Letzte Woche haben wir euch nach der Diagnose von drei Kopfschmerz-Fällen gefragt. Ihr habt fleißig kommentiert – heute gibt’s die Auflösung!
Bei Kopfschmerzen gibt es zahlreiche zugrundeliegende Erkrankungen, die als Auslöser in Frage kommen können. Die genauen Umstände und Begleitsymptome zu kennen und richtig einzuordnen, ist deshalb entscheidend. Hier haben wir euch drei Patienten vorgestellt, die alle an Kopfschmerzen, aber nicht an der gleichen Krankheit leiden. Heute verraten wir euch die jeweiligen Diagnosen und Behandlungen.
Die Verdachtsdiagnose ist eine idiopathische intrakranielle Hypertension. Wichtige Differentialdiagnosen sind unter anderem eine Thrombose des Sinus cavernosus, eine intrakranielle Raumforderung, ein Hydrocephalus oder ein Tolosa-Hunt-Syndrom. Falls verfügbar, sollte direkt ein cMRT mit Venographie erfolgen, ansonsten zunächst ein CT mit venöser Darstellung und im Verlauf ein cMRT. Im cMRT liegt in 50–70 % der Fälle ein Empty-Sella-Syndrom als Hinweis auf eine idiopathische intrakranielle Hypertension vor. Ergänzend ist eine augenärztliche Untersuchung mit Augenhintergrundspiegelung notwendig, um ophthalmologische Ursachen auszuschließen und die für die idiopathische intrakranielle Hypertension typischen Stauungspapillen zu erkennen. Die Diagnosesicherung erfolgt durch eine Lumbalpunktion mit Druckmessung und Nervenwasseruntersuchung. Der Liquordruck liegt im Normbereich zwischen 10 und 25 cm H2O. Ab einem Druck größer als 25 cm H2O ist die Diagnose, nach Ausschluss von hirndrucksteigernden Differentialdiagnosen, gesichert.
Die Ursache der idiopathischen intrakraniellen Hypertension ist bis heute nicht geklärt, jedoch liegt eine Assoziation mit Übergewicht und Schwangerschaft vor. Die wichtigste Maßnahme in der Akutsituation ist die Druckentlastung durch Ablassen einer größeren Menge Nervenwasser. Bei Visusminderungen oder Gesichtsfelddefekten sollte diese Maßnahme wiederholt durchgeführt werden bis sich der Druck normalisiert und die Sehstörungen vollständig rückläufig sind. Langfristig muss eine Gewichtsabnahme erfolgen, denn durch diese kann die Erkrankung geheilt werden. Auch bariatrische Eingriffe können nach Ausschöpfen der konservativen Versuche zur Gewichtsreduktion erwogen werden. Bis zum Erreichen von stabil normwertigen Liquor-Eröffnungsdrücken sollte eine begleitende medikamentöse Therapie mit Azetazolamid oder Topiramat erfolgen. In schweren Fällen mit anhaltender Druckerhöhung und Visusminderung kann auch eine Shunt-Anlage, z. B. ein ventrikuloperitonealer Shunt, sinnvoll sein.
Es ergibt sich der Verdacht auf Kopfschmerzen aus dem trigeminoautonomen Formenkreis. Clusterkopfschmerzen gehen überwiegend mit sehr starken attackenartigen einseitigen Kopfschmerzen mit autonomen Begleitsymptomen ipsilateral (Lakrimation, Rhinorrhoe, Hornersyndrom, konjunktivale Injektionen) und ausgeprägter Unruhe einher. Die Attacken dauern 15–180 Minuten an, manchmal begleitet von einem Dauerkopfschmerz. Zwei normalerweise bei Clusterkopfschmerzen wirksame Akuttherapien und eine Prophylaxe waren im beschriebenen Fall ohne Erfolg.
Aufgrund der dauerhaften streng einseitigen Symptomatik und des fehlenden Ansprechens auf die Clusterkopfschmerz-Therapien liegt der Verdacht auf eine Hemicrania continua nahe. Auch die milden autonomen Symptome (Lakrimation) und der undulierende Dauerschmerz sind typisch für diese Diagnose. Die Hemicrania continua ist im Vergleich zum Clusterkopfschmerz seltener und wird häufig erst spät diagnostiziert oder sogar fehldiagnostiziert. Die Ursache der Erkrankung ist bis dato unklar. Bei Verdacht auf eine Hemicrania continua sollte ein Therapieversuch mit Indometacin unter Magenschutz und Blutdruckkontrollen erfolgen. Ein Therapieansprechen ist für die Diagnosestellung obligat.
Aufgrund der Anamnese und des typischen Alters muss hier von einer Riesenzellarteriitis ausgegangen werden. Typische Symptome sind temporale neuartige Kopfschmerzen, schmerzempfindliche Kopfhaut, Schmerzen beim Kauen, B-Symptomatik, Symptome einer Polymyalgia rheumatica, Sehstörungen (Einseitiger oder beidseitiger Visusverlust, Amaurosis fugax) und seltener auch neurologische Defizite bei Beteiligung der hirnversorgenden Arterien sowie Symptome von Ischämien anderer Organsysteme oder einer Aortendissektion. Klinisch können bei vielen Patienten abgeschwächte Pulse der Temporalarterien, eine Verhärtung, Schwellung oder Druckempfindlichkeit der Temporalarterien oder eine Blutdruckdifferenz im Seitenvergleich bei extrakranieller Großgefäß-Beteiligung festgestellt werden. In den meisten – jedoch nicht in allen – Fällen ist laborchemisch eine CRP- und BSG-Erhöhung feststellbar.
Ist eine Diagnostik mittels Sonographie der Temporalarterien oder eine Biopsie nicht unmittelbar möglich, sollte eine Therapie mit Glucocorticoiden eingeleitet werden und die Diagnostik schnellstmöglich ergänzt werden, da die Sensitivität der Untersuchungen mit der Dauer der Glucocorticoid-Therapie abnimmt. Eine Gefäßdiagnostik mit MRA (möglichst 3 Tesla) oder PET-CT kann bei negativen Ultraschall- oder histologischen Befunden und/oder bei V. a. eine Beteiligung der Aorta ergänzt werden. Bei Sehstörungen oder Schlaganfallsymptomatik und V. a. Riesenzellearteriitis muss eine hochdosierte Glucocorticoid-Therapie über 3–5 Tage erfolgen. Langfristig sollte eine Glucocorticoid-Dosis unterhalb der Cushing-Schwelle angestrebt werden. Bei schweren Nebenwirkungen unter der Therapie kann auch eine Therapie mit Tocilizumab (monoklonaler Antikörper gegen IL-6-Rezeptor) oder Methotrexat erfolgen.
Quellen:
May: Tipps und Tricks zur Diagnose und Therapie von Kopfschmerzen. Dtsch Arztebl Int 2018. doi: 10.3238/arztebl.2018.0299
S1-Leitlinie Idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH)
S1-Leitlinie Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen
S2k-Leitlinie Management der Großgefäßvaskulitiden
Bildquelle: Usman Yousaf, Unsplash