Eine 31-Jährige liegt im Sterben. Die Ärzte versuchen alles: Defibrillation, Reanimation, Beatmung. Bei der Blutabnahme macht sich ein seltsamer Geruch breit – plötzlich werden die Ärzte bewusstlos. Was ist passiert?
Es ist der 19. Februar 1994: Im Riverside General Hospital in Kalifornien herrscht helle Aufregung. Der Zustand der 31-jährigen Gloria Ramirez verschlechtert sich rasant, sie bekommt kaum noch Luft.
„Sie muss auf Intensiv!“
Kurz darauf überschlagen sich dort die Ereignisse: Ihr Herz bleibt stehen, Defibrillation, Reanimation, Beatmung … Blut wird abgenommen. Und plötzlich geschehen unheimliche Dinge. Die Patientin verströmt einen seltsamen Geruch, ihre Haut wirkt auf einmal wie eingeölt. Die Spritze mit Blut riecht nach Ammoniak.
„Was ist hier los?!“, ruft eine Krankenschwester. Aus dem Augenwinkel sieht sie noch merkwürdige Strukturen, die im Spritzenblut schwimmen – bevor alles verschwimmt und sie bewusstlos wird. Sie bemerkt nicht mehr, dass kurz darauf weitere Mitarbeiter kollabieren …
Blutbad mit Folgen. Credit: cerebrodigital.net
Was ist hier passiert? Die Patientin litt an einem fortgeschrittenen Cervixkarzinom und nahm verschiedene Schmerzmittel, unter anderem auch eine Creme die Dimethylsulfoxid (DMSO) enthielt. Möglicherweise hat sich diese Substanz unter dem Einfluss vom Sauerstoff der Beatmung und der Defibrillation in das hochgiftige Dimethylsulfat umgewandelt, was die Symptome beim Personal auslöste. Im Anschluss wurden Blutproben untersucht und die Ereignisse wurden umfangreich aufgearbeitet. Restlos aufgeklärt wurde das Mysterium der „Toxic Lady“ jedoch nie.
Kann Blut wirklich so gefährlich sein? Fälle wie dieser sind eine absolute Rarität, ebenfalls selten sind schwerkranke Patienten mit hämorrhagischen Fiebern wie Ebola, bei denen jede Körperflüssigkeit hochkontagiös ist. In den meisten Fällen sind Keime im Blut für die Umwelt ungefährlich, aber für den Patienten potentiell lebensbedrohlich. In meinem letzten Artikel habe ich über die Diagnostik von Blutstrominfektionen gesprochen – heute geht es weiter: Welche Erreger sollte jeder kennen?
Die kugelförmigen Staphylokokken kommen auf Haut und Schleimhäuten vor. Gelangen Sie ins Blut, muss man bei den Blutkultur-Ergebnissen genau hinschauen: Die sogenannten Koagulase-negativen Spezies wie Staphylococcus epidermidis sind oft (aber nicht immer) eine Kontamination. Staphylococcus aureus (MSSA) dagegen ist ein gefährlicher Erreger mit unangenehmen Eigenschaften: Er kann Biofilme auf Fremdmaterial bilden, hat diverse Virulenzfaktoren und kann Resistenzen entwickeln, wie der bekannte Methicillin Resistente Staphylococcus Aureus (MRSA). Der auch nur einmalige Nachweis ist immer ernst zu nehmen und ein infektiologischer Notfall!
Bei einer Staphylococcus Aureus-Blutstrominfektion muss sofort gehandelt werden. Diese ist entweder Anzeichen einer zugrunde liegenden schweren Organinfektion (z.B. Osteomyelitis, Weichteilabszess, Endokarditis) oder eine Einschleppung von außen – z. B. über liegende Gefäßkatheter oder Wunden. Eine essenzielle Frage ist daher: Wo ist der Fokus, also die Quelle der Infektion? Diese muss gefunden und saniert werden, sonst drohen Streuung in andere Organe, Sepsis und Tod – nach aktuellen Daten sterben nach 3 Monaten 27 %, nach 1 Jahr 30 % der Betroffenen.
Ein S. aureus in der Blutkultur – jetzt heißt es handeln. Credit: Jakob Schröder
Wie gehe ich vor:
Candida Spezies sind bei gesunden Menschen harmlose Bewohner des Gastrointestinaltrakts. Bei Risikofaktoren wie langer Antibiotikatherapie, Abdominal-OPs und Immunsuppression werden sie zur Gefahr. Gelangen diese Pilze in die Blutbahn, ist das ebenfalls ein infektiologischer Notfall: die Mortalität einer Candida-Blutstrominfektion liegt bei 25–50 %. Hier gibt es oft erhebliche Wissenslücken, die einen Candida-Nachweis in der Kultur als „Verunreinigung“ werten – mit fatalen Folgen.
Das Management hat viele Gemeinsamkeiten mit einer Staphylococcus aureus Blutstrominfektion. Auch hier ist die Fokussuche essenziell (häufig liegende Katheter!), zudem ist diagnostisch ein augenärztliches Konsil Pflicht, um die mit 10 % recht häufige Candida-Retinitis zu erkennen. Man muss ebenfalls eine komplizierte von einer unkomplizierten Infektion unterscheiden. Die Therapiedauer beträgt bei unkomplizierten Blutstrom-Infektionen 14 Tage, bei komplizierten Infektionen wird individuell je nach Fall entschieden, klare Vorgaben gibt es hier nicht. Therapiert wird mit Echinocandinen wie Caspofungin oder Rezafungin. In Einzelfällen kann die Therapie im Verlauf auf orale Gabe von Azolen umgestellt werden.
Aktuell ist E. coli noch vor MSSA der häufigste Erreger von Blutstrominfektionen und tritt häufig als hämatogene Streuung einer urogenitalen Infektion wie einer Pyelonephritis auf. Weitere relevante gramnegative Erreger sind Pseudomonas aeruginosa und Klebsiella pneumoniae – sie können z. B. bei Pneumonien hämatogen streuen. Ist die Ursache nicht klar, sollte man sich auch hier Gedanken über den Fokus machen. Bei gramnegativen Erregern therapiert man nach Antibiogramm, mehrere aktuelle Studien weisen den Trend zu kürzeren Therapiedauern, sodass in der Regel 7–10 Tage ausreichend sind. Verlaufsblutkulturen sind nicht zwingend erforderlich.
Bei fiebernden Reiserückkehrern aus den Tropen findet sich auch gelegentlich Salmonella Typhi im Blut, was in der Regel mit Drittgenerations-Cephalosporinen therapiert werden kann. Bei den zunehmenden multiresistenten gramnegativen Erregern wie 3MRGN Pseudomonas oder Carbapenem-resistente Enterobacterales wird es kompliziert. Hier kommen teilweise Reserveantibiotika wie Ceftazidim/Avibactam zum Einsatz.
Für alle Blutstrominfektionen gilt: Ein infektiologisches Konsil macht immer Sinn.
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