An der Universität Wien haben Mikrobiologen nun den evolutionären Erfolg von Chlamydien untersucht. Dafür haben sie die Genome von vier Chlamydienarten sequenziert. Das Ergebnis: Genduplikationen, Neofunktionalisierung sowie Genverlust spielten dabei eine Rolle.
Daryl Domman, Univ. Prof. Dr. Matthias Horn und Kollegen vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien haben für ihre Studie die Genome von vier Chlamydienarten sequenziert. Diese sind zwar nahe mit den für den Menschen relevanten Krankheitserregern verwandt, leben aber als Symbionten innerhalb einzelliger Amöben. Der Vergleich mit den Genomen der Krankheitserreger zeigte, dass das Durchmischen der genomischen Ausstattung eine wichtige Rolle in der Evolution der Chlamydien gespielt hat, oft mit dem Ziel der Optimierung der Manipulation und Ausbeutung ihrer Wirtszellen.
Die Forscher konnten genomische Regionen identifizieren, die offenbar eine Schlüsselrolle bei der Anpassung an verschiedene Wirtszellen spielen. „Bei vielen ist die genaue Funktion unbekannt, bemerkenswerterweise besitzen jedoch alle charakteristische Eigenschaften, sogenannte Proteindomänen, die sie von ihren Wirtszellen erworben und für ihre Zwecke umfunktioniert haben“, erklärt Horn, Leiter der Arbeitsgruppe. Tatsächlich konnten die Autoren experimentell zeigen, dass diese Proteine sekretiert werden, also in die Wirtszelle eingeschleust. Dort verhindern sie die natürlichen Abwehrmechanismen und übernehmen die Kontrolle über die Wirtszelle. Die Evolution dieser Effektor-Proteine, die in ungewöhnlich großer Kopienzahl in den Genomen der Chlamydien vorkommen, ist besonders interessant. Sie ist geprägt von einem ständigen Wechsel zwischen der Entstehung neuer Gene („gene birth“) und dem Verschwinden vorhandener Gene („gene death“). Dabei spielen Genduplikationen, Neofunktionalisierung und zufälliger Verlust der Gene durch stochastische Ereignisse eine entscheidende Rolle. Eine Illustration der Genduplikation eines Chlamydiengenoms. © Allen Tsao
„Eine der überraschendsten Beobachtungen war für uns, dass ähnliche Evolutionsmuster bisher fast ausschließlich von Pilzen, Pflanzen und Tieren bekannt sind, nicht aber bei Bakterien“, erklärt Domman, Doktorand sowie Erstautor der Studie. Horn ergänzt abschließend: „Unsere Studie zeigt, wie wichtig die Untersuchung von Umweltbakterien auch für unser Verständnis der Evolution und Entstehung bakterieller Krankheitserreger ist“. Originalpublikation: Massive Expansion of Ubiquitination-Related Gene Families within the Chlamydiae Daryl Domman et al.; Molecular Biology and Evolution, doi: 10.1093/molbev/msu227; 2014