Menschen mit Insomnie entscheiden sich ganz bewusst gegen das Bett – und für den Bildschirm. Woran liegt’s und was kann man dagegen tun?
Damals, als wir uns noch nach der Sonne gerichtet haben und mit unserer inneren Uhr im Einklang waren, haben wir auch noch besser geschlafen – so zumindest die allgemeine Vorstellung der Zeit bevor der Eroberung der Bildschirme. Aber wie sehr wirken sich Smartphone, Fernseher und PC wirklich auf unseren Schlafrhythmus aus? Bringen sie uns um den wohlverdienten Schlaf, oder schlafen wir einfach nur anders als damals?
Wie in gefühlt allen gesundheitlichen Fragen der letzten Jahre, kann der Einfluss der Covid-19-Pandemie auf den Schlafrhythmus und die Schlafqualität nicht vernachlässigt werden. Denn seit Beginn der Pandemie hat sich unsere Bildschirmzeit nochmal signifikant erhöht – um ganze 2 Stunden pro Tag. Während vor der Pandemie Menschen im Durchschnitt noch 8 Stunden täglich vor Bildschirmen verbrachten, waren es 2022 bereits 10 Stunden.
Das wirkt sich nicht nur auf den Alltag vieler Menschen aus, sondern auch auf ihren Schlafrhythmus – so zumindest die Vermutung einer aktuellen Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) und der FOM Hochschule. Wissenschaftler haben eine repräsentative Befragung unter 2.000 Deutschen durchgeführt und sie zu ihrer täglichen Bildschirmzeit sowie ihrem Schlafverhalten befragt. 1.922 Antworten (976 Frauen, 935 Männer, 11 nicht-binäre Personen, im Alter von 18–85 Jahren) konnten für die Analyse herangezogen werden.
Die Forscher konnten feststellen, dass die meisten Menschen trotz erhöhter Bildschirmzeit merken, dass sie müde werden – sie würden sich aber bewusst gegen den Schlaf entscheiden. „Dies ist eine – bewusste – Ignoranz gegenüber einem uralten biologischen Programm. Laut unseren Daten zeigen dieses Verhalten circa 39 % der Menschen […]. An der Spitze der Gründe für diese Bettzeitprokrastination steht der Fernseher, gefolgt vom Internet“, erklärt Prof. Thomas Kantermann vom iap Institut für Arbeit & Personal der FOM Hochschule.
Die Bildschirme und das damit verbundene Licht halten uns wach und bringen so den circadianen Rhythmus durcheinander. „Eine regelmäßige Schlafverkürzung hat chronischen Schlafmangel zur Folge. Dazu trägt zunehmend auch die abendliche Techniknutzung bei“, sagt Prof. Kerstin Cuhls. Besonders alarmierend seien die hohen Stress- und Sorgenwerte sowie die ebenfalls sehr hohe Bildschirmnutzung vor dem Einschlafen.
Kantermann betont die gesundheitlichen Folgen, die durch ein solches Durcheinanderbringen der biologischen Uhr entstehen könnten. „Es gibt nicht die Störung der Gesundheit, die exklusiv durch eine Störung der inneren Uhr bedingt ist. Es ist vielmehr so, dass übliche Volkskrankheiten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auftreten, wenn die innere Uhr herausgefordert ist. Vor allem dann, wenn eine Herausforderung lange anhält.“ Eine Nachtschicht, ein durchzechtes Wochenende oder ein zu lang geratener Serien-Marathon sind also per se nicht das Problem. Problematisch wird es allerdings, wenn dieses Verhalten zum Dauerzustand wird. Aber was kann man tun, wenn die Bildschirme einen wach halten?
Für viele Patienten mit Schlafschwierigkeiten ist es schwer, ihre Gewohnheiten zu ändern. Auch wenn sie wissen, dass eine geringere Bildschirmzeit – vor allem abends – eine große Besserung bringen könnte. Wenn die Patienten auf das Smartphone oder den Fernsehen abends nicht verzichten können oder wollen, kann zumindest die Helligkeit gedämmt und ein Blaulichtfilter angeschaltet werden. Das empfiehlt zumindest Cuhls. „Wir raten aber davon ab, Brillen mit Blaulichtfilter den ganzen Tag über zu tragen, da unser circadianes System tagsüber die kurzwelligen (blauen) Anteile im Licht braucht“, ergänzt die Wissenschaftlerin.
Die Wirksamkeit von Blaulichtfiltern konnte allerdings bisher noch nicht nachgewiesen werden (DocCheck berichtete hier und hier). Was bleibt also, um die Schlafqualität wieder zu verbessern? Wohl sehr konservatives früher zu Bett gehen und auf Bildschirme kurz vor dem zu Bett zu gehen zu verzichten. Das alles natürlich unter der Voraussetzung, dass keine anderen medizinischen Ursachen für einen gestörten Schlafrhythmus oder eine verminderte Schlafqualität vorliegen.
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