Auf Milch und Fleisch verzichten und schon hat sich das Thema Akne erledigt – kann es wirklich so einfach sein? Ein Blick in die aktuelle Datenlage zeigt: Die Antwort darauf ist ein komplexes Jein.
Als größtes Organ unseres Körpers ist die Haut mit einer Vielzahl wichtiger Aufgaben betraut. Doch die meisten setzen sich mit ihrer Haut erst dann auseinander, wenn Auffälligkeiten das Hautbild dominieren – das können Falten, Unreinheiten aber auch ernstzunehmende Krankheitsbilder sein. Die weltweit häufigste dermatologische Erkrankung ist die Acne vulgaris, die durch entzündliche Papeln, Pusteln, offene sowie geschlossene Komedonen und im Verlauf durch Abszesse, Zysten und Narben gekennzeichnet ist. Betroffen sind vor allem das Gesicht, die Brust und der Rücken, wodurch sich die Symptome kaum verbergen lassen.
Die augenscheinlichen Hautveränderungen können eine immense Belastung für die Betroffenen darstellen, insbesondere dann, wenn sie auch nach der Pubertät nicht verschwinden. Die Suche nach einem Heilmittel wird für viele zum frustrierenden und oft kostspieligen Dauerlauf, denn nichts will so richtig helfen. Fast ausnahmslos suchen Betroffene die Ursache ihrer Hautprobleme auch in ihrer Ernährung und versuchen durch gezielte Eliminationsdiäten eine Besserung der Symptomatik zu erzielen. Doch ist die Ernährung tatsächlich Ursache und Therapiemittel zugleich?
Unsere Haut schützt uns vor äußeren Umweltreizen wie UV-Strahlen, Umweltchemikalien und Krankheitserregern, ist an der Regulation der Körpertemperatur und Wundheilung beteiligt und enthält Nervenenden, die das Gehirn über Berührungen, Druck, Schmerz oder die Temperatur informieren. Zudem ist sie ernährungsphysiologisch relevant, da unter Sonneneinstrahlung in der Haut die Synthese von Vitamin D stattfindet. Während sie einerseits selbst zur Versorgung des Körpers beiträgt, ist sie auch selbst auf zahlreiche Nährstoffe angewiesen.
Schaut man sich als Verbraucher ohne Vorwissen in den Regalen gängiger Drogeriemärkte um, entsteht schnell der Eindruck, dass man lediglich ein paar Nahrungsergänzungsmittel schlucken müsste, um das Hautbild zu verbessern. Viele versprechen sich durch die Supplementierung einzelner Vitamine oder Mikronährstoffe – besonders beliebt sind Vitamin C, Zink und Biotin – eine schöne und straffe Haut. Und wenn einen die Werbeversprechen der Nahrungsergänzungsmittelhersteller nicht schon überzeugt haben, sorgen spätestens die sozialen Medien dafür. Bezahlte Influencer berichten von angeblich erfolgreichen Produkttests und sind mit scheinbar makelloser Haut perfekte Werbesäulen.
Dabei fehlt die wissenschaftliche Evidenz für die Supplementierung einzelner Vitamine oder Mikronährstoffe zur Verbesserung des Hautbildes nahezu vollständig. Zumindest dann, wenn kein nachweislicher Mangel vorliegt. Besteht ein manifester Mangel an bestimmten Nährstoffen, etwa Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Zink oder Omega-3-Fettsäuren, können Hautprobleme eher auftreten, sodass der gezielte Ausgleich des Mangels die dadurch verursachten Hautprobleme ebenfalls aufheben kann. Das heißt jedoch nicht, dass bei bereits gutem Nährstoffstatus eine zusätzliche Supplementierung das Hautbild automatisch auch verbessert. Eine ausgewogene Ernährung, reich an Gemüse und Obst liefert dem Körper in der Regel ausreichende Mengen notwendiger Mikronährstoffe, sodass eine zusätzliche Supplementierung der genannten Vitamine und Mikronährstoffe nur selten indiziert ist.
