Apotheker schüren nur Angst, weil sie mehr Geld wollen – so sieht der Gesundheitsminister das also. Wie er damit eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht stellt und den Ernst der Lage unter den Teppich kehrt.
Wer bislang noch nicht geglaubt hatte, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Apotheker regelrecht auf dem Kieker hat, der wurde spätestens beim ARD Morgenmagazins am 14. September eines Besseren belehrt. Er machte es dort überdeutlich, dass er die Honorarforderungen als Jammern auf hohem Niveau empfindet und lässt es sich nicht nehmen, eine Unterstellung zu äußern, die eine ganze Berufsgruppe derzeit erbost wie wenig zuvor: er behauptet öffentlich, im Grunde gäbe es keine wirkliche Lieferengpass-Krise, die Apotheker würden das alles nur hochspielen, um in der Öffentlichkeit Angst zu schüren – und so ihre Honorarforderungen durchzudrücken.
Konkret ist Folgendes vorgefallen: Im Verlauf eines Gesprächs zwischen dem Moderator des Magazins und Lauterbach wurde eine zuvor aufgezeichnete Sequenz mit Thomas Preis, dem Vorsitzenden des Landesapothekerverbands Nordrhein eingespielt. Dieser warnte davor, dass die Versorgung mit Medikamenten, im speziellen von Antibiotikasäften für Kinder, in diesem Winter trotz der Verabschiedung des AMNOG „am seidenen Faden hängt”. Auf die Frage des Moderators, ob die Apotheker zu besorgt seien, antwortet Lauterbach: „Nein, die Apotheker kämpfen derzeit für eine Honorarerhöhung. Die Apotheker sind ja schon im Streik gewesen, sind schon im Kittel vorm Haus gewesen. Aber man darf diese Dinge nicht vermengen. Man darf nicht den Kampf für eine bessere Bezahlung führen, indem man Mütter und Kinder verunsichert. Das halte ich nicht für eine gute Vorgehensweise (…). Aber Honorarkämpfe für bessere Bezahlung bei Leuten, die im Vergleich zum Bürger gut bezahlt werden, indem man die Menschen verunsichert, gerade Mütter und Väter, das ist nicht richtig.”
Der Moderator schaltete sich an dieser Stelle wieder ein: „Ein Vorwurf, der heute sicher noch diskutiert wird, dass es den Apothekern eher um höhere Honorare ginge – so sagen sie – …” was Lauterbach direkt konterte: „Das ist so. Ja. So ist das.”
Das Echo aus den Kammern und Verbänden ließ da natürlich nicht lange auf sich warten. Thomas Rochell, der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) beispielsweise bezeichnete Lauterbachs Aussage als „maßlose Unterstellung“. Im Gegenteil hätten Apotheker „mitnichten Panik geschürt, sondern immer wieder öffentlich beruhigt, dass wir vor Ort im Austausch mit den Ärzten Lösungen finden”. Er betonte es als Pflicht der Heilberufler, vor erneuten Engpässen zu warnen, und als fahrlässig, dies nicht zu tun.
Erfreulich ist immerhin, dass Lauterbach im Anschluss an dieses fatale Gespräch im Morgenmagazin offenbar dazu in der Lage war, was Engpässe angeht weitere Erleichterungen in Puncto Austauschbarkeiten von Medikamenten zuzulassen. Sein 5-Punkte-Plan, den er mit Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft am selben Tag noch besprach und der Öffentlichkeit vorstellte, zeigte deutlich, dass er eigentlich ganz genau wissen müsste, was er an der Apotheke vor Ort hat.
Ein Punkt seines Plans ist, dass es künftig einen regelmäßigen Austausch von Bund und Pharmaunternehmen bezüglich der Kinderarzneimittel unter Beteiligung von Unternehmen, Kinder- und Jugendärzten, Hausärzten, der Apothekerschaft und weiteren Beteiligten geben wird. Wenn es trotz gesteigerter Produktion in der Pharmaindustrie zu Engpässen kommen sollte, sind zusätzlich auch Importe von dringend benötigten Medikamenten, die einem Engpass unterliegen, aus dem Ausland möglich.
