Die Wartezimmer sind voll, das Budget zu schnell aufgebraucht: Die Lage für Hausärzte ist angespannt. Jetzt macht Karl Lauterbach endlich Schluss mit den Honorarobergrenzen – warum sind so viele Ärzte trotzdem wütend?
Viele Hausarztpraxen sind es leid: Nicht endende Dauerbelastung, zu viel Bürokratie und eine ungerechte Bezahlung zehren die Niedergelassenen aus – finanziell wie mental. Jetzt reagiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Druck und lieferte am Dienstag (9. Januar 2024) im Krisengipfel mit Ärzteschaft und Krankenkassen in Berlin gewaltige Versprechen. Überzeugen kann er mit seiner „großen Honorrarreform“ längst nicht alle Ärzte. Der Virchowbund spricht sogar von einem „Versuch, die Ärzteschaft zu spalten“.
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Geplant ist nicht weniger als das Vergütungs-System hausärztlicher Leistungen drastisch umzubauen: So kündigte Lauterbach erneut das Ende der Budgetierung für Hausärzte an. Das Vorhaben an sich ist nicht neu – die Ampel-Koalition hatte den Schritt bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Jetzt ist aber der konkrete Fahrplan da: Noch im Januar soll der Gesetzentwurf dazu – als Teil des Versorgungsstärkungsgesetz I – auf dem Tisch liegen.
Außerdem kündigt Lauterbach eine hausärztliche Vorhaltepauschale an sowie eine jahresbezogene Versorgungspauschale für chronisch erkrankte Patienten, um die ohnehin überfüllten Praxen mit weniger formalen Besuchen zu entlasten.
„Wir werden dafür sorgen, dass viel weniger Menschen in die Praxen kommen müssen, dass entbürokratisiert wird und dass die Praxis auch attraktiver werden wird als Arbeitsort“, so der Gesundheitsminister zu seinen Plänen im ZDF-„Morgenmagazin“.
Vor allem in Sachen Entbudgetierung wurde seitens der Ärzteschaft schon länger Druck gemacht – der Frust gipfelte in Protesten und Praxisschließungen zum Jahresende 2023 (wir berichteten). Bei Kinderärzten wurde der existierende Honorar-Deckel bereits im vergangenen Jahr aufgehoben. Das Problem: Wegen der Budgets mache es für Hausärzte wirtschaftlich oft keinen Sinn, neue Patienten aufzunehmen, kritisierte der Virchowbund. „Weitere Patienten lösen in der Praxis Kosten aus, die der Arzt aus eigener Tasche finanzieren muss.“
Mit Lauterbachs Honorar-Reform soll sich die finanzielle Lage für Hausärzte deutlich entspannen. So sehen seine geplanten Schritte im Überblick aus:
Aber: Es soll für sie Entlastung durch einen fast vollständigen Verzicht auf Arzneimittelregresse geben. Lauterbach rechnet damit, dass mit der Reform 80 Prozent der bisherigen Regressfälle entfallen.
„Der Krisengipfel war nicht der große Durchbruch“, so das Fazit des SpiFa-Vorstandsvorsitzenden Dr. Dirk Heinrich. „Als Konsequenz müssen Deutschlands Fachärztinnen und Fachärzte im Interesse ihrer Patientinnen und Patienten auch weiterhin im Protestmodus bleiben.“Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte die Seite neu laden.
Auch für den Virchowbund gehen die Pläne des Bundesgesundheitsministers nicht weit genug: Die Zusagen seien „unvollständig und viel zu vage“, außerdem einseitig. „Die hausärztliche Versorgung zu fördern und die Fachärzte weiterhin zu ignorieren“, sei ein „Versuch, die Ärzteschaft zu spalten“, erklärte der Virchowbund in einer Pressemitteilung. Es liege auf der Hand, dass Lauterbach die Fachärzte auf mittlere Sicht in den Krankenhäusern sehe statt in deren Praxen. „Eine fachärztliche Grundversorgung wird es dann im bisherigen Umfang nicht mehr geben“, so seine Befürchtung.
Ähnlich ist das Echo bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Sie sieht mit der Entbudgetierung zwar erste „Lichtblicke“, zeigt sich aber insgesamt enttäuscht. Vor dem Hintergrund der drängenden Probleme der ambulanten Versorgung hätte sich die KBV „deutlich konkretere Lösungs- und Umsetzungsschritte gewünscht“. Sie fordert, dass im nächsten Schritt die Entbudgetierung der Fachärzte rasch folgen müsse.
Auch bei der Digitalisierung gebe es noch zu viele Fragezeichen, außer vagen Ankündigungen bleibe auch nach dem Krisengipfel noch alles offen. „Wie der Wechsel zu leistungsfähigen Praxisverwaltungssystemen erleichtert und finanzierbar werden soll, ist heute jedenfalls unklar geblieben“, so das Fazit der KBV.
Die gesetzlichen Krankenkassen sehen wenig Grund zum Jubel, sie warnen vor weiter steigenden Ausgaben. „In Zeiten, in denen alle Menschen unter höheren Energiepreisen und der Inflation leiden, ist es nicht angemessen, dass die Honorare zulasten der Beitragszahlenden noch weiter steigen“, sagt GKV-Vorständin Stefanie Stoff-Ahnis.
Lauterbach hält dagegen: In den ARD-Tagesthemen erklärt er, dass die Erleichterungen durch die aktuell steigenden Einnahmen der Krankenkassen finanziert werden sollten. Durch seine Reform würde der Beitragssatz nicht steigen. „Wir haben im Koalitionsvertrag die Entbudgetierung bei der hausärztlichen Vergütung versprochen, die setzen wir um“, verteidigt auch Dagmar Schmidt, Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, die Pläne.
Bildquelle: Mathieu Stern, Unsplash