Neben atopischer Dermatitis (Neurodermitis) und Psoriasis vulgaris zählt die Acne vulgaris zu den häufigen Hauterkrankungen in Deutschland. Etwa 70–95 % der Jugendlichen in Deutschland sind zumindest von leichten Verlaufsformen betroffen, wobei es meist zu einer spontanen Rückbildung der Symptomatik nach der Pubertät kommt. In ca. 10 % der Fälle verschwinden die typischen Effloreszenzen (Hautveränderungen) nicht. Frauen sind hiervon häufiger betroffen als Männer.
Während die Akne von Außenstehenden überwiegend als rein ästhetische Problematik wahrgenommen wird, geht sie bei Betroffenen häufig mit einer massiv eingeschränkten Lebensqualität und hohem Leidensdruck einher. Es ist daher keineswegs überraschend, dass nahezu alle Betroffenen sich neben der ärztlichen Behandlung über Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Akne-Symptomatik informieren. Laut einer Befragung von 1.040 Akne-Patienten, die vom Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein durchgeführt wurde, sind nahezu alle Betroffenen (97 %) von einem Einfluss der Ernährung auf ihre Akne überzeugt (75 %) oder halten ihn zumindest für wahrscheinlich (22,5 %). Die gezielte Suche nach Ernährungsempfehlungen zur Akne-Therapie in Eigenregie ist deshalb nicht verwunderlich. Als Informationsquellen der Wahl nutzen die Befragten vor allem Instagram, Online-Foren, YouTube und Lehrbücher.
Einige Ernährungsempfehlungen sind den Befragten bei ihrer Recherche dabei besonders häufig begegnet, die von vielen auch umgesetzt wurden:
Ernährungsempfehlung
Anteil der Betroffenen, die diese Empfehlung durch eigene Recherche gefunden haben
Anteil der Betroffenen, die diese Empfehlung umgesetzt haben
Verzicht auf Zucker
86,4 %
50,3 %
Verzicht auf Milchprodukte
82 %
58,7 %
Verzicht auf Fast Food
80,4 %
54,6 %
Verzicht auf Süßigkeiten
78 %
nicht publiziert
Verzicht auf Milch
77,4 %
66,7 %
Viel Wasser trinken
89,8 %
84,5 %
Viel Gemüse verzehren
75 %
69,5 %
Viel Obst verzehren
53,2 %
46,9 %
Viele Lebensmittel, die reich an Omega-3-Fettsäuren sind verzehren
45 %
34,2 %
Vegane Ernährung
42,4 %
Vegetarische Ernährung
26 %
Diese Befragung bestätigt eine hohe Motivation der Betroffenen, ihre Ernährung zu verändern, um eine Besserung der Akne-Symptomatik zu erzielen. Im Umkehrschluss verdeutlicht die hohe Umsetzungsrate der Ernährungsempfehlungen einmal mehr, wie hoch der Leidensdruck Betroffener tatsächlich ist. Denn, Hand aufs Herz: Wer kennt nicht den inneren Schweinehund, der sich bei der Wahl zwischen Salat und Pizza dann doch für die Pizza entscheidet?
Doch was kann man in diesem Fall von der eigenen Disziplin erwarten? Zwischen den eigeninitiativ durchgeführten Ernährungsinterventionen und einer Verbesserung der Akne-Symptomatik konnten die Autoren der Studie keinen signifikanten Zusammenhang feststellen. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Einschätzung der Betroffenen, die ihre Ernährungsintervention als überwiegend erfolglos betrachteten.
Die Erfahrungen der Befragten spiegeln sich in den Behandlungsempfehlungen der aktuellen Leitlinie zur Behandlung der Akne der Deutschen Dermatologische Gesellschaft. Zwar wird die Ernährung als möglicher Faktor für die Erkrankung diskutiert, ihre Rolle bleibt jedoch strittig und konkrete ernährungsbezogene Behandlungsempfehlungen gibt es in der aktuell gültigen Fassung keine. Wenn die Ernährungsweise also tatsächlich völlig irrelevant sein sollte, weshalb stehen der Leitlinie dann unzählige Ernährungstipps im Internet und positive Erfahrungsberichte einzelner Betroffener gegenüber? Sagen wir mal so: Es ist kompliziert.
