Die Leitlinien zur Depressionsbehandlung wurden kürzlich aktualisiert. Erstmals gibt es darin Infos zu Esketamin und DiGA. Wir haben für euch reingeschaut.
Es steht außer Frage, dass sich bei der Behandlung der unipolaren Depression dringend etwas ändern muss. Beinahe alle Versorgungsaspekte der empfohlenen Disease-Management-Programme-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL) weichen von den aktuellen Leitlinienempfehlungen ab (mehr dazu hier). Während über diese Anpassungen noch diskutiert wird, gibt es zumindest Neuigkeiten in Sachen Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) der unipolaren Depression.
Die NVL zur unipolaren Depression wurde im September 2022 erstellt, mit dem Ziel, vor allem die Diagnostik und die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten zu verbessern. Aber auch die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Therapeuten und Psychiatern soll durch die neue Leitlinie unterstützt und so eine höhere Adhärenz der Behandlung erreicht werden. Beispielsweise sehen die Autoren wichtige diagnostische Faktoren wie die funktionale Beeinträchtigung oder Einschränkungen des Sozial- und Arbeitslebens als zu wenig berücksichtigt.
Antidepressiva sollten vor allem bei rezidivierenden depressiven Episoden und Nichtansprechen auf bereits versuchte, andere Therapieformen zum Einsatz kommen. Besonders bei schwerer Depression ist eine medikamentöse Behandlung, zusätzlich zu einer Therapie, empfohlen.
Auch ein neuer Wirkstoff hat es in die Leitlinie geschafft: Esketamin. Der Arzneistoff aus der Klasse der Injektionsanästhetika ist seit Dezember 2019 in der EU in Form eines Nasensprays zur Behandlung therapieresistenter Depressionen zugelassen. Das schnellwirkende Spray ist allerdings für den stationären Bereich vorgesehen. Außerdem wird von der Verwendung von Benzodiazepinen abgeraten, vor allem bei leichten depressiven Episoden. Bei schwereren Episoden ist außerdem nur eine kurzzeitige Behandlung vorgesehen. Welche Antidepressiva verwendet werden, soll individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Wichtige Faktoren hierfür sind u. a. die Präferenz des Patienten und Komorbiditäten.
Bei Nichtansprechen auf die medikamentöse Behandlung sollte zunächst eine Fehldiagnose ausgeschlossen werden. Außerdem sollte darauf geachtet werden, ob eventuell andere Medikamente depressive Phasen auslösen könnten und die Adhärenz zur verschriebenen Behandlung gegeben ist. Eine begleitende Psychotherapie sollte erfolgen und die medikamentöse Behandlung umgestellt werden.
Wie bei vielen anderen Behandlungen ist es wichtig, jegliche Therapie gemeinsam zu planen. Wenn die Patienten wissen, wie und warum etwas verordnet wird, ist die Adhärenz eher gegeben.
Neu in der NVL ist die Therapie-Empfehlung von internet- und mobilbasierten Interventionen (IMI). Darunter fallen die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sowie Online-Anwendungen zur Selbsthilfe, Selbstmanagement und Monitoring-Tools, die unterstützend zur herkömmlichen Therapie eingesetzt werden sollen. Welche DiGA zur Depressionsbehandlung – und darüber hinaus zu anderen Behandlungen – aktuell zugelassen sind, kann im DiGA-Verzeichnis nachgeschlagen werden. Das Verzeichnis soll laut Leitlinie als Orientierungshilfe dienen. Die Autoren der NVL betonen jedoch die unterstützende Funktion dieser Tools – sie können und sollen nicht die herkömmliche Therapie ersetzen. Gewissenhaftes Monitoring durch den Arzt oder Therapeuten ist natürlich, wie auch bei sämtlichen anderen Behandlungsoptionen, dringend erforderlich.
Bildquelle: Jeremy Lapak, Unsplash