TEIL 2 | Deutsche Kliniken stehen arg in der Kreide, unabhängig ihrer Trägerschaft. Nur die kommunalen Häuser erhalten aber Steuergeld-Unterstützung – oder? Wir haben uns das mal angeschaut.
In Teil 1 findet ihr einen Überblick über die Situation an kommunalen Kliniken.
Bei den privaten und gemeinnützigen Trägerschaften sieht es auf den ersten Blick anders aus als bei den kommunal geführten Häusern. So melden Sana, Asklepios und Helios in ihren Quartals- bzw. Jahreszahlen positive Bilanzen – gar Wachstum. Entsprechend sind Mittel vorhanden, um den Klinken in Finanznot mal das Kärtchen auf den Tisch zu legen oder die eigenen Häuser zu unterstützen. Die Entwicklung im Detail erkennt man hier.
„Wir nutzen Skaleneffekte, schaffen Synergien und bündeln Know-how. So können wir Prozesse und Produkte standardisieren, hochwertige Produkte zentral einkaufen und damit Kosten optimieren. Wir verfügen außerdem über modernste Logistiksysteme, die eine effiziente Versorgungskette gewährleisten und ein hocheffizientes Zentrallager, aus dem heraus wir die Bedarfe unserer Kliniken bedienen können. Als Systemhaus agieren wir auch als Partner für andere Einrichtungen, denen wir umfassende Dienstleistungen und Expertenwissen anbieten, dazu zählt diverse Kooperationen unserer medizinischen und Service-Dienstleister“, fasst ein Sprecher der Asklepios-Klinikgruppe die Gründe für die positive wirtschaftliche Lage zusammen.
Dass ein zweites Standbein neben der reinen Versorgung ein funktionierendes Modell zu sein scheint, gibt auch ein Sprecher der Sana Kliniken AG gegenüber DocCheck an: „Die Sana Kliniken AG hat schon vor einigen Jahren ihre Strategie dahingehend entwickelt, dass es neben Krankenhäusern noch weitere Geschäftsfelder gibt, so dass unterschiedliche Erlössituationen in den einzelnen Geschäftsfeldern auf das Gesamtergebnis einzahlen. […] 2023 haben wir als Konzern einen Überschuss im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich erzielt. Zu diesem Ergebnis trugen alle unsere Geschäftsbereiche bei. Dabei profitieren wir als Konzern von der Diversifikation unserer Unternehmensaktivitäten über das stationäre Klinikgeschäft hinaus.“
Eine ähnliche Situation weisen die freigemeinnützigen Kliniken des Verbunds Katholischer Kliniken Düsseldorf aus. Neben dem Einsatz von KI, digitalen Lösungen und dem Abbau von Leiharbeit haben die Düsseldorfer „gezielten Leistungsausbau in spezialisierten Bereichen und ambulanter Strukturen sowie durch gezielte Kooperationen [vorgenommen].“ Dazu wurde der „Fokus auf eigene Ausbildung und gezielte Nachwuchsgewinnung sowie Vorantreiben internationaler Pflege [gelegt].“ Doch die Erfolgsgeschichten schreiben nicht alle Kliniken in privater und freigemeinnütziger Hand – ebenso gibt es auch hier Häuser, die am Limit sind oder gar insolvent gehen, wie das Beispiel in Hildburghausen zeigt.
In Thüringen zeichnete sich ein Bild, das man ebenfalls vielerorts in Deutschland sieht. Anfang des Jahres meldete die gemeinnützige Regiomed Holding Insolvenz an. Betroffen waren Kliniken, Reha-Zentren, Rettungsdienste und Seniorenheime im Raum Hildburghausen, Sonneberg, Lichtenfels und Coburg. Die Mitarbeiter, zwischenzeitlich bereits vom Arbeitsamt bezahlt, protestierten gegen mögliche Übernahmen von Helios oder Sana – man wollte in kommunale Trägerschaft übergehen. Stand heute weiß man: Während dies in den bayrischen Liegenschaften nicht gelang, haben der Kreis – aka die Steuerzahler – in Hildburghausen erfolgreich übernommen. Für ein Darlehen von schlappen 6,5 Mio. Euro ging die Klinik über den Tisch – nachdem man bereits im Vorjahr 10 Mio. „Soforthilfe“ überwies. Zuvor hatte ein jährliches Finanzdefizit von 2 Mio. Euro in Hildburghausen ausgereicht, um eine perspektivische Unwirtschaftlichkeit festzustellen. Ob das nun in kommunaler Hand besser wird oder die Stadt sich finanzielles Senkblei ans Bein gebunden hat, wird sich herausstellen – zumal man im 11.000 Seelen-Ort noch auf Unterstützung des Landes hofft. Dass man sich im Finanzdezernat der Stadt bewusst ist über mögliche aufkommende Schwierigkeiten lässt ein Sprecher gegenüber DocCheck heraushören:
„In den [...] Einrichtungen wurden bereits vor der Insolvenz erhebliche Sanierungsmaßnahmen [...] Bspw. wurde die defizitäre Geburtshilfe in der Akutklinik geschlossen. Aufgrund der aktuellen unauskömmlichen Finanzierung des Krankenhausbetriebs ist es gleichwohl notwendig, Kostensenkungs- und Ertragssteigerungspotentiale zu heben. Eine dauerhafte Verlustsituation kann Eigenkapitalmaßnahmen erforderlich machen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass [...] der Landkreis in dem von der Eigenverwaltung angestoßenen Investorenprozess einziger Bieter mit einem qualifizierten Angebot war."