Zum Appell der Kinder- und Jugendärzte sowie Hausärzte an Eltern, keine unnötigen Vorräte für Kinderarzneimittel zu horten, erklärte die ABDA für die Apotheker „die gleichmäßige und bedarfsgerechte Versorgung mit Kinderarzneimitteln in der Elternberatung zu unterstützen und bei der eigenen Bevorratung zu berücksichtigen”.
Wichtig für die Apotheken ist vor allem: die Herstellung von Rezepturen und der Austausch der Darreichungsform wird bei kritischen Kinderarzneimitteln und Antibiotika für eine Retaxation, sowie auch für eine Beanstandung in Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Ärzteschaft ausgeschlossen. Somit wird immerhin die Situation nicht mehr auftreten, mit der die Apotheken im vergangenen Winter konfrontiert waren – nämlich die benötigten Arzneimittel in der eigenen Rezeptur zwar herstellen zu können, aber von den Kinderärzten ein Veto zu kassieren, um das eigene Budget nicht weiter zu belasten.
Der letzte Punkt der Liste klingt angesichts der diffamierenden Aussagen im Morgenmagazin wenige Stunden zuvor schon beinahe wie Hohn: „Die Bundesregierung unterstützt gemeinsam mit der Ärzteschaft und Apothekerschaft und den anwesenden Pharmafirmen eine sachlich-realistische Kommunikation, um unnötige Bevorratung zu vermeiden. Besonnenes Handeln aller Akteurinnen und Akteure wirkt Engpässen in der Arzneimittelversorgung entgegen.”
Eine sachlich-realistische Kommunikation mit dem Minister wäre tatsächlich wünschenswert, wie auch ein besonnenes Handeln aller Akteure. Ein Minister, der sich durch sachliche Kritik an einem seiner Gesetze derart provozieren lässt, dass er einem ganzen Berufszweig ein solches Kalkül unterstellt, in der Bevölkerung Angst zu verbreiten, nur um die eigenen berechtigten Interessen durchzudrücken, ist jedenfalls das Gegenteil von sachlich und besonnen.
Auch der Seitenhieb, dass Apotheker doch besser bezahlt würden als andere Bürger ist polemisch. Es sei denn, wir wollen jetzt eine Debatte darüber beginnen, welche Arbeit was wert ist und ob es in Ordnung ist, nach einem harten Studium und als vollhaftender Kaufmann mehr zu verdienen als der deutsche Durchschnittsbürger. Ich möchte doch gerne mal den Arzt sehen, der so etwas öffentlich von einem Gesundheitsminister hören muss, nachdem sein Gehalt über ein Jahrzehnt eingefroren war. Lauterbach täte gut daran, einmal in sich zu gehen und die sonst eher nicht besonders streikbereite Apothekerschaft nicht weiter zu reizen.
Die Präsidentin der ABDA, Gabriele Overwiening, war bei der Sitzung im Anschluss an das Morgenmagazin dabei und hat Lauterbach persönlich die 6 Fragen übergeben, die sie ihm am Tag der Antworten am 27. September auf dem Deutschen Apothekertag stellen wird (DocCheck berichtete). Im Grunde genommen müsste nun noch eine siebte Frage dazukommen, die zuerst gestellt werden müsste. Nämlich die, ob es tatsächlich sein voller Ernst ist, anzunehmen, dass die Apothekerschaft in dieser Situation bewusst mit den Ängsten der Eltern spielt. Sollte die Antwort ein Ja sein, dann erübrigt sich eigentlich jede weitere Diskussion mit diesem Politiker bezüglich der Wertschätzung, die er den Pharmazeuten entgegenbringt. Es gibt sie schlicht nicht.
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