Damit ernährungsmedizinische Hinweise tatsächlich in der Leitlinie landen, braucht es replizierbare Wirksamkeitsnachweise einer spezifischen Intervention. Weshalb es diese (bislang) nicht gibt, könnte u. a. an der sehr individuellen Reaktion auf identische Lebensmittel liegen. Besonders zutreffend ist diese Erklärung, wenn es um Lebensmittel mit hohem glykämischen Index und hoher glykämischen Last geht. Verschiedene Studien haben ergeben, dass solche Lebensmittel die Akne verstärken können. Die Blutzuckerreaktion und Insulinausschüttung auf ein und dasselbe Lebensmittel kann von Mensch zu Mensch allerdings sehr unterschiedlich sein. Sich als Betroffener nach einer allgemeingültigen Einteilung von Lebensmitteln nach ihrem glykämischen Index bzw. ihrer glykämischen Last zu richten, kann in einem Fall also funktionieren und im nächsten wieder nicht. Dieses Beispiel zeigt die Schwierigkeit auf, Ernährungseffekte in methodisch guten Studiensettings überhaupt identifizieren zu können und deutet letztendlich stark in Richtung eines Themas, das in der ernährungsmedizinischen Forschung immer lauter wird: personalisierte Ernährung.
Dass die aktuellen Leitlinien mögliche Ernährungsinterventionen völlig unberücksichtigt lassen, liegt also nicht primär daran, dass die Ernährung tatsächlich keinen Einfluss haben würde, sondern vielmehr daran, dass man es mit Individuen zu tun hat, die leider (oder zum Glück) nicht völlig gleich und vorhersehbar programmiert sind. Oder anders: Ein Einfluss der Ernährung ist vermutlich vorhanden, aber bisher nicht gemessen worden.
Aktuelle Studiendaten geben zumindest Hinweise auf Lebensmittel, die die Akne entweder triggern oder die Symptomatik positiv beeinflussen können. So scheint sich der Verzehr von Gemüse, Obst und Lebensmitteln reich an Omega-3-Fettsäuren bessernd auszuwirken. Diese Erkenntnis deckt sich also tatsächlich mit den Rechercheergebnissen der Befragten. Geringe Evidenz besteht außerdem dafür, dass Fleisch die typischen Akne-Symptome verstärkt. Der Verzicht auf Milchprodukte ist außerdem ein Ratschlag, den Betroffene über einen gewissen Zeitraum durchaus testen können: Aktuelle Ergebnisse ergeben eine moderate Evidenz dafür, dass Milchprodukte die Symptome verstärken. Trotz der individuellen glykämischen Reaktion auf kohlenhydrathaltige Lebensmittel besteht die bislang beste Evidenz für negative Einflüsse auf das Hautbild für Lebensmittel mit hohem glykämischen Index und hoher glykämischer Last.
Da es bislang insgesamt jedoch keine überzeugende Evidenz für eine allgemeingültige Ernährungsintervention in der Akne-Therapie gibt, verliert man in der Leitlinie darüber kein Wort. Das Gleiche gilt für einen Großteil ärztlicher Gespräche.
Auch wenn es keine spezifische, nachgewiesene wirksame Akne-Diät gibt, ist es wichtig, dass das Thema Ernährung im ärztlichen Beratungsgespräch zur Sprache kommt – gerade wegen der weit verbreiteten Überzeugung Betroffener von Ernährungseffekten auf die Erkrankung. Damit kann einerseits verhindert werden, dass Patienten sich den ersehnten Rat über unseriöse Quellen einholen und andererseits – und das ist viel entscheidender – eingeschritten werden, bevor Hilfesuchende überrestriktive (und noch dazu unwirksame) Diäten durchführen und sich dadurch unwissend dem Risiko einer Mangel- oder Fehlernährung aussetzen.
