Wenn es bei einem Organ auf die Länge ankommt, dann beim Darm. Doch lebensgefährliche Erkrankungen, Fehlbildungen oder Verletzungen können es erforderlich machen, dass ein mehr oder weniger langes Stück des Darms reseziert werden muss. In der Folge kann es zum Kurzdarmsyndrom (KDS) mit Darmversagen kommen – mit zahlreichen, potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen und schwerwiegenden Folgen für die Lebensqualität von Betroffenen.
Unter einem Kurzdarmsyndrom versteht man einen seltenen Symptomkomplex, der als Folge einer – meist operativen – Verkürzung des Darms entstehen kann. Dabei kann es zu einem Darmversagen kommen, wodurch die Resorption von Wasser, Nährstoffen und Elektrolyten gestört wird. Typische Symptome sind Durchfall, Mangelernährung und Dehydrierung. Betroffene Patient*innen sind auf parenterale Unterstützung (Flüssigkeit mit Elektrolyten und/oder Nährstoffen) angewiesen, um ihre Gesundheit oder ein gesundes Wachstum aufrecht zu erhalten. Durch die Erkrankung selbst und die parenterale Unterstützung ist die Lebensqualität von Betroffenen stark eingeschränkt.1
Damit Patient*innen möglichst zeitnah optimal versorgt und auf die passende parenterale und/oder medikamentöse Versorgung eingestellt werden können, sollte ein wichtiger Schritt bereits im Rahmen der Darmresektion erfolgen: die Dokumentation der verbliebenen Restdarm-Abschnitte nach der Operation.
Ursächlich für den darmverkürzenden chirurgischen Eingriff sind bei Erwachsenen in den meisten Fällen mesenteriale Ischämien oder ein Morbus Crohn. Weitere, seltenere Ursachen sind Strahlenenetritis, Komplikationen in Folge einer vorausgegangenen OP oder ein Volvulus. Bei Neugeborenen und Kindern wird meist wegen angeborener Fehlbildungen, nekrostisierender Enterokolitis, Volvulus oder sonstiger Faktoren die Indikation für eine Darm-Operation gestellt.1
Doch Kurzdarm ist nicht gleich Kurzdarm: Klassische Definitionen sprechen bei Erwachsenen ab einer Restdarmlänge von unter 200 cm von einem Kurzdarmsyndrom. Doch auch bei längeren verbliebenen Darmabschnitten kann ein KDS vorliegen, wenn sich die klinische Symptomatik zeigt. Leitlinien bezeichnen dies als funktionelles Kurzdarmsyndrom.1
Bei den allein von der Restdarmlänge ausgehenden KDS-Definitionen wird nicht unterschieden, welche Darmabschnitte entfernt und welche verbleiben. Je nachdem, welche Darmabschnitte entfernt wurden, ist jedoch von einer unterschiedlichen Adaptionsfähigkeit des Restdarms auszugehen. Leitlinien wie die europäische ESPEN-Leitlinie zum chronischen Darmversagen bei Erwachsenen empfehlen daher auch eine anatomische Klassifikation des postoperativen Situs in drei Typen (nach Messing):1,2
Im Rahmen der Nachsorge einer ausgedehnten Darmresektion ist es empfehlenswert, Patient*innen auf die Symptomatik einer Mangelernährung hin zu überwachen und im Entlassungsbrief auf die Möglichkeit eines Kurzdarmsyndroms mit Darmversagen hinzuweisen. Empfehlungen zur Formulierung sowie zur Basisdiagnostik und zur klinischen Überwachung haben wir in einer Dokumentationsvorlage übersichtlich für Sie zusammengestellt.
Sollte nach einer Darmresektion ein Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen auftreten, wird eine Behandlung in ausgewiesenen mutlidisziplinären Spezialzentren dringend empfohlen. In solchen Zentren stehen Spezialist*innen aus den Bereichen Gastroenterologie, Ernährungsmedizin und Chirurgie sowie z. B. Psycholgo*innen, spezialisierte Pflegefachkräfte, Ernährungsberater*innen und Pharmazeuten bereit. Die Zentren sollten über eine besondere Expertise beim Legen von Zugängen, der Ernährungsberatung und Einstellung auf die individuell benötigte parenterale Unterstützung, der Stomaversorgung und der medikamentösen Behandlung verfügen.1
Insbesondere die Zusammenstellung der Diät und/oder parenteralen Ernährung muss individuell auf die Patient*innen zugeschnitten werden. So hängt beispielsweise das Verhältnis von Fettgehalt gegenüber komplexen und einfachen Kohlenhydraten davon ab, ob das Kolon in Kontinuität erhalten ist oder nicht. In jedem Fall hilft die exakte Dokumentation nach einer Operation den Expert*innen dabei, Adaptationsfähigkeit des Restdarms, den Grad des Darmversagens und Bedürfnisse der Patient*innen von Fall zu Fall einzuschätzen.1,2
Referenzen:
EXA/DE/REV/0163