Für die weltweite Adipositas-Pandemie könnte es einen weiteren Grund geben: Unsichtbare Akteure, wie endokrine Disruptoren, die in unserer Umwelt lauern. Könnten sie eine Rolle spielen? Hier erfahren Sie mehr!
Adipositas hat mit 650 Millionen Betroffenen weltweit längst das Ausmaß einer globalen Pandemie angenommen.1 Es ist vielen bekannt, dass Übergewicht und Adipositas durch ein Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch des Körpers entstehen. Doch Adipositas ist eine multifaktorielle, komplexe Krankheit, welcher viele Ursachen zu Grunde liegen können.2 Neben einem ungesunden Lebensstil sind hier u. a. genetische und Umweltfaktoren, Medikamente, Stress und eine veränderte Darmmikrobiota zu nennen.2 Zunehmend erlangen in der Vergangenheit weniger beachtete Faktoren an Aufmerksamkeit, die in Verdacht stehen die Entstehung von Adipositas beeinflussen zu können: Obesogene.2
Obesogene gehören zu den Umweltchemikalien, die als endokrine Disruptoren wirken und den Stoffwechsel beeinflussen können.2 Laut des Umweltbundesamt Deutschlands sind endokrine Disruptoren „Chemikalien oder Mischungen von Chemikalien, die die natürliche biochemische Wirkweise von Hormonen stören und dadurch schädliche Effekte (z.B. Störung von Wachstum und Entwicklung, negative Beeinflussung der Fortpflanzung oder erhöhte Anfälligkeit für spezielle Erkrankungen) hervorrufen“3. Zu diesem Thema veröffentlichte die WHO bereits 2002 den Bericht „Global Assessment of the State-of-the Science of Endocrine Disruptors“4 und ergänzte diesen 2012 in „State of the Science of Endocrine Disrupting Chemicals“5 um den aktuellen Wissensstand über die Exposition und Auswirkungen von endokrin wirksamen Chemikalien (EDCs).
Durch ihre Einwirkung auf Strukturen in ihrer Entwicklung und Funktion, welche an der Gewichtskontrolle beteiligt sind (Fettgewebe, Gehirn, Skelettmuskulatur, Leber, Bauchspeicheldrüse und Magen-Darm-Trakt), können Obesogene Einfluss auf die Aufrechterhaltung der Homöostase des Körpergewichts nehmen, die Lipidakkumulation und Adipogenese fördern und dadurch das Risiko an Fettleibigkeit zu erkranken erhöhen.2,5 Beispielsweise können Obesogene die Zusammensetzung der Darmmikrobiota, die hormonelle Kontrolle des Essverhaltens und die Schilddrüsenfunktion verändern.2 Besonders anfällige Zeitfenster für die Wirkung von Obesogenen scheinen während der Schwangerschaft und in den frühen Kindheitsjahren zu liegen.2
Das Vorkommen von Obesogenen ist nicht auf Kunststoffe, Weichmacher und Pestizide beschränkt. Unter anderem findet man sie auch in der Natur, Luft, im (Trink-)Wasser, in Lebens- und Arzneimitteln, Kosmetika und Sonnencreme.2
Endokrine Disruptoren können zahlreiche Hormonsysteme auf vielfältige Art und Weise beeinflussen. Sie werden anhand ihrer Wirkmechanismen bzw. spezifischen Wirkungen definiert.6 Beispielsweise können sie wie natürliche Hormone direkt auf Hormonrezeptoren einwirken und diese aktivieren, blockieren oder ihre Bindungseigenschaften verändern. Des Weiteren sind endokrine Disruptoren in der Lage die Synthese, den Abbau sowie den Transport von Hormonen zu modifizieren und damit indirekt Einfluss auf die Verfügbarkeit von Hormonen oder Rezeptoren im Körper zu nehmen.6
Derzeit werden etwa 1000 Chemikalien als EDCs und rund 50 als Obesogene eingestuft.2 Dass eine Exposition chemischer Substanzen mit Veränderungen des Körpergewichts in Zusammenhang stehen kann, lässt sich gut anhand des Beispiels einer Gewichtszunahme als unerwünschte Arzneimittelnebenwirkung darstellen.2 Beispielsweise können hier einige Antidepressiva, Antidiabetika und Diethylstilbestrol (DES) aufgeführt werden. DES ist ein synthetisches Antiestrogen das mit einem erhöhten Risiko für Adipositas assoziiert ist. In den westlichen Ländern ist das Hormon schon lange nicht mehr erlaubt, in den Entwicklungsländern kommt DES allerdings noch zum Einsatz.
Auch die u. a. in Zigaretten enthaltenen Substanzen Nikotin, Cadmium und Benzpyren werden mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht.2 In Studien konnte gezeigt werden, dass Rauchen in der Schwangerschaft ein bedeutender Risikofaktor für die Entwicklung von Adipositas darstellt, sogar wenn eine Exposition nur in frühen Schwangerschaftsphasen bestand.7 Die pränatale Nikotinbelastung führte dabei zu einer verminderten sympathischen und noradrenergen Aktivität, wodurch ein gesteigerter Appetit und eine geringere Fettmobilisierung aus Adipozyten resultierte.7 Ebenso, wenn auch zu einem geringeren Ausmaß, erhöhte Passivrauchen während der Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht bei den Nachkommen.2
BPA steckt in vielen Alltagsgegenständen: u. a. in Kunststoffen, in der Innenbeschichtung von Getränkedosen, Konserven und Verpackungsmaterial, in CDs und DVDs, in Spielzeug und Plastikgeschirr, bis Ende 2019 in Kassenzetteln aus Thermopapier, in Epoxidharzen, medizinischen Geräten (z.B. Dialysegeräte), in Getränke und Wasserflaschen.2,7,8
Es ist daher nicht verwunderlich, dass BPA überall in unserer Umwelt und auch in menschlichen Flüssigkeiten und Geweben nachweisbar ist.2 Seit 2011 ist der Einsatz von BPA zumindest für Babyflaschen aus Polykarbonat in der EU untersagt.2,7,8 Es konnte gezeigt werden, dass BPA verschiedene, für das Körpergewicht relevante Hormone, wie Adiponektin, Adipokin, Leptin und Ghrelin, beeinflussen kann. Zum Beispiel resultierte aus einer durch BPA niedrigeren Konzentration von Adiponektin eine verringerte Fettverbrennung.7 Durch Eingriffe in die Expression gewisser Gene scheint BPA zu einer Adipozyten-Hypertrophie, erhöhten Anzahl und Beeinträchtigung des Stoffwechsels von Fettzellen führen zu können.2,7
In vielen Produkten wurde BPA durch Strukturanaloga, wie Bisphenol S (BPS), Bisphenol F (BPF) und Bisphenol B (BPB), ersetzt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch diese Stoffe ähnliche gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen haben: es wurden endokrine Effekte, Zyto- und Genotoxizität, Reproduktionstoxizität, Dioxin-ähnliche Wirkungen und Neurotoxizität nachgewiesen.2,9
Neben den bereits bekannten Obesogenen gibt es zahlreiche weitere chemische Verbindungen, die in Verdacht stehen, das Risiko für Adipositas zu erhöhen. Die Herausforderung besteht darin, diese zu identifizieren und ihre individuellen sowie kombinierten Effekte zu verstehen. Die wachsende Erkenntnis über endokrine Disruptoren unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Forschung, um präzisere Maßnahmen zur Minimierung dieser Risken einzuleiten. Eine Reduktion obesogener Einflüsse und die Sensibilisierung für die Bedeutung endokrin aktiver Substanzen können einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Adipositas-Epidemie leisten.
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