Außerdem könnten Betroffene tatsächlich von einer individuellen Beratung zur Ernährung profitieren. Dass in großen randomisiert kontrollierten Studien bislang keine signifikanten Zusammenhänge identifiziert wurden, kann nämlich unter anderem an der individuellen Reaktion auf ein Lebensmittel und der weiteren Lebensweise als Störfaktor liegen. Daher kann eine zeitlich begrenzte Eliminationsdiät unter ernährungsmedizinischer Betreuung durchaus im kontrollierten Setting ausprobiert und verworfen oder modifiziert werden, sollte keine Besserung eintreten. Ganz nebenbei ist die Empfehlung, mehr Gemüse und Obst zu verzehren und den Fleischkonsum zu reduzieren auch aus Sicht einer allgemeinpräventiven, gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährungsweise wünschenswert und kann zumindest nicht schaden. Nicht zuletzt sollten Patienten bestärkt werden, wenn sie bereits eine Ernährungsweise etabliert haben, die (subjektiven) Nutzen zur Symptomkontrolle hat und gleichzeitig die Kriterien einer ausgewogenen Ernährung erfüllt.
Vor allem wenn im ärztlichen Beratungsgespräch Zeit und Raum für eine Beratung zu möglichen Ernährungsinterventionen fehlen, kann eine externe ernährungsmedizinische Betreuung sinnvoll sein. Dafür bietet sich die Ausstellung der budgetneutralen ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung an, die von Betroffenen zur Ernährungstherapie genutzt werden kann. Mit Hilfe von professionellen und anerkannten Ernährungsfachkräften besteht die Möglichkeit, unter fachgerechter Anleitung individuelle Trigger-Lebensmittel zu identifizieren und langfristige Ernährungsstrategien zu entwickeln.
Auch wenn eine gesunde Ernährung grundsätzlich wichtig für das Erscheinungsbild unserer Haut zu sein scheint, ein Wundermittel ist die Ernährung allein sicherlich nicht und wir sind weit davon entfernt, die Wirkung einzelner Ernährungsfaktoren charakterisieren zu können. Vor allem die gezielte Therapie konkreter Erkrankungen ist zu großen Teilen unverstanden. Weitere Einflussgrößen, wie Stress, Schlaf und Umweltbedingungen können eine ebenso bedeutende Rolle für die Hautgesundheit spielen.
Nicht zuletzt nehmen Hormone, etwa Sexualhormone, entscheidenden Einfluss auf das Hautbild und können sogar mitursächlich für die Entstehung von Akne und anderen Hauterkrankungen sein. Dieser Zusammenhang zeigt unter anderem, warum einige Menschen trotz gesunder Ernährung unter Hauterkrankungen wie Akne leiden und zusätzliche medikamentöse und kosmetische Behandlungen notwendig sein können, um die Symptome und das Leiden in den Griff zu kriegen.
Wenngleich ausreichende Belege großer und qualitativ hochwertiger Studien zu konkreten Ernährungsinterventionen fehlen, sollte doch das Patientenbedürfnis nach Aufklärung über mögliche Zusammenhänge und Handlungsempfehlungen berücksichtigt und mit Hilfe qualifizierter Ernährungsfachkräfte erfüllt werden. Da es – im wahrsten Sinne des Wortes – kein Patentrezept gibt, besteht eine Aufgabe von Dermatologen darin, ihren Patienten die Möglichkeiten und Grenzen der Ernährung als Einfluss auf die Erkrankung zu vermitteln. Ein Fokus sollte dabei auf der Prävention von restriktiven Ernährungsverhalten liegen, um eine Mangelernährung oder die Gefahr einer Essstörung abzuwenden.
Bildquelle: amirali mirhashemian, unsplash