mindestens eine Komplikation auf, wobei die häufigsten Komplikationen eine Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, eine Zervixinsuffizienz und vorzeitige Wehen waren. Eine Immunsuppression wurde zwischen 12 Monaten und über vier Jahre durchgeführt. Neun Patientinnen zeigten mindestens eine akute Abstoßungsreaktion mit notwendigen Dosissteigerungen, die wiederum bei einer Patientin eine Nierenschädigung verursachte.
Bei den 16 Kindern wurden keine kongenitalen Fehlbildungen diagnostiziert. Bei einem Kind wurden zunächst Entwicklungsverzögerungen beobachtet und im Alter von 24 Monaten eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert, was bei der später geborenen Schwester nicht der Fall war. Zwei weitere Kinder hatten im Alter von 18 Monaten leichte kognitive Störungen, die bei späteren Untersuchungen deutlich abgeschwächt waren.
Leihmutterschaft ist eine weitere Option, um sich den Wunsch nach einem biologisch eigenen Kind zu erfüllen, falls eine Frau selbst keine Kinder austragen kann. Durch In-vitro-Fertilisation werden die genetischen Anlagen auf eine andere Frau übertragen, die als sogenannte Leihmutter stellvertretend die Schwangerschaft übernimmt. Hierbei war Großbritannien 1985 als erstes Land Geburtsort der ersten Leihmutterschaft. Bisher kann dieser Weg nur über das Ausland eingeschlagen werden, denn in Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetzt sowohl die Eizellspende als auch eine Leihmutterschaft.
Altruistische Leihmutterschaft ist u. a. in Belgien, Niederlande und Schweden erlaubt, eine kommerzielle Variante in einigen US-Staaten, Indien und in der Ukraine. Gerade die kommerzielle Version stößt auf ethische Bedenken, da eine Ausbeutung von wirtschaftlich benachteiligten Frauen befürchtet wird. Die Idee der künstlichen Gebärmutter beruht auf dem Versuch, Embryonen außerhalb des Uterus möglichst lange künstlich zu entwickeln. Im Jahr 2017 haben Wissenschaftler des Children’s Hospital of Phialdelphia (CHOP) ein erstes Modell vorgestellt: In einem Behälter mit künstlichem Fruchtwasser entwickelten sich erfolgreich Lammfeten, deren künstlicher Uterus aus einem pumpenlosen arteriovenösen Kreislauf, einer geschlossenen sterilen Flüssigkeitseinheit und einem umbilikalen Gefäßzugang bestand.
Übertragungen auf den Menschen sind zwar theoretisch denkbar, laut den Forschern ginge es aber in erster Linie darum, die Chancen von frühgeborenen Kindern zu verbessern. Die Medizinethiker Ralf Jox und Rouven Porz beziehen dazu in ihrem Buch kritisch Stellung: „Die Erfindung der künstlichen Gebärmutter wird uns in Zukunft vor hochkomplexe ethische Grundsatzfragen stellen.“
Frauen ohne Gebärmutter sind nicht zwangsläufig vom Glück leiblicher Kinder ausgeschlossen. So werden Uterustransplantationen weltweit immer erfolgreicher durchgeführt und gehören auch in Deutschland bereits zum Repertoire von Experten. Leihmutterschaft ist laut Embryonenschutzgesetzt verboten und bisher nur über das Ausland möglich. Um die künstliche Gebärmutter wird geforscht – das könnte in Zukunft zu medizinethischen Diskussionen führen.
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