Als niedergelassene Ärztin stelle ich mir immer wieder die Frage: Alleine die Praxis schmeißen oder Kollegen anstellen? Warum Geld am Ende keine Rolle für meine Entscheidung gespielt hat – bisher zumindest.
Unter einem meiner letzten Artikel fand ich folgenden Kommentar: „Entgegen häufiger Behauptungen ist das Lukrativste die Einzelpraxis als Hausarzt.“
Kurzum: Das ist (wenn man als Referenz die einzelne Praxis nimmt) höchstwahrscheinlich wahr – vermutlich am ehesten, wenn man ausschließlich Vollzeitkräfte beschäftigt. Ich habe fast nur Teilzeitler, weshalb es sich bei mir mit vier angestellten Ärzten schon fast nach einem kleinen MVZ anhört. Und das, obwohl man die gesamte Arbeitszeit meiner Angestellten auf ungefähr zwei Vollzeitäquivalente umrechnen könnte.
Wäre es also besser, wenn ich die Praxis sukzessive zurechtschrumpfe und sie als kleine Einzelpraxis weiterführe? Ich sehe da noch mehr Aspekte als das rein Finanzielle, weshalb ich diese Umwandlung in eine Einzelpraxis derzeit nicht anstrebe – auch wenn mich die Bürokratie, die exponentiell zunimmt, wenn man Mitarbeiter einstellt, teilweise zum Wahnsinn treibt.
Finanziell: Die Anstellung von Fachärzten ist schnell ein wirtschaftlicher Totalschaden. Ich habe glücklicherweise Angestellte, die zügig arbeiten und viele Patienten im HZV, sodass ich halbwegs finanziell klarkomme. Und letztlich ist ein Weiterbildungsassistent auch eine Möglichkeit, für kleines Geld zusätzliche Arbeitskraft zu bekommen. Denn der wird subventioniert und verdünnt damit die Kosten, wenn man – wie ich – alle nach Tarif bezahlt. Ich achte sehr auf eine gute Weiterbildung, bin für Fragen jederzeit verfügbar und gebe auch anhand des Tagesprotokolls jeweils Rückmeldung, wenn mir dort Dinge auffallen, die man klären sollte. Ich glaube also, dass der Weiterbildungsassistent auch davon profitiert. Ich habe jetzt mehrfach von Weiterbildungsassistenten gehört, die nur die Förderung durchgereicht bekommen und dafür dann so viel arbeiten, wie sie wollen – aber das finde ich massiv unethisch und oft wird dabei die Weiterbildung total vernachlässigt.
Wenn ich alleine arbeiten würde, hätte ich nur die MFA-Kosten und müsste ärztlich nur meinen eigenen Stundenlohn erwirtschaften. Das wäre höchstwahrscheinlich einfacher und letztlich billiger. Rein finanziell gewinnt also die Einzelpraxis.
Bürokratie/Organisatorisches: Der bürokratisch/organisatorische Aspekt ist auch ein eindeutiger Sieg für die Einzelpraxis mit möglichst Nur-Vollzeitlern: Wenn ich überlege, was man alles beachten muss … sowohl offizielles wie z. B. arbeitsmedizinische Vorsorge, die ich ja pro Person zahle (d. h. bei einer Teilzeitkraft werde ich bestraft, weil sie nur halb so viel arbeitet, aber die Untersuchung ja voll kostet) als auch andere Dinge wie Mitarbeiter-Gespräche, Geschenke zu Geburtstag und Weihnachten. Und man muss auch wirklich separate Teamgespräche stärker beachten, weil man nicht einfach mittags mit allen in der Küche „mal eben“ was besprechen kann.
Patientenversorgung: Wenn ich aber mal von meiner individuellen Situation absehe, punktet die Teampraxis: Unsere Praxis hat (außer zu offiziellen Feiertagen und beim Betriebsausflug) quasi immer offen. Wenn ich im Urlaub bin, können meine Kollegen nahtlos die Behandlung übernehmen und auf alle Unterlagen zurückgreifen.
Das ist für meine Patienten ein unschätzbarer Vorteil, den wir auch oft zu hören bekommen, wenn Vertreterpatienten mal wieder bei uns sitzen (oder gar wechseln wollen, weil ihr Hausarzt schon wieder in Urlaub ist). Das heißt nicht, dass ich den Kollegen den Urlaub nicht gönne – aber für die Kontinuität der Patientenversorgung ist es einfach besser, wenn immer ein Ansprechpartner mit sämtlichen Unterlagen verfügbar ist. Und auch wir Ärzte sind ja vor Krankheit nicht gefeit und dann ist es besser, wenn jemand verfügbar ist – was auch unser Krankenhaus bestätigt. Als wir letztes Jahr einmal ein paar Tage wegen Umbaus zumachen mussten (mit organisierter Vertretung), sagte uns der Leiter der Notaufnahme sofort, dass „man das in der Notaufnahme gemerkt hätte“.
Schnelle Zweitmeinung: Das andere Argument, das sehr für eine Praxis mit mehreren Ärzten spricht, ist die Möglichkeit einer Zweitmeinung aus dem Nebenzimmer. Jeder von uns hat eigene Stärken und wenn man selbst unsicher ist, kann man kurz jemanden dazuholen und mit draufschauen lassen. Das hilft oft. Oder man kann ohne größeren Aufwand mittags nochmal einen Befund aufrufen und gemeinsam besprechen. Letztlich nützt es sogar bei uns als eine Art Mini-Balint-Gruppe, wenn man ein arg belastetes Verhältnis zu einem Patienten hat und irgendwie keinen Zugang findet. Dann bietet die Gruppe häufig einen hilfreichen Input. Auch kann man sich einfach mal Luft machen, wenn man durch einen Verlauf sehr belastet ist.
Fortbildung/Austausch: Ähnlich gelagert, für mich aber emotional schon ein eigener Punkt: Jeder hört auch mal andere Fortbildungen und bekommt Input von außen. Ich hab zuletzt in den Palliativ-Seminaren einiges gelernt, das wir dann häufig auch mal nach der Sprechstunde besprochen haben – das können andere Kollegen dann übernehmen. Eine weitere Kollegin hatte nochmals andere Themen von ihrer Fortbildung mitgebracht und auch so bekommt man immer wieder schnelle Wissens-Häppchen, die meiner Meinung nach die eigene Versorgung bereichern.
Für mich überwiegen aktuell emotional diese weicheren Vorteile der Teampraxis gegenüber der Einzelpraxis. Das ist aber sicherlich individuell zu diskutieren und für manche passt es einfach besser, für sich allein zu arbeiten. Deswegen bleibe ich erstmal bei meiner Teampraxis – frei nach dem Zitat: „Alleine ist man stark, gemeinsam unschlagbar.“
Bildquelle: Onor Mopos, Unsplash