Mal eben zur Botox-Behandlung zum Schönheitschirurgen – oder doch lieber zum Arzt für ästhetische Medizin? Am besten zu keinem davon, denn beides sind Fantasietitel ohne fachlichen Hintergrund. Wie kann das legal sein?
Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie oder Arzt für ästhetische und plastische Medizin – zu wem sollte man gehen, wenn man sich etwa einer Botulinum- oder ästhetischen Laserbehandlung unterziehen möchte? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: zu ersterem, denn letzterer muss gar keine Fachausbildung in dem Gebiet haben, er nennt sich einfach so.
Es gibt so einige Fantasietitel im Lande der ästhetischen Chirurgie: Arzt für ästhetische Medizin, Schönheitschirurg und Beauty Doc sind nur einige Beispiele – der Kreativität sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Aber wie ist das überhaupt möglich? „Hierbei wird eine Gesetzeslücke genutzt, die zwar genau vorschreibt, welche staatlich verliehenen Facharzttitel genutzt werden dürfen, aber nicht definiert, welche so ähnlich klingenden Fantasietitel nicht genutzt werden dürfen“, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC).
DGÄPC-Präsident Dr. Helge Jens sieht diese Entwicklung kritisch. Man würde immer häufiger beobachten, dass junge Ärzte sich ohne Facharztausbildung solche Titel selbst verleihen. „Dasselbe Phänomen kann beobachtet werden bei Ärzten, die in der Vergangenheit in einem vollkommen anderen medizinischen Fach eine Facharztausbildung absolviert haben, nun aber auch ästhetisch-plastische Behandlungen und Operationen anbieten“, so Jens weiter.
Jetzt möchte man meinen, Ärzte würden den Unterschied kennen – und dem mag wohl auch so sein. Das große Problem ist aber: Patienten können nicht zwischen einem qualifizierten Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie und einem selbsternannten Arzt für ästhetische Medizin unterscheiden. In einer aktuellen Patientenbefragung gaben das sogar 45,1 % der Befragten an und bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 52,8 %. Das verleitet einerseits viele Patienten dazu, minimalinvasive Eingriffe gar nicht mehr von Ärzten, sondern unterschwellig bei vermeintlich günstigeren Beauty-Dienstleistern durchführen zu lassen (DocCheck berichtete). Andererseits sorgen die unterschiedlichen, für den medizinischen Laien einwandfrei klingenden Berufsbezeichnungen auch bei Patienten, die sich von echten Ärzten behandeln lassen, für Verwirrung.
„Als Fachärzte mit fundierter Ausbildung und fachspezifischen Kenntnissen sehen wir die auf dem Markt gebräuchlichen Betitelungen für Ärzte, die gerne im ästhetisch-plastischen Bereich Fuß fassen würden, aber nicht über die notwendige Facharztausbildung verfügen, sehr kritisch“, sagt Dr. Michaela Montanari, Mitglied des Vorstands der DGÄPC. „Das ist nicht nur ethisch bedenklich, sondern kann unter Umständen für die Patienten auch gefährlich werden“, ergänzt Prof. Detlev Hebebrand, Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC).
Zu einem solchen Fall gibt es mittlerweile sogar einen Beschluss des Landgerichts Bochum. Dem vorläufigen Urteil nach darf das betroffene Unternehmen seine Ärzte ohne Facharztweiterbildung im ästhetisch-plastischen Bereich nicht mehr als „Arzt für ästhetische Eingriffe“ betiteln. „Es [das Landgericht] hielt die Bezeichnung für irreführend, weil sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung hinsichtlich der Qualifikation der beiden Mediziner auslösen könne. Durch die Gesamtgestaltung werde der Eindruck erweckt, sie hätten eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Bereich der plastischen Chirurgie erworben“, so die Begründung.
Das sei ein erster wichtiger Schritt, um in Zukunft irreführende Bezeichnungen unqualifizierter Behandler zu verhindern. Auf eine einheitliche und vor allem gesetzlich abgesicherte Lösung wird man aber vermutlich noch länger warten müssen. Bis dahin können Patienten sich bei einer Checkliste zu Facharzttiteln informieren, welche Bezeichnungen tatsächlich mit dem dahinter vermuteten Fachwissen und der jeweiligen Ausbildung einhergehen.
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