„Natürlich ist es so, dass die finanzielle Herausforderung sehr groß ist. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass der Landkreis eine Klinik braucht, weil die Menschen ganz einfach auch darauf bauen, eine ordentliche Gesundheitsversorgung hier vor Ort zu bekommen“, betont Landrat Sven Gregor (Freie Wähler) die nahezu unfreiwillige Übernahme.
Zuletzt ist der Case Hildburghausen ein Paradebeispiel für kleine und mittlere Krankenhäuser, die derzeit mit dem Rücken zur Wand nach Optionen suchen, um die Insolvenz abzuwenden ohne privatisiert zu werden – und diese letztlich nicht finden. Der Regiomed-Sprecher berichtet DocCheck: „Während des gesamten Verfahrensverlaufes war und ist bis heute nicht absehbar, welche medizinstrategischen Änderungen die Krankenhausreform für einzelne Standorte und Häuser bedeutet. Hintergrund ist, dass der Reform keine Auswirkungsanalyse zugrunde liegt. Für die Restrukturierung von REGIOMED bedeutet dies, dass wir uns auf viele verschiedene Szenarien vorbereiten mussten, um die Versorgung der Bevölkerung zukunftssicher zu machen.“ Ergo: Anderer Ort, andere Dringlichkeit, gleiches (Finanz)Problem, gleiches Ergebnis.
Dass der Case Hildburghausen eher eine Ausnahme darstellt, zeigt die Vehemenz mit der private und freigemeinnützige die kommunale Unterstützung öffentlicher Trägerkliniken kritisieren. Ginge es nach ihnen, müssten auch sie künftig von Steuerzahlern subventioniert werden – ohne, dass alle auf die Barrikaden gehen.
„Die Praxis des einseitigen Verlustausgleichs für kommunale Kliniken darf nach Auffassung der Krankenhäuser in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft so nicht weiter stattfinden. […] Dies ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung“, so ein Verbändestatement. Ein eigens angefertigtes Rechtsgutachten kommt zudem zu dem Schluss, dass „Kommunen, die sich freiwillig für einen Defizitausgleich bei kommunalen Krankenhäusern entscheiden, diesen Anspruch auch gegenüber den freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern erfüllen müssen.“
„Wir erwarten, dass Bund und Länder die Ursachen der wirtschaftlichen Not der Kliniken abstellen. Unsere Forderung ist daher, dass alle Träger in der Krankenhausfinanzierung gleichgestellt werden. Das erfordert eine auskömmliche Finanzierung aller Häuser, die für die Versorgung notwendig sind. Bei wirtschaftlicher Unternehmensführung fallen dann auch keine Defizite an“, erklärt Ansgar Veer, stellv. Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland e. V.
Für den Rentner Karl-Heinz hieße das: Noch ein Euro weniger für die Leberwurststulle – und einer mehr für die privaten Klinikbetreiber.
Die Kliniken in öffentlicher Trägerschaft dürfen sich vielerorts mit einem desaströsen Alleinstellungmerkmal rühmen: Finanznot made in Germany. So sind ausbleibende Investitionszahlungen (Ländersache), ausbleibende Covid-Ausgleichszahlungen und Sonderzahlungen (beides Bundessache) neben Inflation, steigneden Sach- und Personalkosten und belastende Krisensituationen die größten Treiber für rote Zahlen. Noch dazu bettet man sich in maroden Strukturen, kämpft gegen unnötige Mehrfachbelastungen (Stichwort Patientensteuerung) und Personalmangel auf allen Stationen.
Auf der Habenseite steht gleichzeitig: Die große Hoffnung einer umwälzenden Krankenhausreform, die in einem ersten Schritt Strukturen und dann Finanzen neu auf die Beine stellt. „Grundsätzlich sind die Reformgedanken der Politik begrüßenswert, jedoch braucht es auch nachhaltige Finanzierungslösungen, damit Krankenhäuser weiterhin in der Lage sind, die gute Qualität der Behandlungen aufrecht zu erhalten. Die Umsetzung erfordert außerdem eine enge Zusammenarbeit aller Akteure, um eine nachhaltige und zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung sicherzustellen“, beschreibt eine Sprecherin der VKKD sehr diplomatisch den Klinikblick. Fast schon ironisch wirkt dabei, dass auch die Rechnung zur Reform anteilig über die Kassen vom Steuerzahler beglichen wird.
Bis das so weit ist – und vermutlich darüber hinaus – bleibt es aber, wie es in Deutschland treuer Brauch ist: Der Steuerzahler badet aus, was die Politik verpennt. Derzeit sind das 600 Millionen Euro monatlich für alle Kliniken in Deutschland – Tendenz steigend. Wie lange sich angesichts dessen Lauterbachs Mantra einer entökonomisierten Gesundheitswirtschaft halten lässt, bleibt spannend.
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