Das Vertrauen in die Regierung ist offiziell verloren – ebenso wie die Hoffnung auf die Umsetzung geplanter Maßnahmen im Gesundheitssektor. Was jetzt auf dem Spiel steht.
Als am Abend des 6. November 2024 das Licht der Ampel-Koalition erloschen ist, befanden sich etliche Gesetze des Gesundheitsbereichs in der Pipeline. Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz hat knapp noch alle Stationen der Legislative – Bundestag und Bundesrat – passiert. Es tritt zum 1. Januar 2025 in Kraft. Für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, die Notfallreform, das Digitalagenturgesetz bzw. das Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit sieht es jedoch reichlich düster aus. Hausärzte müssen erneut auf dringend notwendige Reformen warten.
Sozialdemokraten sind zwar optimistisch, ihre Gesetzesinitiativen noch zum Abschluss zu bringen. So erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, man werde „im Parlament alles dafür tun, Mehrheiten zu organisieren, um das Notwendige im Interesse des Landes auf den Weg zu bringen“.
Doch Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der koalitionsbrüchigen FDP im Bundestag, machte klar, seine Partei könne sich nicht vorstellen, Vorhaben von SPD und Grünen zuzustimmen. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, wird noch deutlicher. Er sagt, für das Gesundheitswesen sei „die Legislatur beendet“.
Insbesondere das „Hausärztegesetz“, sprich das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), sollte Verbesserungen mit sich bringen, vor allem durch die Entbudgetierung. Weitere Elemente der Reform waren eine jahresbezogene Versorgungspauschale im EBM für chronisch Kranke. Auch sogenannte Hybrid-DRGs sollten enthalten sein, um bestimmte Leistungen in der ambulanten und stationären Versorgung gleich zu vergüten – mit dem Ziel, ambulante Behandlungen zu fördern.
Im MDR-Hörfunk erklärte der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, er habe kein Verständnis dafür, wenn dieses Gesetz, zu dem eigentlich alle demokratischen Parteien Zustimmung signalisiert hätten, aus „wahltaktischen Gründen“ nicht den Bundestag passieren könne. Ohne diese Reform würden wohl immer mehr Hausarztpraxen dauerhaft schließen, erklärte Beier zusammen mit seiner Co-Vorsitzenden Nicola Buhlinger-Göpfarth.
„Das politische Versprechen, die Honorarbudgets für die hausärztliche Versorgung abzuschaffen, muss eingelöst werden“, fordern auch die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.
Damit nicht genug: Auch das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallG) wird womöglich nicht mehr das Licht der Welt erblicken, zumindest nicht in dieser Legislaturperiode. Im Entwurf finden sich integrierte Notfallzentren mit Notaufnahme eines Krankenhauses und KV-Notdienstpraxis. Vor Ort entscheiden Teams, ob Patienten stationär aufgenommen oder ambulant behandelt werden. Das erklärte – und mehr als notwendige – Ziel war, Notaufnahmen und nicht zuletzt Krankenhäuser zu entlasten.
Nicht zuletzt wollte Lauterbach den Rettungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich im Sozialgesetzbuch verankern und somit stärken. Bundeseinheitliche Mindeststandards waren ein weiterer Aspekt des NotfallG. Doch es sieht düster aus.
In der Gesundheitspolitik gibt es darüber hinaus noch etliche Baustellen. Eigentlich sollten mit dem Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz, GHG) Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert werden, größtenteils im ambulanten Bereich. Vorgesehen war u.a. ein Anspruch auf erweiterte Leistungen zur Früherkennung von Fettstoffwechselerkrankung. Streit gab es nach der ersten Lesung bei Fragen der Finanzierung. Ob neue Maßnahmen zur Früherkennung nun Gesetz werden, ist fraglich.
Für Niedergelassene ist der Stillstand mehr als ärgerlich. Doch in einem Fall hätten sich viele Kollegen sicher gewünscht, dass die Gesetzgebung scheitert. Es geht um die elektronische Patientenakte (ePA). Laut einer Umfrage im PraxisBarometer Digitalisierung 2024 sehen sie in der Technologie nur eine geringen Nutzen, aber einen hohen Zeitaufwand.
Doch die ePA wird kommen. „Wie geplant werden ab 15. Januar ePA durch die Kassen eingeführt“, schreibt Lauterbach auf X (Twitter). „Innerhalb eines Monats bekommt jeder seine ePA (…). Hochladen neuer Befunde ab März.“
Wie geht es aber mit den anderen Gesetzen im Gesundheitsbereich weiter? Bundeskanzler Olaf Scholz warnt vor Stillstand bis zu den Neuwahlen und fordert die Opposition auf, mit SPD und Grünen zusammenzuarbeiten. Er denkt dabei aber an Themen wie die Einkommensteuer-Reform, die Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag bzw. die Verlängerung des Deutschlandtickets, nicht jedoch an Gesetze im Gesundheitsbereich.
Da es auch Pläne gibt, mehrere Sitzungswochen des Bundestages im kommenden Jahr vor der Neuwahl ausfallen zu lassen, ist fraglich, welches Gesetzesvorhaben es noch bis in die Ziellinie schaffen.
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