Die personalisierte, gendersensible Medizin ist ein wichtiges Thema der aktuellen Forschung.1 Im Gebiet der Neurologie ist die Aufmerksamkeit auf die Gendermedizin bereits bei Schlaganfall, Epilepsie, Demenz und Migräne, gestiegen.1 Bei Parkinson ist das eher seltener der Fall. Dennoch wurden bei der Parkinson-Erkrankung ein Einfluss des Geschlechts und eine 1,4-fach höhere Prävalenz bei Männern als bei Frauen beschrieben, sodass auch hier eine genderbasierte Medizin sinnvoll erscheint.1
Die Diagnosestellung von Parkinson oder eine Überweisung an Fachärzt*innen geschieht bei Frauen häufig erst verzögert.1 Denn die Erkrankung kann sich zum einen geschlechtsspezifisch unterschiedlich präsentieren und zum anderem fehlt häufig das Bewusstsein für diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Erkrankten und Ärzt*innen.1 Viele Studien wurden bisher an weißen Männern durchgeführt, wodurch Hürden in der Gesundheitsversorgung von Personen mit einem anderen biologischen Geschlecht entstanden.1 Daher bedarf es weiterer Erforschung zum geschlechtsspezifischen Therapiemanagement, insbesondere unter Berücksichtigung psychosozialer Faktoren.1
Die wichtigsten bisherigen Erkenntnisse wurden in einer aktuellen Übersichtsarbeit der International Parkinson and Movement Disorder Society zusammengefasst.1
Welche Risikofaktoren sind geschlechtsspezifisch?1Risikofaktoren für eine Erkrankung an Parkinson können geschlechtsabhängig sein. Koffeinkonsum reduzierte z.B. das Parkinson-Risiko bei Männern, nicht jedoch bei Frauen. Ausnahmen stellten Frauen in der Postmenopause oder mit einer Hormonersatztherapie dar, bei denen Koffeinkonsum auch mit einem geringerem Parkinson-Risiko assoziiert wurde. Allerdings sind weitere Studien notwendig, um den Einfluss des Hormonhaushaltes auf die Pathophysiologie von Parkinson zu verstehen.
Weitere Studien ergaben, dass Rauchen bei Frauen ein höheres Parkinson-Risiko als bei Männern darstellt, Alkoholkonsum jedoch ein geringeres. Dahingegen führte eine Pestizid-Exposition lediglich bei Männern zu einem erhöhten Risiko.
Wie unterscheiden sich die Symptome zwischen Männern und Frauen?1Frauen mit Parkinson haben ein höheres Risiko für Osteoporose, Gewichtsverlust während des Krankheitsbeginns und Beckenboden-Dysfunktionen. Auch weitere Hinweise deuten daraufhin, dass sich die Parkinson-Erkrankung bei Männern und Frauen unterschiedlich manifestiert. Übliche Symptome von weiblichen Erkrankten verglichen zu männlichen auf Grundlage verschiedener Studien sind in folgender Tabelle dargestellt:
Tab. 1: Übliche Symptome und psychosoziale Probleme von weiblichen Parkinson-Erkrankten im Vergleich zu männlichen. Modifiziert nach 1.
Worauf sollte bei der Therapie geachtet werden?1Bei der Parkinson-Therapie ist eine individuelle Betrachtung der Patient*innen wichtig. Dabei sollte auch das häufig geringere Gewicht von Frauen verglichen zu Männern beachtet werden, weshalb bei Frauen eine geringere Dopamin-Dosis erforderlich sein kann.
Weniger als 25 % der in Frage kommenden Patient*innen für eine Tiefe Hirnstimulation (THS) sind Frauen. Der häufigste genannte Grund für die geringe Anzahl sei dabei eine Ablehnung durch die Patientinnen selbst (28 %), obwohl eine THS die Lebensqualität maßgeblich verbessern könnte.
Etwa 5 % der Frauen sind zum Zeitpunkt der Parkinson-Diagnose jünger als 40 Jahre alt. Besonders bei dieser Altersgruppe sollte die Behandlung an den Hormonhaushalt angepasst werden. Frauen berichteten häufig eine Verschlechterung der motorischen Symptome während der prämenstruellen Phase, Prämenopause, Schwangerschaft und Postpartum. Grund dafür könnten die Veränderungen des Estrogenspiegels sein, weshalb eine Kontrazeption oder hormonelle Regulation sowie weitere Studien auf diesem Gebiet angedacht werden sollten.
Die Patientinnen sollten spezifisch nach ihren Symptomen, psychologischen und sozialen Bedürfnisse in einem multidisziplinären Team behandelt werden. Auch Expert*innen aus der Ernährungsberatung und Physiotherapie sollten als Teil dieses Teams hinzugezogen werden, um einer Osteoporose oder Beckenboden-Dysfunktion vorzubeugen oder eine solche zu therapieren.
FazitDie Parkinson-Erkrankung gilt als die zweithäufigste neurologische Erkrankung mit der größten Zunahme weltweit.2 Umso wichtiger ist ein optimiertes Krankheitsmanagement, welches insbesondere geschlechtsspezifische Unterschiede im Krankheitsbild und Therapieansprechen berücksichtigen sollte.1 In klinischen Studien sind Frauen mit Parkinson unterrepräsentiert, weshalb diese vermehrt an Studien überwiesen werden sollten.1 Eine höhere Sensibilität und Aufmerksamkeit für weibliche Parkinson-Erkrankte und weitere Forschungen sind erforderlich.1
Quellen:1. Indu Subramanian MD et al. Unmet Needs of Women Living with Parkinson’s Disease: Gaps and Controversies. Mov Disord. 2022; 37(3): 444–455.2. Dorsey ER et al. The Emerging Evidence of the Parkinson Pandemic. J Parkinsons Dis. 2018; 8(s1): S3–S8.