Organoide helfen, biologische Prozesse im gesunden wie kranken Zustand zu verstehen. Wie sie sich zu komplexen Geweben organisieren, war jedoch schwierig, zu beeinflussen – bis jetzt.
Sie sehen aus wie Gewitterwolken im Stecknadelkopf-Format: Organoide. Die dreidimensionalen Zellkulturen spielen eine bedeutende Rolle in der medizinischen und klinischen Forschung, weil sie in der Petrischale Gewebestrukturen und Organfunktionen nachbilden. Wissenschaftler können an ihnen nachvollziehen, wie Krankheiten entstehen, sich Organe entwickeln oder Medikamente wirken. Mithilfe von Einzelzelltechnologien dringen sie dabei bis zur molekularen Ebene der Zellen vor. Dank der räumlichen Transkriptomik können sie sogar im 3D-Format beobachten, welche Gene an welcher Stelle im Organoid im Verlauf der Zeit aktiv sind.
Die Miniatur-Organe werden meist aus Stammzellen entwickelt. Wissenschaftler „füttern“ sie dafür mit Wachstumsfaktoren und betten sie in eine Nährlösung ein. Dort ballen sie sich zu winzigen Zellklumpen zusammen, in denen sie schließlich so funktionieren und interagieren, als befänden sie sich einem echten Gewebe. Diesen Prozess zu steuern, war bislang kaum möglich. Forschende um Professor Nikolaus Rajewsky, beschreiben nun im Fachjournal Nature Methods eine Technologie, mit der sie ihn anstoßen, kontrollieren und in räumlicher und zeitlicher Auflösung beobachten können.
„Wir haben dafür die räumliche Transkriptomik mit der Optogenetik kombiniert“, sagt Erstautor Dr. Ivano Legnini. „Damit sind wir nicht nur in der Lage, die Genexpression in lebenden Zellen zu kontrollieren, sondern auch, ihren Verlauf zu beobachten.“
Räumliche transkriptomische Charakterisierung menschlicher zerebraler Organoide. Verschiedenfarbige Punkte zeigen Transkripte verschiedener Gene an, die mit Molecular Cartography (Resolve Biosciences) aufgenommen wurden. Credit: Rybak-Wolf Legnini
In der Optogenetik werden natürliche oder künstlich hergestellte Lichtsensoren in Zellen eingefügt. Fällt Licht auf die Sensoren, aktivieren oder blockieren sie die Gene in den Zellen – je nachdem, wie sie programmiert sind. Legnini baute solche Lichtsensoren in aus Stammzellen entwickelten Vorläuferzellen von Neuronen ein, die sich zu neuralen Organoiden zusammenfügen sollten. Die Forscher wollten nachvollziehen, wie sich das Nervensystem im menschlichen Embryo entwickelt. Dabei spielen Morphogene eine Schlüsselrolle. Die Kombination dieser Moleküle erzeugt während der Entwicklung typische Muster der Genexpression.
Mithilfe des Lichts aktivierten die Forscher eines dieser Morphogene, nämlich Sonic-Hedgehog (SHH). Die anschließenden räumlich aufgelösten Einzelzell-Analysen zeigten, dass sich die Zellen daraufhin zu typisch gemusterten Organoiden anordneten. Den Lichtimpuls erzeugten die Forscher auf zwei Wegen: entweder mithilfe eines Laser-Mikroskops oder mit einem digitalen Mikrospiegel-Mikroskop. In dieses spezielle Mikroskop wird ein Chip mit mehreren Hunderttausend winzigen Spiegeln eingelegt. Diese können so programmiert werden, dass das Mikroskop – anders als mit einem Laser, der jeweils nur einen einzigen Punkt trifft – komplexe Beleuchtungsmuster auf einer Probe erzeugen kann.
„Mit unserer Methode können wir Prozesse, die mit Genexpression in Geweben zu tun haben, sehr präzise in der Petrischale reproduzieren“, sagt Legnini. Er will nun die räumliche und zeitliche Auflösung der Technologie verbessern und sie für andere Organoide anwendbar machen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Nadine Shaabana, Unsplash