Wiederkehrende Orthopädie-Termine, monatelange Therapien mit regelmäßigen Spritzengaben, andauernde Physiotherapiesitzungen, aber keine Verbesserung der Symptome in Aussicht. Vielleicht handelt es sich nur um eine Kleinigkeit - es könnte jedoch auch etwas weitaus Gravierenderes dahinterstecken: die Alpha-Mannosidose.
Bei der Alpha-Mannosidose handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung aus der Gruppe der sogenannten lysosomalen Speichererkrankungen. Die Prävalenz der Alpha-Mannosidose liegt bei ca. 1-2 von 1.000.000 Menschen, wodurch sie zu den seltenen Erkrankungen gehört.1 Die Betroffenen leiden unter einer Vielzahl an Symptomen, welche sich meist progressiv verschlimmern. Diese können sich bereits im Kleinkind-, jedoch auch erst im höheren Alter manifestieren. Ein klassischer Verlauf lässt sich nicht genau benennen – für jede/n Patient*in ist dieser individuell. Das macht die Diagnosefindung besonders schwer.1–3
Vielen Betroffenen sind auffallende, skelettale Veränderungen und Beschwerden gemein. Darunter fallen bei 90% der Patient*innen die Dyostosis multiplex, aber auch fokale oder sklerotische Läsionen, deformierte Wirbelkörper oder Polyarthropathien können auftreten. Die häufigste Störung der Bewegungskoordination im Zuge einer Alpha-Mannosidose ist die Ataxie. Bei Kindern ist die Entwicklung motorischer Fähigkeiten allgemein verlangsamt, oft werden sie als besonders tollpatschig wahrgenommen. Verursacher dieser Störungen können eine Muskelschwäche, Gelenkprobleme oder Ataxien in Folge einer Hirnatrophie oder demyelinisierenden Erkrankung sein. Neben Anomalien der Gelenke, Myopathie und Muskelhypotonie führt die Krankheit auch zu Störungen in Gehirnarealen, die für motorische Fähigkeiten und Muskelkoordination zuständig sind. In seltenen Fällen erleiden die Betroffenen spastische Paralysen. Die Auswirkungen auf den Bewegungsapparat der Patient*innen verlaufen meist progredient.2–4 Für eine vollständige Auflistung der Symptome klicken Sie hier.
Eine frühzeitige Erkennung der Alpha-Mannosidose ist besonders wertvoll. Nach der Diagnosestellung gibt es verschiedene Therapieoptionen, die es häufig möglich machen, den Verlauf der Erkrankung zu mildern. Symptomatische Ansätze, wie orthopädische Operationen oder Physiotherapien können beispielsweise nötig sein, um die Auswirkungen der Skelettanomalien einzudämmen.2 Durch ganz gezielte, kausale Therapieansätze können außerdem die Leiden der Betroffenen deutlich gelindert und das weitere Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt werden.5–7
Was bedeutet nun ein Leben mit der Diagnose einer Alpha-Mannosidose? Durch die Einschränkungen, die diese Erkrankung - gerade in der Entwicklung von Kindern -, mit sich bringt, sollte darauf gebaut werden, den Kindern das nötige Selbstvertrauen zu vermitteln. Eltern anderer Kinder, Erzieher*innen und Lehrer*innen sollten frühzeitig aufgeklärt werden. Besonders in der schwierigen Zeit der Pubertät brauchen die Kinder häufig Orientierung. Dennoch ist es wichtig, dem Kind die nötige Freiheit zu geben, sich selbst zu entwickeln und an der Situation zu wachsen. Wie auch bei anderen Erkrankungen oder belastenden Situationen können Gespräche mit weiteren Betroffenen helfen.
Die Familienplanung, wenn man selbst an Alpha-Mannosidose erkrankt ist, ist komplex, aber als bewusste Entscheidung möglich. Zunächst empfiehlt sich ein persönliches Gespräch mit einem/r Humangenetiker*in, einem Arzt, einer Ärztin oder einem/r psychosozialen/psychologischen Berater*in. Da Alpha-Mannosidose autosomal rezessiv vererbt wird, hat jedes Geschwisterkind eine 25 %-Chance, ebenfalls an Alpha-Mannosidose zu erkranken. Es hat eine 50%-Chance, das defekte Gen in sich zu tragen, ohne Symptome zu zeigen (asymptomatisch) und eine 25%-Chance, weder betroffen noch ein/e Träger*in der Mutation zu sein.