Wie oft habt ihr schon Blutkulturen entnommen – und ungewollt ein Blutbad dabei angerichtet? Wie ihr diese und andere Hindernisse bei der Diagnose von Blutstrominfektionen überwindet, erfahrt ihr hier.
Eine Mutter steht mit strenger Miene vor ihrem Kind: „So, du hast jetzt eine Wunde am Finger. Wenn sich da ein blauer Streifen bildet, dann wird es gefährlich! Wenn dieser Streifen länger wird und Richtung Herz wandert, hast du eine Blutvergiftung – daran kann man sterben!“ Das Kind blickt mit weit aufgerissenen Augen erschrocken auf seine Hand. Aktuell ist kein Steifen sichtbar.
Eine Wunde und ein roter Streifen – Blutvergiftung? Credit: medicalnewstoday.com
Vielleicht kennt der eine oder andere diese Geschichte aus der eigenen Kindheit. Der pädagogische Wert solcher Aussagen sei mal dahingestellt … aber wie sieht es denn medizinisch aus?
Wie Vieles hat auch diese Geschichte einen wahren Kern: Hier geht es nicht direkt um eine Blutvergiftung, sondern vermutlich um eine Thrombophlebitis, also eine entzündete Vene, die man anhand eines Streifens im Verlauf tatsächlich sehen kann. Die Blutvergiftung ist nicht das gleiche, aber natürlich können aus einer fleißig Bakterien verteilenden Thrombophlebitis eine Blutstrominfektion und eine Sepsis werden. Beides sind prinzipiell eigenständige Krankheitsbilder, die aber eng miteinander verwoben sind – heute soll es um die Blutstrominfektion an sich gehen.
Ist das ein Problem? Ja, definitiv. Die Anzahl an Blutstrominfektionen in Europa liegt bei über 1 Million/Jahr, wobei die tatsächlichen Zahlen viel höher sein dürften. Eine Blutstrominfektion kann sowohl durch von außen eingeschleppte Erreger (z. B. über Gefäßkatheter) entstehen, als auch durch hämatogene Streuung von Organinfektionen. Pneumonien z. B. streuen in ca. 30 % der Fälle die Erreger in die Blutbahn – das eröffnet auch Möglichkeiten zur Diagnostik, da der Nachweis im Blut oft leichter ist als im betroffenen Organ.
Aber von vorne. Wie diagnostiziert man Blutstrominfektionen? Mit Blutkulturen! Jeder kennt die bunten Flaschen, jeder hat vermutlich auch beim Befüllen und Entlüften (dazu später mehr) schon mal ein größeres ungewolltes Blutbad durch abspringende Kanülen etc. verursacht … Blutkulturen sind fast überall verfügbar, sie sind günstig und liefern bei korrekter Anwendung zuverlässige Ergebnisse, nämlich den in der Kultur gewachsenen Keim einschließlich Antibiogramm. Damit kann man die Patienten gezielt therapieren, reduziert Resistenzentwicklungen, rettet in vielen Fällen und spart sogar Kosten durch kürzere Liegedauern. Macht man es falsch, bekommt man entweder gar kein Ergebnis (fatal) oder eine Kontamination, die schwer einschätzbar ist (eventuell ebenfalls fatal). Das Kontaminationsrisiko ist eines der größten Probleme, weiterhin sind auch die Beeinflussung durch eine laufende Antibiotikatherapie und die Dauer bis zum Ergebnis relevante Nachteile des Verfahrens.
Die korrekte Anwendung ist daher essentiell:
Sensitivität von Blutkultur-Sets abhängig von der Abnahmemenge. Credit: Nordlab.de
Freitagnachmittag. Das Labor ruft an: „Grampositive Kokken in einer Blutkultur.“ Und jetzt? Die Einordnung von Blutkulturergebnissen ist nicht trivial. Bei der Auswertung helfen folgende Grundätze:
Bei erfolgter Abnahme aus liegenden Kathetern (z. B. einem Port oder einem ZVK) spielt die sogenannte „Differential Time To Positivity“ eine große Rolle: Wird die Kultur aus dem Port zuerst positiv, ist dieser vermutlich infiziert und die Quelle allen Übels – man spricht von einer Katheter-assoziierten Infektion. Wird zuerst die periphere Kultur positiv und der Port dann mit Verzögerung, werden die Keime aus einer anderen Quelle dann eben auch im Port sichtbar.
Die nächste Frage ist: Wie krank ist der Patient und welche Risikofaktoren hat er? Immunsupprimierte Patienten – zum Beispiel nach Organtransplantation, unter hochdosierter Steroidtherapie oder auch einer unbehandelten HIV-Infektion – sind deutlich gefährdeter, auch durch sonst „harmlose“ Erreger schwere systemische Infektionen zu bekommen.
Weiterhin spielt auch der nachgewiesene Keim eine Rolle: Erreger wie Staphylococcus aureus, Meningokokken und Pneumokokken im Blut erfordern immer eine Reaktion. Das gleiche gilt für Pilze: Candida Spezies und Aspergillus haben im Blut nichts zu suchen und sind akut lebensbedrohlich!
Einige Erreger wie Bacillus spp. (nicht Bacillus anthracis!) haben bei immungesunden Patienten meist keine Relevanz. Schwierig wird es bei Koagulase-negativen Staphylococcus Spezies: Erreger wie Staphylocuccus epidermidis verursachen als Hautkeime sehr häufig Kontaminationen, können aber gelegentlich auch Prothesen- oder Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen verursachen.
Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, VOR einer empirischen Antibiotikatherapie (in diesem Fall oft mit Vancomycin spiegelkontrolliert) erneut sauber Blutkulturen abzunehmen. Bleiben diese vollständig steril, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Kontamination der ersten Entnahme auszugehen. Wird der gleiche Keim wieder nachgewiesen, ist die Infektion weitestgehend bestätigt.
Und bei weiteren Unsicherheiten hilft ein infektiologisches Konsil.
Fazit:
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